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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2004


vom:
09.08.2004


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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2004:

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Ansprache zum Gedenktag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima am 6. August 2004 in der Ruine der Ägidienkirche Hannover

Verehrte Anwesende,

Wolfgang Puschmann

Vertreterinnen und Vertreter der beiden Partnerstädte Hiroshima und Hannover,
meine Damen und Herren!

Genau vor einem Jahr wurde ich hier angesprochen mit folgenden Worten:

"Warum machen wir das hier? Es ist doch immer dasselbe...!"

Heute will ich öffentlich sagen, was ich zu antworten versuchte.

I.

In der Tat: Jedes Jahr wieder und jedes Jahr neu wird hier erinnert an die Abwürfe der ersten Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945.

Und jedes Jahr wieder und jedes Jahr neu gedenken wir der Opfer.

Wir erinnern und gedenken der gleichsam wahllosen Vernichtung von Menschenleben, die das Vorstellungsvermögen von Menschen weit übersteigt, die Krieg nicht mehr aus eigener Erfahrung kennen - zum Glück.

Aber Gedenken ist nicht gedankenlose Wiederholung von Zahlen, Daten und Fakten.

-Es geht darum, dass Erinnern und Gedenken nicht zur Routine einer Ent-sorgungsmaßnahme wird.

-Es geht darum, dass Erinnerung nicht delegiert wird an ein Ritual.

-Es geht darum, den Kontakt mit der Geschichte nicht zu verlieren - so als könnten wir schadlos allein im "Jetzt" leben, in einer Art von "Niemandsland des Begreifens".

Es gibt keine wurzellose Gesellschaft!

Wir wiederholen das Erinnern und Gedenken, damit sich die von Menschenhand ausgelösten Katastrophen von Hiroshima und Nagasaki
nicht wiederholen.

Das ist natürlich nicht in 15 Minuten getan.

Darum geschieht Erinnern und Gedenken vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang in Stille, Meditation und kreativer Aktion.

So unmöglich es ist, sich zu erinnern, als sei es das eigene Erleben, so notwendig ist der Versuch, die Sinnlosigkeit des Geschehens vor fast 60 Jahren zu versinnlichen und Formen zu finden, die es erlauben, sich dem, was unvorstellbar bleibt, dennoch anzunähern.

Weil es auch um emotionales Begreifen geht - so weit dies überhaupt möglich ist.

Denn Herz und Gewissen sind die Zentren auch religiöser Entscheidung - nicht Orte, Zeiten, Formeln oder Personen.

Darum sind an diesem heiligen Ort viele Religionen und Kulturen an der Gestaltung beteiligt.

Gerade hier an diesem Ort, der mit leiser Geste jeden, der vorübergeht, daran erinnert, was Menschen angetan wurde.

II.

Aber eines ist in diesem Jahr deutlich sichtbar anders:

Die toten Augen des zerstörten Gemäuers, die ausgebrannten Fenster der Ruine haben neues Leben bekommen.

Im schweren Grau der Steine schweben durchleuchtete Farben.

"Einleuchtungen" hat die Künstlerin Inge-Rose Lippok ihre Installation genannt, die ihre eigene Sprache spricht.

Unvermischte, reine Farben gibt es nur 3: Eben rot, blau und gelb.

- Und das Rot sagt:

So wahr ihr rotes Blut in den Adern habt, seid ihr zum Leben bestimmt.

Und Leben gewinnt seine Erfüllung in Liebe.

Gerade die Verwundeten, Verletzten und Friedlosen kennen solche Sehnsucht...

- Und das Blau hat ebenfalls seine Bedeutung:

Blau ist sowohl der Himmel - wie auch das Meer.

Leben hat mit Ferne und Tiefe zu tun - aber auch mit Geheimnis.

- Und das Gelb oder auch Goldgelb steht für Licht in Fülle, Licht ohne Dunkelheit.

Es meint, dass wir durch manche Umnachtung in Friedlosigkeit und Kriegen in aller Welt hindurch ein Ziel haben.

Und dieses Ziel ist alles, was dem Frieden dient - gegen Untergang, Chaos, Tod - mit allen möglichen und noch denkbaren Vorboten und jahrzehntelang zu spürenden Folgen.

Dieses Ziel heißt, dass unser Leben transparent wird, dass wir Durchblick und Einsicht gewinnen:

Blick über das hinaus, was uns heute quält und fehlt.

Damit unsere Erkenntnis eine Voraus-Erkenntnis wird - und nicht wieder Zu-spät-Erkenntnis.

Unser Zurückdenken fordert zum Vorbedenken heraus.

Und wem das einleuchtet, wird selbst zum Zeichen dafür, dass Friede siegt.


Wolfgang Puschmann ist Stadtsuperintendent der Ev. Kirche in Hannover.
Internet: http://www.kirche-hannover.de


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