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23.07.2012


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Hiroshimatag 2012

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Redebeitrag für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung am 6. August 2012 auf der Kölner Domplatte

Liebe Freundinnen und Freunde,

Bernd Hahnfeld (in Köln)



- Sperrfrist: 6. August 2012, Redebeginn: (ca.) 17.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



Wir gedenken heute der 360.000 Toten und der zahllosen Verwundeten der beiden Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki. Wer damals nicht sofort starb, hatte vor seinem Tod grauenvolle Qualen zu erleiden. Die apokalyptischen Schilderungen der Überlebenden können wir kaum ertragen.

Ihre Leiden mahnen uns und alle Menschen: Stoppt den Wahnsinn der Atomwaffen und aller anderen Massenvernichtungswaffen und fangt endlich mit dem Abrüsten an!

Atombomben wurden im zweiten Weltkrieg ursprünglich für den Einsatz gegen Deutschland entwickelt. Die frühzeitige Kapitulation Nazi-Deutschlands verhinderte die atomare Zerstörung deutscher Städte. Militärisch war der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki überflüssig. Es war eine skrupellose und mörderische Macht-Demonstration der USA, die sich gezielt gegen die japanische Zivilbevölkerung richtete. Das militärisch schon vorher besiegte Japan kapitulierte. Die unverzüglich eingeflogenen zahlreichen US-Spezialisten nahmen die Gelegenheit wahr, vor Ort die fürchterlichen Auswirkungen der Explosionen zu studieren. Die Auswertungen müssen positiv gewesen sein, denn die USA begann trotz des Endes des Weltkrieges mit einer beispiellosen atomaren Aufrüstung. Die Sowjetunion folgte 1949, später Großbritannien, Frankreich, China und inzwischen weitere Atommächte. Auf dem Höhepunkt des Irrsinns gab es 1986 weltweit 70.000 Atomsprengköpfe.

Die Testexplosionen vergifteten und verstrahlten die Erdatmosphäre derart, so dass sich die Atomwaffenstaaten 1963 notgedrungen auf ein Verbot oberirdischer Atomwaffentest einigten. Fortan testeten sie unterirdisch, bis sie 1996 einen umfassenden Teststop vereinbarten, der allerdings immer noch nicht von allen Kerntechnikstaaten ratifiziert worden ist. Es fehlen unter anderem China, Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan und die USA - also die meisten Atomwaffenstaaten!

Das Ende der Ost-West-Konfrontation brachte kurzfristig Entspannung und die Reduzierung der Waffenarsenale. Jedoch denken bis heute die Verantwortlichen der Atomwaffenstaaten gar nicht daran, ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung aus Art. 6 NPT nachzukommen, unverzüglich mit der Abschaffung aller Atomwaffen zu beginnen und diese auch abzuschließen. Den vorliegenden Entwurf eines Nuklearwaffenvertrages wollen sie weder wahrnehmen noch ernsthaft diskutieren. Ex-UN-Generalsekretär Kofi Anan hat diesen von kompetenten NGOs ausgearbeiteten Vertrag schon vor Jahren allen UN-Mitgliedsstaaten zur Stellungnahme übersandt. Der Nuklearwaffenvertrag regelt die schrittweise Abrüstung aller Atomwaffen unter strenger internationaler Kontrolle. Stattdessen wird seit Jahren wieder atomar aufgerüstet, wobei mehr auf Qualität statt auf Masse gesetzt wird, neue Waffen und Trägersysteme entwickelt werden. Noch immer bedrohen mehr als 20.000 nukleare Sprengköpfe die ganze Welt.

100 km südlich vom Kölner Dom lagern mit Zustimmung der Bundesregierung Massenvernichtungswaffen, die geeignet sind, große Teile Deutschlands in Schutt und Asche zu legen und für lange Zeit unbewohnbar zu machen. Es handelt sich um die atomaren Fliegerbomben in Büchel. Es sind die letzten 10 - 20 von insgesamt einmal 7.000 Kernwaffen, die an 100 verschiedenen Orten in der BRD stationiert waren. Die Atombomben in Büchel sind Relikte des "Kalten Krieges", für die dem Militär die Ziele abhanden gekommen sind. Die Reichweite der Tornado-Jagdbomber reicht nicht, um Bomben zu möglichen Zielorten zu fliegen.

Ich frage mich:

Warum nehmen die meisten Menschen der Umgebung die gefährliche Atombombenstationierung ohne Protest hin? Warum stehen nicht regelmäßig Menschenmassen vor den Toren des Fliegerhorstes? Warum klagt nur die unermüdliche Elke Koller vor den Gerichten gegen die Stationierung? Erschreckend unbekümmert sind auch die Menschen in dieser fröhlichen Stadt Köln: "Et häd noch immer jod jegange." - ist ein Tanz auf dem Vulkan, ein lebensgefährlicher Drahtseilakt. Denn wir wissen heute, dass es angesichts der zahlreichen Fehlalarme nur dem Zufall und dem Glück, und nicht der Besonnenheit der Politiker und Militärs zu verdanken ist, dass es nicht zum nuklearen Inferno gekommen ist.

Nur ab und zu forderten in den letzten Jahren auch Politiker den Abzug der Atomwaffen aus Büchel. Diese Appelle versandeten bisher regelmäßig, so zum Beispiel die Abzugsforderung des Landtages Rheinland-Pfalz 2005, das Verlangen im Koalitionsvertrag der christlich-liberalen Bundesregierung 2009, die Erklärungen der Sprecher aller Fraktionen des Deutschen Bundestages 2010 und zuletzt die klare Äußerung Außenminister Westerwelles auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres.

Nur wenige Monate später auf dem NATO-Gipfel in Chicago im Mai 2012 ist auch Außenminister Westerwelle wieder eingeknickt. Für die Bundesregierung stimmte er der neuen NATO-Strategie und damit der weiteren Stationierung der Atombomben in Büchel zu - ebenso wie in Belgien, Niederlande, Italien und in der Türkei. Kernwaffen bleiben - wörtlich - "ein zentraler Bestandteil der Gesamtfähigkeit der NATO." Auch auf die in Europa stationierte taktische Atomwaffe B61 verzichtet die NATO nicht. Wörtlich: "Die NATO wird gewährleisten, dass sie weiter über das gesamte Spektrum an Fähigkeiten verfügt, die für die Abschreckung und Verteidigung gegen jede Bedrohung der Sicherheit unserer Bevölkerungen notwendig ist." - Wenn die wüssten, wie das Volk über seine eigene Sicherheit denkt!

Der von der Bundesregierung viel zu zaghaft geforderte Abzug der taktischen Atomwaffen aus Europa taucht in dem Abschluss-Dokument der NATO nur als vage Zukunftsmöglichkeit auf.

Die US-Regierung unter Barack Obama plant die Modernisierung aller Atomwaffen, auch der in Europa stationierten. Das war der Preis Präsident Obamas, den er für die Zustimmung der republikanischen Partei zur Ratifizierung des neuen START-Vertrages gezahlt hat. Mit dem START-Vertrag soll die Zahl der verfügbaren Atomwaffen - allerdings auf einem sehr hohen Niveau - weiter begrenzt werden. Eine ernsthafte atomare Abrüstung sieht jedoch anders aus!

Für Büchel bedeutet das folgendes: Die stationierten B61-Atombomben des Typs 3,4,7 und 11 werden in die USA transportiert und mit modernen Zündmechanismen und einer GPS-unterstützten Präzisions-Lenkung versehen, welche die neue Waffe B61-12 sehr viel zielgenauer macht. Beibehalten werden soll die variable Sprengkraft von dann 0,3 bis 50 Kilotonnen TNT. Zum Vergleich: die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 15 Kilotonnen. In Büchel künftig stationiert würden dann neben Waffen mit der dreifachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe die weltweit einzigen zielgenauen Mini-Nukes, was die Hemmschwelle und damit die Gefahr des möglichen Einsatzes wesentlich senken würde.

Trägerflugzeug soll der Tornado des Jagdbombergeschwaders 33 der Bundeswehr bleiben. Die Bundeswehr will alle noch existierenden Tornados in Büchel zusammenziehen. Dort sollen bis zu der für 2025 avisierten endgültigen Ausmusterung ihren Dienst tun. Dabei kümmert es unsere Politiker und die Bundeswehrsoldaten wenig, dass der Atomwaffensperrvertrag und der 2+4-Einigungsvertrag deutschen Piloten jeden Atomwaffeneinsatz verbietet und das Völkerstrafgesetzbuch ihn sogar unter Strafe stellt. Immerhin hat das Bundesverteidigungsministerium in der Zentralen Dienstvorschrift 15/2 den Bundeswehrsoldaten den Einsatz von Atomwaffen ausdrücklich untersagt. Die Piloten können sich also im NATO-Einsatzfall zwischen Befehlsverweigerung oder Völkerrechtsbruch entscheiden!

Die Bedingungen für den endgültigen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland sind derzeit günstig. US-Präsident Obama, der Herr der Waffen von Büchel, hat öffentlich das Tabu gebrochen und seine Vision von einer atomwaffenfreien Welt präsentiert. Er wird zwar aus eigenem Antrieb aus innenpolitischen Gründen nicht auf die zugestandene Modernisierung der Waffen verzichten können, ohne seine Wiederwahl noch stärker zu gefährden. Jedoch wird er sich dem politischen Druck verbündeter NATO-Länder kaum entziehen können, die fordern, die militärisch weitgehend nutzlosen taktischen Atomwaffen aus Europa abzuziehen. Entsprechende Signale gibt es aus den USA schon länger.

Üben wir also Druck auf die Bundesregierung aus, die wechselseitige Lähmung der NATO-Länder zu durchbrechen und einseitig von den USA den Abzug der Atomwaffen zu fordern. Bereits zuvor haben mit Dänemark, Norwegen, Griechenland und Spanien auch andere NATO-Länder auf die Stationierung verzichtet, ohne die so genannte "Bündnis-Solidarität" in Frage zu stellen.



Bernd Hahnfeld ist stellvertr. Vorstandsvorsitzender der IALANA (International Association of Lawyers against Nuclear Arms). Vita siehe hier.

E-Mail: bernd (Punkt) hahnfeld (at) t-online (Punkt) de

Website: www.ialana.de
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