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01.09.2011


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Antikriegstag 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung im Ulm am 1. September 2011

Liebe Freundinnen und Freunde,

Andrea Schiele (in Ulm)



- Sperrfrist: 1. September 2011, Redebeginn, ca 17.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochen Wort -



mit dem Überfall auf Polen begann vor 72 Jahren der II. Weltkrieg.

Er war das bisher größte Verbrechen der Weltgeschichte mit ca. 60 Millionen Todesopfern.

Danach lautete für Jede und Jeden klar und verständlich die Konsequenz aus diesem Krieg: Nie wieder Krieg und Faschismus.

Es gab die Hoffnung, dass dieser Krieg eigentlich der Menschheit für alle Zeiten jeden Gedanken an Krieg und Militär ausgetrieben hat.

Denn Krieg ist eben nicht die Fortsetzung der Politik sondern ein Verbrechen an der Menschheit

Aber schon der Blick in die nächste Zeitung zeigt, dass diese Schlussfolgerung nicht für die derzeit Regierenden gilt:

Soeben hat die NATO 6 Monate lang Libyen bombardiert. Jeder der nicht mit verbunden Augen Zeitung liest, weiß, dass es dabei nicht um den Schutz der Zivilbevölkerung ging.

Bekannt wurde z.B. der Fall eines Familienvaters, der am 20. Juni seine Angehörigen bei einem NATO-Luftangriff auf die libysche Stadt Sorman verloren hatte und eine Klage gegen die NATO einreichte. Bei dem Angriff auf das Wohnhaus waren insgesamt 15 Menschen getötet worden. Schon im Juli bezifferte die libysche Regierung die Zahl der bei den Nato-Angriffen getöteten Menschen auf 1108.

Diese Beispiel zeigt einmal mehr: Bomben unterscheiden nicht zwischen "Freund" und "Feind" - sie machen, wofür sie hergestellt wurden: Sie zerstören! Sie töten!

Worum es in diesem Feldzug der Nato ging wurde zwar niemals offiziell erklärt, aber ganz offen wird es gesagt: Gaddafi musste weg. Ein unliebsames Regime sollte durch ein anderes ersetzt werden. Die UN-Sicherheitsratsresolution schafft zum ersten Mal die Situation, dass jetzt Kriege gegen beliebige Regierungen möglich scheinen, wenn die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im UN-Sicherheitsrat demnach sind und als "humanitäre Intervention" begründet werden können. Diese werden immer selektiver beschlossen - es galt und gilt nicht für die Bomben Israels auf Gaza, noch für die Bündniseinsätze in Afghanistan.

Die falsche Behauptung, dass es nur um die Einrichtung einer Fugverbotszone und den Schutz der Bevölkerung ging, ist also leicht zu wiederlegen. Aber sie wird akzeptiert. Schließlich ging es darum ein undemokratisches System durch ein demokratisches zu ersetzen.

Aber wer oder was gibt und die Gewissheit, dass ein vom Westen herbei gebombtes Regime ein demokratisches sein könnte?

Es war nicht der Fall im Kosovo, wo heute Leute regieren, die damals wie heute Teil der organisierten Kriminalität waren.

Das war nicht der Fall im Irak, in dem trotz Ölreichtums bis heute nicht die einfachsten Lebensbedingungen der Bevölkerung wiederhergestellt werden konnten.

Am deutlichsten ist die Parallele in Afghanistan. Auch dort verbündete sich ein westliches Kriegsbündnis mit der Nordallianz, der unterliegenden Bürgerkriegspartei im damaligen Afghanistan, um einen Regimewechsel herbeizuführen.

Das bisherige Ergebnis ist die heutige Regierung Karsai, deren Wahlfälschung im letzten Jahr die Spatzen von den Dächern pfiffen und ein nunmehr ins zehnte 10. Jahr gehender Kriegseinsatz der Nato, der Tausende von Opfern unter der Zivilbevölkerung kostete. Diese Bevölkerung vermisst, wie jene im Irak nicht nur den Frieden, sondern eben auch und gerade die versprochenen Menschen- und Frauenrechte, sowie den Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung und Schulbildung.

Erneut wurde uns die Notwendigkeit zum Kriegführen verkündet und Friedenspflicht sollte uns als unterlassene Hilfeleistung glaubhaft gemacht werden. Die Wahrheit ist, dass all die vorgetragenen Begründungen für die jüngeren Kriege gegen Jugoslawien, gegen den Irak, gegen Afghanistan und andere sich genauso als gelogen herausstellten, wie sich auch die Begründungen für den Krieg gegen Libyen als Lüge erweisen werden.

Warum glauben dennoch so viele Menschen daran. Weil sie es wollen. Weil sie sich der Erkenntnis versperren, dass auch die modernen, heutigen westlichen Regierungen die Milliarden, die sie täglich für ihre Armeen und Militärs und Rüstungskonzerne ausgeben, weder in den Frieden, noch in die Demokratie oder in die Menschenrechte investieren, sondern in ein gutes Geschäft.

Und dieses Geschäft heißt Krieg und es dreht sich um Öl, Rohstoffe und Transportwege.

Zu diesem Geschäft gehören auch die Rüstungsexporte. Deutschland ist Europameister bei den Rüstungsexporten. Genehmigt werden Rüstungsexporte von der Bundesregierung und ihren nachgeordneten Behörden. Zu den Empfängern deutscher Waffen, Rüstungsgüter und Lizenzen zählen selbst Diktaturen und autoritäre Regime, die die Menschenrechte mit Füßen treten.

Der Bundessicherheitsrat erlaubte kürzlich die Lieferung von 200 deutschen Leopard-Kampfpanzern an das saudische Regime. Das despotische Königshaus unterdrückt brutal die eigene Bevölkerung und half erst vor wenigen Wochen, die Demokratiebewegung in Bahrain mit Panzern blutig niederzuschlagen.

Mitten in den Demokratisierungsbestrebungen der arabischen Welt ist diese Panzerlieferung besonders unverständlich und gehört umgehend zurück genommen!

Wenn Verteidigungsminister de MaiziŠre nun Bauteile für Bomben und Präzisionsmunition an kriegsführende Staaten der NATO liefern will gießt er erneut Öl ins Feuer dieses Krieges und macht sich mitschuldig.

Wer zuerst den Kampfeinsatz der Bundeswehr in Libyen ablehnt, danach aber Waffen liefert, macht sich zur Kriegspartei. Die Enthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat offenbart hier ihre Verlogenheit und Heuchelei. Sie war nie eine Antikriegshaltung.

Gestern ging durch die Medien die Meldung, Libysche Kämpfer der Anti-Gaddafi-Milizen haben sich in den Waffenarsenalen des Diktators Gaddafi mit Beutewaffen aus baden-württembergischer Produktion eingedeckt. Offiziell sind die Waffen nie an das Gaddafi-Regime geliefert worden. In den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung ist eine Lieferung von Sturmgewehren nicht verzeichnet - die Waffen sind damit wohl illegal nach Libyen gelangt.

Aber spielt das denn eine Rolle? In dem Augenblick in dem die Waffen ins Ausland verkauft wurden, hat doch niemand mehr die Kontrolle und die Übersicht, was mit diesen Waffen danach geschieht. Und dass Waffen einen Weg zu Diktatoren und Unterdrückern finden - zeigt sich doch täglich in den weltweiten Konflikten.

Aber mehr noch: Auch mit legalen Rüstungstransfers werden in den Empfängerländern häufig bestehende Konflikte verstärkt. Finanzielle Mittel für Bildung und Armutsbekämpfung stehen dort dann immer weniger zur Verfügung. Die Situation verschärft sich. Waffen werden nicht selten gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt.

Unzählige Menschen werden getötet, verwundet oder traumatisiert.

Wer weitere Opfer dieser skandalösen Politik vermeiden will, muss die Geschäfte mit dem Tod beenden und den Waffenhandel unwiderruflich stoppen.

Zu diesem Geschäft bedarf es auch der Rüstungsforschung, die an den Universitäten, also mit Steuergeldern betrieben wird. Auch das widerspricht der Verfassung und den Lehren nach 1945. An den Universitäten und Fachhochschulen muss für den Frieden und nicht für Militär, Rüstung und Krieg geforscht werden.

Die Studenten haben in Karlsruhe über eine Zivilklausel abgestimmt. In solchen Zivilklauseln ist verankert, dass Universitäten und Hochschulen dem Frieden, der Verständigung unter den Völkern und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu dienen haben. Ein wichtiges Mittel dazu ist die institutionelle Verankerung einer Friedensbindung, wonach Forschung und Lehre auf ausschließlich friedliche und zivile Zwecke zu beschränken sind.

Wir fordern die Aufnahme der Zivilklausel ins Hochschulgesetz.

Auch an den Schulen hat die Bundeswehr nichts zu suchen. Staatsbürgerlicher Unterricht muss von dazu ausgebildeten Lehrkräften gehalten und darf nicht von "Jugendoffizieren" übernommen werden. Nur so kann Objektivität gewährleistet werden. Wir verurteilen die Werbemethoden der Bundeswehr an Schulen, Ausbildungsmessen und Hochschulen.

Das Motto muss lauten: Kein Werben fürs Sterben

Die Rüstungsforschung, der Wettlauf um die Bombe in der Zeit des 2. Weltkriegs hat uns nicht nur die Atombombe mit ihren Hundertausenden von Opfern in Hiroshima und Nagasaki beschert, sondern schließlich auch die sogenannte zivile Nutzung der Kernkraft. Radioaktive Strahlung ist langlebig und wirkt sich auf die kommenden Generationen aus, was die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki nur zu gut wissen. Es ist eine schreckliche Tragödie, dass die einzige Nation, die zwei Angriffe mit Atomwaffen erleiden musste, heute neuer Strahlenbelastung ausgesetzt ist.

Nach Fukushima hat sich die Erkenntnis über die Gefahren der Atomenergie durchgesetzt. Nun muss sich auch noch die Erkenntnis durchsetzten, das wir sie nicht brauchen.

Regierungen müssen Pläne für den Bau neuer Kernkraftwerke einstellen, Uranabbau stoppen, Kernenergie in ihrem Energiemix auslaufen lassen, und davon absehen, Kernkraft als ein Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels darzustellen.

Die Regierungen sollten ihre Unterstützung für die Entwicklung von erneuerbaren und kohlenstofffreien Energiequellen sowie zur Energieeinsparung beschleunigen und vergrößern.

Wir wehren uns auch deshalb gegen die Verbreitung ziviler Atomtechnik, weil viele Staaten dadurch die Voraussetzungen erhalten, binnen kurzer Zeit (und evtl. geheim) eigene Atombomben zu entwickeln und waffenfähiges Material zu gewinnen. So können Anreicherungsanlagen einfach umgenutzt werden, um waffenfähiges hoch angereichertes Uran herzustellen, in Wiederaufbereitungsanlagen entstehen Tonnen von reinem Plutonium.

Das Motto muss lauten: abschalten und abschaffen!

Robert Jungk hat in seinem Buch der Atomstaat aufgezeigt, dass der Versuch gefährliche Großtechnologien wie die Kernkraft zu beherrschen zu einem Verlust an Demokratie führen muss.

Wir wissen es aus der Geschichte: Auch Krieg und Demokratie lassen sich nicht vereinbaren.

Das beweist zuerst der 2. Weltkrieg, dessen wir heute gedenken.

Es bedurfte damals der Übergabe der Macht an Hitler, die Errichtung eines faschistischen Regimes um den Angriffskrieg erst gegen Polen, dann gegen ganz Europa zu führen.

Dem Terror dieses Krieges ging die Zerschlagung der Weimarer Demokratie, die blutige Zerschlagung der Arbeiterbewegung und der gesamten antifaschistischen Opposition voraus.

Deshalb heißt unsere Lehre aus dem heutigen Antikriegstag auch:

Kein Platz für Faschisten.

Am 03.09.2011 wollen Neonazis zum widerholten mal in Dortmund aufmarschieren. Seit 2005 mobilisieren die Dortmunder Neonazis jährlich zu ihrem sogenannten "Nationalen Antikriegstag" in die Ruhrmetropole. Hinter der extrem rechten "Antikriegsrethorik" verbirgt sich ein völkisches, antisemitisches, rassistisches und eindeutig den Nationalsozialismus verherrlichendes Weltbild. Nicht für umsonst heißt die Parole der Neonazis: "Nie wieder Krieg nach unserem Sieg".

Der Dortmunder Aufmarsch hat sich zu einem der wichtigsten Events der Neonazi-Szene entwickelt. In den letzten beiden Jahren konnten die Neonazis ihren Aufmarsch zwar nicht wie geplant durchführen, da ihnen von der Polizei lediglich eine stationäre Kundgebung genehmigt wurde. Aber darauf können wir uns nicht verlassen.

1957 wurde der 1. September unter der Losung "Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!" zum Mahn- und Gedenktag gegen Kriege ausgerufen.

Heute ist die Nazibewegung bundesweit am Erstarken.

Am 3. September gilt es die Nazis in Dortmund zurückzudrängen und den Widerstand gegen Kriege auf die Straße zu tragen.

Aber das ist nicht genug. Es muss endlich erneut ein Verbotsverfahren der NPD eingeleitet werden. Wir freuen uns, dass im Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg dies ausdrücklich aufgenommen ist.

Im Dezember soll der 10. Jahrestag des Afghanistankrieges in Bonn begangen werden,

Dazu wird ein Gipfeltreffen der NATO-Kriegsallianz und anderer Staaten in Bonn stattfinden, um über die Zukunft Afghanistans zu beraten. Es ist klar, was dort herauskommen wird. Die Forderung wird erhoben werden, dass der Krieg so lange weiter geführt werden soll, bis die Afghanen für ihre eigene "Sicherheit" sorgen können. Tatsächlich wird der Krieg weiter geführt, bis die führenden Staaten des Westens das strategisch so bedeutsame zentralasiatische Land vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Aber: Wer Krieg führt, kann nicht gleichzeitig die Folgen des Krieges beseitigen. Solange über Afghanistan Bomben abgeworfen, Raketen und Marschflugkörper eingesetzt werden, kann das Land nicht aufgebaut werden, können weder frei Wahlen durchgeführt noch sozialer Fortschritt oder Menschenrechte verwirklicht werden.

Wir wollen diesen Krieg nicht weiterführen sondern beenden.

Die Menschen in Afghanistan brauchen einen sofortigen Waffenstillstand sowie den unverzüglichen und bedingungslosen Abzug der fremden Truppen. Tod und Zerstörung würden gestoppt, Ressourcen der Kriegskoalition könnten für den Wiederaufbau des Landes eingesetzt werden. Damit würden wichtige Voraussetzungen für Frieden und Entwicklung geschaffen

Die Friedensbewegung ruft daher zu einem Aktionsherbst für die Beendigung des Afghanistankriegs auf, der seinen Höhepunkt Anfang Dezember in Bonn finden wird. Sie wird vielfältige Aktivitäten mit verschiedenen Gruppen und Organisationen durchführen: lokal, regional und bundesweit. Durch Argumente sollen viele Menschen dazu veranlasst werden, sich kritisch mit der offiziellen Militär-und Außenpolitik auseinanderzusetzen. Der Gewöhnung an Krieg und Gewalt muss entgegengewirkt werden. Der politische Druck auf die Regierenden zur Beendigung des Kriegs muss erhöht werden.

Vom 3. bis 5. Dezember, wird die Friedensbewegung ebenfalls in Bonn präsent sein und u.a. mit einer bundesweiten Demo und einem Gegengipfel gegen die Kriegskonferenz der NATO protestieren

Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein.

Ich möchte mit einem Zitat abschließen:

"Das Denken und die Methoden der Vergangenheit

konnten die Weltkriege nicht verhindern,

aber das Denken der Zukunft muss Kriege unmöglich machen."

(Albert Einstein)

Es gibt also viel zu tun, bleiben wir in Bewegung.

Nie wieder Krieg und Faschismus!



Andrea Schiele ist Vorsitzende der Kreisvereinigung der VVN-BdA Ulm.

E-Mail: andrea-schiele (at) gmx (Punkt) de
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