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Antikriegstag 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag am 1. September 2005 in Bonn

Liebe Freundinnen und Freunde! Liebe Bonnerinnen und Bonner!

Bernd Klagge (in Bonn)

Herzlich willkommen zur Kundgebung am Antikriegstag 2005 in Bonn.

"Sag Nein!" - Das war die eindeutige Aufforderung des Dramas "Draußen vor der Tür", dem meistgespielten deutschen Nachkriegsdrama. Der Schriftsteller Wolfgang Borchert schrieb es - geprägt von Krieg und Gefangenschaft - kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. 1947 wurde es in Hamburg uraufgeführt. Borchert selbst starb 26-jährig krank und geschwächt vom Krieg noch im gleichen Jahr.

"Du, Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen - sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins:

Sag NEIN!

Denn wenn Ihr nicht NEIN sagt, Forscher, Dichter, Ärzte, Pfarrer, Piloten, Schneider, Richter, Männer und Mütter in den Dörfern und Städten, dann wird es ein infernalisches Ende geben."

"Draußen vor der Tür" spiegelt nicht nur die Kriegsmüdigkeit eines großen Teils der deutschen Bevölkerung wieder, sondern auch, dass es unvorstellbar schien, nach zwei Weltkriegen, die von Deutschland ausgingen, wieder eine deutsche Armee zu schaffen, geschweige denn diese Armee wieder in einen Krieg zu schicken.

Wir alle wissen, es kam anders: Das von Borchert beschworene "infernalische Ende" wurde und ist für viele Menschen auf diesem Globus längst bittere Realität. In Deutschland wurde die Bundeswehr aufgebaut. Und dieses Jahr meint man, dass ihr 50-jähriges Bestehen ein Anlass zu Feierlichkeiten sei.

Wiederbewaffnung, Wehrpflicht, Ausrüstung der Bundeswehr mit nuklearfähigen Waffensystemen, US-Atomwaffen-Stationierung - all dies war bereits Ende der 60er Jahre gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchgesetzt. Westdeutschland wurde zum Bollwerk gegen Russland gemacht, wie eine US-amerikanische Expertenrunde bereits im April 1945, also vor Kriegsende im Weißen Haus beschlossen hatte.

In den 70er Jahre folgte der Boom der westdeutschen Rüstungsexporte, des Geschäfts mit dem Tod. Seit Mitte der 80er Jahre begann schlussendlich der Aufweichungsprozess der Ablehnung militärischer Auslandseinsätze - geschickt verpackt als Blauhelmmissionen. Als diese so genannten humanitären Einsätze der Bundeswehr begannen, wollten auch viele in der deutschen Friedensbewegung nicht sehen, wo dieser Hase lang läuft. Die Zäsur für die deutsche Friedensbewegung war dann der Angriffskrieg gegen Jugoslawien.

Erst vor fünf Tagen wieder mussten am Informationstisch des Bonner Friedensbündnisses angebliche Konzentrationslager, Völker- und Massenmord durch die Serben dafür herhalten, dass dieser Angriffskrieg gerechtfertigt gewesen sei. Während den Propagandalügen der USA zum Irakkrieg niemand glaubt, sitzen die deutschen Propagandalügen zum Jugoslawienkrieg unhinterfragt in den Köpfen vieler. Das "Nie wieder Auschwitz" des grünen Außenministers Joseph Fischer hat seine Wirkung nicht verfehlt.

Wenn bei den USA messerscharf erkannt wird, das es ökonomische Interessen sind, die über Krieg und Frieden entscheiden, warum untersuchen wir dann nicht auch die deutsche Kriegspolitik in Hinblick auf diese Interessen. Oder glaubt irgendwer, dass die herrschenden Politiker, die skrupellos die Verarmung von zwei Drittel der Menschen in Deutschland vorantreiben und gleichzeitig einer kleinen Clique die Taschen füllen, - glaubt irgendwer, dass diese Politiker ihre Kriegs- und Außenpolitik auf Basis selbstloser Ideale gestalten? "Wir stehen für den Mut zum Frieden" wirbt die SPD auf großflächigen Werbeplakaten. "Wer Frieden will, muss standhaft bleiben" verkündigt derselbe Gerhard Schröder, der sich zuvor noch selbst für die erfolgreiche "Enttabuisierung des Militärischen" rühmte. Das ist irreführende Wahlwerbung.

Sollen wir vergessen, dass Schröder und Fischer Deutschland in den ersten Krieg seit Ende des Zweiten Weltkrieges führten? Den Überfall Jugoslawiens, eine völkerrechtswidrige Aggression und nach internationalem Recht ein Verbrechen. Sollen wir vergessen, dass der rot-grün-schwarz-gelbe Konsens dem US-Präsidenten nach dem 11. September 2001 die bedingungslose Unterstützung in dessen "Krieg gegen den Terror" zusagte? Warum drängen sie nicht auf kriminalistische Aufklärung der Tat statt mit der Bundeswehr in Afghanistan Krieg zu führen und angeblich deutsche Interessen am Hindukusch zu verteidigen?

Sollen wir vergessen, dass die Ablehnung des Krieges gegen den Irak durch die deutsche Regierung letztlich nur verbal und auf dem diplomatischen Parkett erfolgte. Deutschland stellte faktisch mit 4.600 Soldaten das viertgrößte Kontingent für den Krieg bereit - zwar nicht im Irak, aber als Ersatz für aus Deutschland und Afghanistan an den Golf verlegte US-Soldaten?

Und sollen wir tolerieren, dass bis heute 80 % des Nachschubs an Waffen, Munition und Verpflegung in den Irak über Flug- und Seehäfen in Deutschland abgewickelt wird?

Im rot-grün-schwarz-gelben Konsens heißt Krieg inzwischen "Frieden", und Militarisierung heißt "Sicherheitspolitik". Das nehmen wir nicht hin.

Liebe Freundinnen und Freunde! Liebe Bonnerinnen und Bonner!

Sagt Nein - zu Krieg und Besatzung in Irak, Afghanistan, Palästina und vielen anderen Ländern.

Sagt Nein - zu deutschen Kriegseinsätzen, zur deutschen Unterstützung imperialer Krieg und zu Rüstungsexporten.

Sagt Ja - zum Frieden und zur internationalen Solidarität mit allen Menschen, die weltweit für den Frieden und gegen Krieg und Besatzung kämpfen.


Bernd Klagge ist aktiv im Bonner Friedensbündnis.

E-Mail: info@frieden-bonn.de

Website: www.frieden-bonn.de
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