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Antikriegstag 2005

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Redebeitrag zum Antikriegstag 2005 am 1. September in Hamburg

Liebe Freundinnen und Freunde,

Bernt Kamin (in Hamburg)

Ich bin Hafenarbeiter und Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter in Hamburg und habe in den 70er Jahren Schiffbauer gelernt. Die Werft, auf der ich in Schleswig-Holstein gelernt habe, ist im Zuge des Werftensterbens dichtgemacht worden und Kriegschiffe wollte ich nicht bauen. Insofern habe ich mir einen neuen Job gesucht und bin Anfang der 80er Jahre im Hamburger Hafen gelandet.

Zu Beginn der 80er Jahre hatten wir in der Republik die Diskussion über den Nato- Doppelbeschluss. Ältere Kollegen, die den Krieg noch mitgemacht hatten, waren empört über die beabsichtigte Aufrüstung und haben mich davon überzeugt, dass man auch als Hafenarbeiter etwas dagegen unternehmen muss. Diese Zeit als junger Hafenarbeiter und Gründungsmitglied des Friedensaufrufes Hamburger Hafen, haben mein weiteres Leben tief geprägt.

Hafenarbeiter machen eine wichtige Erfahrung. Sie kommen täglich mit Menschen aus aller Herren Länder zusammen und sie leben davon, dass die Völker der Welt ihre Waren austauschen. Denn nur, wenn es friedlichen Handel zwischen den Völkern gibt, findet ein wachsender Warenaustausch statt. Nur wenn es Frieden gibt, haben wir einen sicheren Arbeitsplatz. Als ich in den 80er Jahren als Schauermann gearbeitet habe, bin ich fast täglich auf Schiffen gewesen aus der Sowjetunion, aus der DDR, aus Polen, ich habe bei den Tschechen gearbeitet, auf Schiffen aus dem Iran, aus dem Irak und vielen Ländern mehr.

Und wenn man jeden Tag mit den Menschen aus diesen Ländern arbeitet, dann ist man auch nicht so anfällig für eine Propaganda die behauptet, wir müssten aufrüsten, um uns vor solchen Menschen zu schützen. Aber es schärft auch, wie gesagt den Blick dafür, was denn wäre, wenn all diese Schiffe nicht mehr zu uns kommen würden.

Wir haben damals eine Aktionsform gewählt, von der ich nach wie vor begeistert bin, wir haben den "Friedensaufruf Hamburger Hafen" gegründet und sind Teil der betrieblichen Friedensbewegung geworden. Wir haben auf Demonstrationen ein riesiges Transparent getragen, auf dem Stand sinngemäß "Kriege sind zu teuer - nur im Frieden springt die Heuer". Vielleicht erinnert sich noch jemand an einen Skandal, der bundesweit durch die Presse ging. Ein engagierter Kapitän von Hapag-Lloyd, ich glaube er hieß Kraft, hatte sich geweigert mit dem Schiff, auf dem er gefahren ist, Raketenteile zu transportieren und war daraufhin entlassen worden. Wir haben eine Solidaritätskampagne gestartet, eine internationale Konferenz von Hafenarbeitern durchgeführt, Unterschriften gesammelt, die Bevölkerung informiert, wir haben für kurze Zeit die Arbeit ruhen lassen und vieles mehr.

Hinter diesen Aktivitäten steckte die Überzeugung, dass es ganz wesentlich darauf ankommt, den Widerstand in den Betrieben zu verankern. Denn wenn die Friedensbewegung auch in der Lage ist ökonomischen Druck auszuüben, dann steigen die Erfolgschancen. Es reicht nicht aus, so wichtig es auch ist, auf der Strasse zu demonstrieren, sondern der Druck muss auch aus den Betrieben kommen. Ich würde mir wünschen, diese Erkenntnis wäre in den Gewerkschaften verbreiteter.

Wir haben als Hafenarbeiter Europas im vergangenen Jahr eine wichtige Erfahrung gemacht und einen großen Erfolg errungen. Wir haben eine Richtlinie der Kommission zu Fall gebracht, die zum Ziel hatte die Häfen zu deregulieren, die Tagelöhnerarbeit wieder zuzulassen. Wir waren deshalb erfolgreich, weil wir über 14 Ländergrenzen hinweg gleichzeitig die Arbeit niedergelegt haben und das nicht nur einmal, sondern immer wieder, über Monate hinweg. Das ist übrigens das erste Mal in der Nachkriegsgeschichte, dass solche grenzübergreifenden politischen Arbeitskämpfe stattgefunden haben. Ich hatte das Vergnügen, diesen Kampf in Brüssel für die Hafenarbeitergewerkschaften zu koordinieren.

Wir haben dabei einfache Botschaften benutzt. Wir haben gesagt, dass die Politik kein Recht hat unsere sozialen Bedingungen zu zerstören. Wir haben gesagt: Liebe Leute, was immer ihr auch entscheidet, wir werden nicht zulassen, dass Schiffe zu Billiglöhnen entladen werden und wir haben damit gedroht, das wir jedes Schiff boykottieren werden, dass durch Billiglöhner beladen worden ist. Wir wissen nicht immer, ob wir das auch hinkriegen, aber die anderen auch nicht. Auf jeden Fall trauen sie uns Hafenarbeitern einiges zu.

Ich finde, wir sollten diese Erfahrung auch für andere Kämpfe nutzen und deutlich machen, dass niemand das Recht hat Kriege anzuzetteln, niemand hat das Recht fremde Völker anzugreifen und niemand kann uns zwingen Unterstützung für Kriege zu leisten, in welcher Form auch immer. Und wir müssen deutlich machen, dass wir als Transportarbeiter nicht zur Verfügung stehen, wenn sie wieder in den Krieg ziehen wollen. Denn dafür brauchen sie Schiffe und Flugzeuge und Bahnen und LKW und müssen einen gigantischen logistischen Aufwand betreiben. Die Kampagne gegen die zweite Auflage dieser Hafenrichtlinie läuft auf Hochtouren und die Hafenarbeiter Europas tragen ein T-Shirt, das ich hier in der Hand halte. Darauf steht "Proud to be a docker" (,Ich bin stolz darauf Hafenarbeiter zu sein"). Und ich und meine Kollegen sind stolz auf unsere Arbeit, die wir behalten wollen und wir sind stolz darauf, was wir politisch durchgesetzt haben. Und ich persönlich bin stolz darauf, in der Tradition der Hafenarbeiter zu stehen, die sich schon bei den Nazis geweigert haben, Schiffe für Franco-Spanien zu beladen und ich bin stolz auf meine amerikanischen Kollegen, wie Jack Heyman u.a., die zu Beginn des Irakkrieges die Hafenzufahrten in Oakland blockiert haben, um zu verhindern, das die Waffentransporte stattfinden können. Man liest leider wenig in unserer Presse über solch mutige Kollegen, die dafür verprügelt und in den Knast gesteckt wurden. Aber es gibt sie und sie begegnen mir immer wieder in fast allen Häfen, die ich besucht habe.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass der Widerstand wächst, dass er auf den Strassen und in den Betrieben stattfindet. Lasst und gemeinsam gegen die Armut kämpfen. Nicht nur hier, sondern auch und insbesondere in den sogenannten Ländern der dritten Welt, denn nur wenn es Wohlstand und qualitatives Wachstum gibt, gibt es auch friedlichen Handel, und den brauchen wir als Hafenarbeiter, davon leben wir.


Bernt Kamin ist Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter in Hamburg
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