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Antikriegstag 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag 2005 in Freiburg am 1. September

Liebe Freiburgerinnen und Freiburger, liebe Teilnehmer am Antikriegstag,

Horst Luppe (in Freiburg)

die Freiburger Friedensbewegung hat zusammen mit VVN / BdA und DGB wie jedes Jahr zu dieser Versammlung aufgerufen an dem Kalendertag, an dem 1939 der Zweite Weltkrieg mit dem deutschen Überfall auf Polen begann und mit 55 Millionen Toten und der weitgehenden Zerstörung europäischer Städte endete, dessen Lehre danach hieß: "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg".

Diese Lehre beherzigen die meisten "heutigen" Politiker schon lange nicht mehr. Seit den 90er Jahren hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Krieg führen gilt wieder als normales politisches Handeln. Das zeigen der Golfkrieg 1991, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen Serbien 1999, der weltweite Antiterrorkrieg der USA und ihrer Verbündeten seit 2001 mit der Bombardierung und Besetzung Afghanistans und der Krieg gegen den Irak seit 2003.

An allen diesen Kriegen war und ist Deutschland beteiligt: 1991 finanziell, 1999 und 2001 militärisch, gegen den Irak seit 2003 mit großem logistischem Aufwand. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundeswehr für die weltweiten Einsätze entsprechen denen der USA, der NATO und der EU. Dabei geht es um Zugang zu allen Rohstoffen und Märkten auf dieser Erde.

Zu dem Paradigmenwechsel gehören hierzulande auch der wirtschaftliche Liberalismus und damit der Rückbau des Sozialstaats. Vorrang für die Politik hat die Mehrung des politischen und wirtschaftlichen Einflusses Deutschlands in der Welt, verbunden mit einer militärisch gestützten Außenpolitik und einer menschenverachtenden Abschottungs- und Flüchtlingspolitik, also reine Machtpolitik, denen Wohlergehen und auch Leben der Menschen brutal geopfert werden.

Ein Ende der Besatzung in Jugoslawien, ein Ende der Kriege in Afghanistan und im Irak ist nicht in Sicht, doch hat man im Westen schon den nächsten so genannten Schurkenstaat, den Iran, im Visier. Und wie beim Irak geht es offiziell um Massenvernichtungswaffen, die man im Irak nicht fand und die der Iran nicht besitzt, geht es offiziell um den Krieg gegen den Terrorismus, der vom Irak nicht ausging und ebenso wenig vom Iran heute.

Die jetzige Kampagne gegen den Iran ähnelt erschreckend der Vorkriegspoltik gegen den Irak. Heute wird uns wieder vorgeführt, wie Krieg propagandistisch vorbereitet, verkauft und akzeptabel gemacht wird mit Hilfe von Bedrohungsängsten und der Beklagung von Menschenrechtsverstößen mit und ohne realen Hintergrund. Die Sprache unserer Politiker erinnert an Orwells Roman "1984": Kriegführung heißt "Friedensmission", die schwer bewaffneten Besatzer in Afghanistan heißen "Wiederaufbauteams", flächendeckende Bombardements dienen der "Befreiung und Demokratisierung", die Opfer werden als "Kollateralschäden" bezeichnet.

Dies ist die Situatuon 2005. Was können wir tun? In zwei Wochen kommt die herbeimanipulierte Bundestagswahl. Da erinnern sich die Politiker an ihre Wähler. Da stehen sie an Infoständen und auf Rednerpodesten und versprechen Aufschwung und Arbeitsplätze, Versprechungen, die schon Tage danach nur Makulatur sein werden. Und man sieht sie als massenhaft geklonte Pappkameraden, die übliche steuermillionenschwere Zumutung an die mündigen Bürger.

Die vier bekannten neoliberalen Parteien, allesamt Anhänger einer militarisierten Außenpolitik und des Sozialabbaus, erhalten endlich Konkurrenz von einer linken Wahlgemeinschaft, die sich v.a. gegen den galoppierenden Sozialabbau wendet, und, so ist zu hoffen, auch gegen weltweite Militäreinsätze und gegen die menschenverachtende Ausländerpolitik. Hier haben Protestwähler gegen die bisherige Politik eine Chance.

Aber ein sehr großer Teil der Bürgerinnen und Bürger glaubt schon lange nicht mehr, dass unsere Parteien in der Lage sind, unabhängig für das öffentliche Wohl zu arbeiten. Man sollte also nicht glauben, man könne mit dem Stimmzettel Verantwortung delegieren. Denn die eigentlichen Herrscher, Großbanken und Konzerne, kann das Volk weder wählen noch abwählen. Wir dürfen uns also keinesfalls auf die Berufspolitiker allein verlassen. Um wirklich entscheidende Veränderungen zu bewirken bedarf es des bereiten politischen und gesellschaftlichen Engagements der Bürgerinnen und Bürger.

Dazu bekannte Beispiele erfolgreicher gewaltfreier Bürgerpolitik: Wer wollte sich in Freiburg nicht erinnern, dass seinerzeit mit der Platzbesetzung in Wyhl eine ganze Reihe von Kernkraftwerken und die Totalindustrialisierung diesseits des Oberrheins verhindert wurde? Umweltschutz wurde von Bürgerbewegungen durchgesetzt, ehe er Fuß in den Parteien fassen konnte. Der lange Atem der Friedensbewegung in den USA sorgte für die Beendigung des Vietnamkrieges, nur so ist zu hoffen, in Zukunft auch zu einem Ende des Irakkrieges zu kommen. Die Aktionen der Friedensbewegung bei uns in den 80er Jahren mobilisierten die Bevölkerung gegen die atomare Bewaffnung und trugen so zur wenigstens teilweisen Abrüstung ab 1990 bei.

In Zeiten der neuen imperialen Kriege unter Führung der USA bleibt die Friedensbewegung weltweit aktiv. Die Antiglobalisierungsbewegung gewinnt an Einfluss. Zahlreiche Initiativen in der Bevölkerung wehren sich gegen Fremdenfeindlichkeit und unmenschliche Abschiebungspraktiken. Bei all solchen bürgerschaftlichen Aktionen geht es um mehr Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden.

Und noch etwas, das Freiburg besonders angeht:

Unsere Stadt ist Partnerstadt von Isfahan im Iran. Freiburg steht hier neben größeren und bedeutenderen Städten wie St. Petersburg und Florenz. Freiburger Gemeinderäte wollen Ende Oktober mit dem Oberbürgermeister nach Isfahan reisen, das nun wegen seiner Urananreicherungsanlage, die der friedlichen Nutzung der Kernernergie dienen soll, politische Schlagzeilen macht. Wir alle kennen den problematischen Zusammenhang zwischen friedlicher und militärischer Nutzung solcher Anlagen, einer der Gründe für die breite Ablehnung der zivilen Nutzung auch bei uns.

Wir wünschen der Freiburger Delegation Erfolg bei ihren partnerschaftlichen Verhandlungen. Sie sollten auf der berühmten "gleichen Augenhöhe" geführt werden und nicht mit besserwisserischen Belehrungen im Kolonialistenstil.

Freiburg hat viele gute Beispiele vorzuweisen in Sache alternativer Energiegewinnung, z.B. der Solarenergie, Beispiele, die natürlich auch für das Sonnenland Iran große Bedeutung haben. Der Freiburger Oberbürgermeister ist Mitglied des internationalen Gremiums der "Mayors for Peace", der Bürgermeister für den Frieden. Auch Teheran und Isfahan und drei weiter iranische Städte haben sich dieser Bewegung gegen Atomwaffen angeschlossen, eine weitere gute Grundlage für diese Städtepartnerschaft.

Die Freiburger Delegation kann interessante Themen und Angebote im Gepäck mitbringen. Wir wünsche ihr eine gute und friedensertragreiche Reise!


Horst Luppe ist aktiv beim Freiburger Friedensforum.
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