Antikriegstag 2007


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Antikriegstag 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für die Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag 2007 am 31.08. in Oberhausen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Apostolos Tsalastras (in Oberhausen)

Heute gedenken wir des 1. September 1939, dem Tag an dem der II. Weltkrieg begann. Ich habe aus diesem Anlass ein Gedicht von Erich Kästner ausgesucht, das obwohl vor dem 2. Weltkrieg geschrieben, sehr gut meine Gedanken zum heutigen Tage einleiten kann. Kästner schrieb das Gedicht "Die andre Möglichkeit" nach dem ersten Weltkrieg.



Die andere Möglichkeit



Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,

mit Wogenprall und Sturmgebraus,

dann wäre Deutschland nicht zu retten

und gliche einem Irrenhaus.



Man würde uns nach Noten zähmen

wie einen wilden Völkerstamm.

Wir sprängen, wenn Sergeanten kämen,

vom Trottoir und stünden stramm.



Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,

dann wären wir ein stolzer Staat.

Und pressten noch in unseren Betten

die Hände an die Hosennaht.



Die Frauen müssten Kinder werfen.

Ein Kind im Jahre. Oder Haft.

Der Staat braucht Kinder als Konserven.

Und Blut schmeckt ihm wie Himbeersaft.



Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,

dann wäre der Himmel national.

Die Pfarrer trügen Epauletten.

Und Gott wär deutscher General.



Die Grenze wär ein Schützengaben.

Der Mond wär ein Gefreitenknopf.

Wir würden einen Kaiser haben

und einen Helm statt einem Kopf.



Wenn wir den Krieg gewonnen hätten,

dann wäre jedermann Soldat.

Ein Volk der Laffen und Lafetten!

Und ringsherum wär Stacheldraht!



Dann würde auf Befehl geboren.

Weil Menschen ziemlich billig sind.

Und weil man mit Kanonenrohren

allein die Kriege nicht gewinnt.



Dann läge die Vernunft in Ketten.

Und stünde stündlich vor Gericht.

Und Kriege gäb`s wie Operetten.

Wenn wir den Krieg gewonnen hätten -

zum Glück gewannen wir ihn nicht!



Dieses Gedicht, zeigt in besonderer Weise, wie eng Krieg und Gesellschaftssystem miteinander verbunden sind. Nationalismus, Diktatur und Unterdrückung waren und sind auch heute ein ertragreicher Nährboden für Kriege. Überall dort, wo autoritäre Ideologien und Gesellschaftsmodelle oder ökonomische Interessen über Demokratie und Menschenrechte gestellt werden ist der Weg zur gewaltsamen Erzwingung der eigenen Interessen nicht weit. Dennoch, es wäre unendlich schwieriger gewesen ein solches Gedicht auch nach dem zweiten Weltkrieg zu schreiben, weil das Grauen, das die Nationalsozialisten verbreitet haben nicht satirisch übersteigert werden kann. Der Krieg selbst hatte Leid, Tod und Elend über die ganze Welt gebracht. Aber die systematische Ausrottung von Menschen auf nahezu maschineller Basis und ein völlig entmenschlichtes Unterdrückungssystem, das die Nazis für große Teile Europas vorgesehen hatten, sind nach menschlichem Ermessen nicht vorstellbar, aber wie die Geschichte zeigt dennoch möglich.

Die Notwendigkeit in Form des Antikriegstags an die Gräuel des Krieges und die menschenverachtende Ideologie des Nationalsozialismus zu erinnern, hat leider selbst 62 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Obwohl wir heute wissen, was damals geschah, gibt es heute noch Menschen, die sich dem ideologischen Gedankengut der Nationalsozialisten verpflichtet fühlen. Einer Ideologie, die verantwortlich ist für all das Leid, dass Krieg, Unterdrückung, Verfolgung und Völkermord angerichtet haben. Heute versuchen sie sich hinter dem Mantel der Legalität zu verstecken, und verteilen Propagandamaterial unter dem Schutz staatlicher Sicherheitsorgane. Die aufgrund der Rechtslage gezwungen sind, diesen Schutz zu gewähren, obwohl allen klar ist, dass das einzige Bestreben der Rechtsradikalen die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaates ist. Lassen Sie uns dafür eintreten, dass solche Parteien, wie die NPD verboten werden, damit auch im öffentlichen Bewusstsein deutlich wird, dass Fremdenfeindlichkeit, Rassenideologie, Demokratiefeindlichkeit und Gewaltbereitschaft gegen Andersdenkende, Menschen mit Behinderung oder anderem kulturellem Hintergrund keine legale Grundlage sein können für eine deutsche Partei.

Das heißt nicht, dass wir uns nicht auch inhaltlich mit der Zeit des Nationalsozialismus und den Vorstellungen der heutigen Nazis auseinandersetzen müssen. Ein Verbot allein wird nicht ausreichen, um Demokratie und Freiheit zu schützen. Es gilt die Grundwerte unserer Demokratie, die Achtung der Menschenwürde und den Schutz und die Achtung der Menschenrechte tief im Gedankengut unserer Gesellschaft zu verankern. Gedenktage, wie der heutige leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Wir sind uns aber auch bewusst, dass dies eine kontinuierliche Aufgabe ist, deren Notwendigkeit immer Bestand haben wird.

Die Arbeit der Gedenkhalle wird dies nach den baulichen Veränderungen und der Umsetzung der Neukonzeption noch besser können als in der Vergangenheit. Eine attraktive Dauerausstellung über die Zeit des Nationalsozialismus in Oberhausen und neue verbesserte Möglichkeiten der pädagogischen Arbeit sollen das Ergebnis unserer Bemühungen sein. Mit einem verstärkten Angebot zur Menschenrechts- und Demokratieerziehung in Oberhausen wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen wird.



Apostolos Tsalastras ist Dezernent für "Sport, Gesundheit, Kultur" der Stadt Oberhausen.

E-Mail: Apostolos (Punkt) Tsalastras (at) oberhausen (Punkt) de

Website: www.oberhausen.de
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