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Antikriegstag 2005

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Ansprache zum Weltfriedenstag in Erfurt am 1.9.2005

Frieden ist mehr als Abwesenheit von Krieg

Elfriede Begrich (in Erfurt)

Sehr geehrte Anwesende! Liebe unverbesserliche Friedensfreunde!
Der 1. September ist der Weltfriedenstag. Und der Antikriegstag. Weil aber Frieden mehr ist als Abwesenheit von Krieg, und Friedensmenschen mehr wollen als gegen den Krieg zu sein, rede ich lieber vom Weltfriedenstag. Weltfriedenstag also: das ist Globalisierung einer Hoffnung ohne Grenzen, Globalisierung einer Zukunft ohne Krieg. Globalisierung eines Friedens in Gerechtigkeit. Der Beginn dieser weltweiten Hoffnung liegt in dem Mut, dem ersten Weltkriegstag, den 1.Sept.1939, nun nach dem Ende des Krieges den Weltfriedenstag entgegen zu setzen. Frieden soll nun von Deutschland aus die Welt überziehen. Daß nie mehr eine Mutter ihren Sohn beweint und jedem, der ein Gewehr in die Hand nimmt, die Hand abfällt. So weit waren wir schon einmal in unserem Land. Das ist lange her.

Ich stelle mir vor, heute abend läuft auf allen Sendern über die Bildschirmen rund um die Welt einen Friedensband mit der Erinnerung: "1. September Weltfriedenstag", das unterbrochen wird an den Orten, an denen statt Friede Bürgerkrieg, Armutskrieg, Bandenkrieg, Ölkrieg, Religionskrieg, Wirtschaftskrieg herrschen. Das schöne Weltfriedensband würde arg durchlöchert.

Aber wir sind zur Zeit sehr mit uns selbst beschäftigt. Friede und der Blick in die Kriegsgebiete, die wir verschleiert Krisengebiete oder Konfliktherde nennen, an deren Zustand Deutschland durchaus mitbeteiligt ist, ist derzeit kein Thema. Frieden - das ist kein Wahlkampfthema, füllt nicht die ersten Seiten der Programme und wird nicht die zu erwartenden Fernsehduelle bestimmen. Frieden - ein vergessenes Thema? Vielleicht, weil er ein selbstverständliches Gut hierzulande ist? Weil die in Deutschland hergestellten Panzer fern von uns ihrer tötende Bestimmung nachkommen und man für die Mitteilung, daß Deutschlands am Hindukusch verteidigt werden muß, erst einen Atlas braucht? 6o Jahre Frieden im Land. Das ist wohl Grund zu danken. Aber wir haben den Krieg ausgelagert, Deutschland hat 4x so viel Kriegsmaterial 2003 als im Vorjahr exportiert. 60 Jahre Frieden - ohne Angst vor Bomben, noch! - aber London liegt vor der Tür, 6o Jahre Frieden mit stetig wachsendem Wohlstand, aber nur für die Wenigen, 6o Jahre Frieden mit materiell gesicherter Zukunft, zieht man die Millionen ab, die von diesem Segen ausgeschlossen sind.

Um den 1. September als Weltfriedenstag zu begehen, braucht es Menschen, die von einer unstillbare Hoffnung und unaufgebbare Sehnsucht nach Friede in der Welt getrieben sind.

Wie gut, daß Sie da sind, hier auf dem Anger der Stadt Erfurt, die ganz kurze Zeit als Stadteingangsschild die Aufschrift zeigte: Erfurt - Stadt des Friedens. Schade, auf der Suche nach dem Besonderen der Stadt Erfurt, ob nun Lutherstadt, Dom - oder Blumenstadt oder Stadt der Türmen und was dergleichen noch vorgeschlagen war, wäre doch die größte und alles Genannte zusammenfassende und gleichermaßen verbindende Bezeichnung: Erfurt Stadt des Friedens. Hoffnung und Verpflichtung zugleich, Politik und Prophetie im Einklang.

Frieden ist wohl zuerst, aber eben nicht nur die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist nie ohne Gerechtigkeit. Weil keine Gerechtigkeit in der Welt ist, ist auch kein Friede, ist Armut, Flucht, Terror, Korruption Wenn selbst in unserem reichen Land die Kinderarmut steigt, dann ist selbst hier trotz Abwesenheit des Krieges kein Friede. Wenn selbst in unserem reichen Land Menschen würdelos untergebracht und in Endlosschlangen nach Arbeit stehen, dann ist dieses unser so friedliches Land eben ein Land mit sehr eingeschränktem, partiellem Frieden.

Solange Fremdenhaß und Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewaltverherrlichung zum Alltag gehören, ist in kein Land der Friede eingezogen.

Solange Menschen, die hier seit über zehn Jahren leben mit ihren Kindern, die hier geboren sind, in ein Land abgeschoben werden, in dem sie Verfolgung und Verhaftung erwarten, so lange ist kein Friede in unserem Land. Der Friede ist so stark und stabil, so stark und stabil ihn der einzelne erlebt, mitgestalten und weitergeben kann. Friede wächst in konzentrischen Kreisen. Ohne eigenen Frieden keinen Weltfrieden, ohne Gerechtigkeit des Herzens keine Gerechtigkeit des Gesetzes. Hier bei uns, auf diesem Platz, in unserem Reden und Tun, in den Demonstrationen und Projekten, in der nimmermüden Kleinstarbeit, in der Beständigkeit und Ausdauer liegt die Kraft. Es gibt keinen Weg zu Frieden, Frieden selbst ist der Weg. Dabei soll es bleiben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.



Elfriede Begrich ist Pröpstin der Pröpstei Erfurt-Nordhausen.

E-Mail: elfriede.begrich@propstei-erfurt.de

Website: www.propstei-erfurt.de
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