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vom:
22.04.2003


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Rede beim Ostermarsch Waldbröl, 21.04.2003

Gerhard Jenders

Ich möchte etwas sagen zu dem Haus, vor dem wir heute stehen, und dem, was dort gemacht wird.

Den meisten wird bekannt sein, dass dieses Haus Teil von Robert Leys Plänen für ein Groß-Waldbröl in der Nazi-Zeit war. Hier war ein KdF-Hotel, an den grässlich-kitschig-hässlichen Mosaiken im Innern kann man den geistigen Horizont der Erbauer ablesen. Nach einer vorübergehenden Nutzung als Krankenhaus hat sich hier die Bundeswehr eingerichtet. Zuerst war hier die "Schule für psychologische Verteidigung", die dann großspurig in "Akademie für Kommunikation" umbenannt wurde, jetzt sich hier das "Zentrum für Analysen und Studien", das vor etwas mehr als einem Jahr noch "Amt für Studien und Übungen" hieß.

Studien und Übungen - das hört sich doch interessant an. Angesichts der geistigen Ergüsse, die wir zum Beispiel während des Kosovo-Krieges vom damaligen Verteidigungsminister zu hören bekamen, wären Studien und Übungen sicher nicht verkehrt. Doch lassen wir die Verantwortlichen selbst zu Wort kommen: (Ich zitiere aus der Internet-Seite der Bundeswehr)

Unter der Überschrift "Think Tank der Bundeswehr" heißt es dort:

"Zentrum für Analysen und Studien der Bundeswehr heißt seit dem 1. Februar 2002 das ehemalige Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr in Waldbröl. Geändert hat sich nicht nur der Name, vielmehr entsteht dort eine Denkschmiede, die das Bundesministerium der Verteidigung in Berlin und Bonn unterstützt, die Zukunft der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gestalten."

Kleine Zwischenbemerkung: Das Modewort "Think Tank" bezeichnet eigentlich eine Arbeitsgruppe, in der die besten Köpfe zusammensitzen. Doch "Tank" heißt auch "Panzer", und wenn die dort oben Tank sagen, dann meinen die auch Panzer, wie wir sehen werden. Einen Panzer, der mit alten Konzepten militärischer Gewalt moderne Ansätze zu friedlicher Zusammenarbeit niederwalzt.

Weiter in der Selbstdarstellung der Bundeswehr:

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"... Das neue sicherheitspolitische Umfeld nach dem Ende des Kalten Krieges, Deutschlands wiedergewonnene volle Souveränität im Zusammenhang mit seiner deutlich gewachsenen Verantwortung für Sicherheit haben die Anforderungen an die deutschen Streitkräfte und ihre Leistungsträger drastisch verändert...

Jüngstes Produkt der Denkarbeit des ZASBw ist die Studie "Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologie im 21. Jahrhundert". In ihr sind die Teilergebnisse der 3 Arbeitsgruppen Streitkräftefähigkeiten, Internationale Entwicklung und Rüstung aufbereitet und zusammengefasst. Auch wenn die zeitliche Perspektive des Werkes deutlich jenseits des Zeitrahmens der derzeitigen Bundeswehrplanung liegt, ist eines klar: Die Erkenntnisse werden die Anpassung der Streitkräfte an die gewachsene internationale Verantwortung beeinflussen." Zitat Ende.

Große Pläne werden also in der Denkschmiede geschmiedet - da gab es schon einmal Leute, die in Waldbröl und von Waldbröl aus große Pläne für Deutschland hatten. Ob hier der "Geist des Hauses" mitgehämmert hat?

Schauen wir mal in die Studie hinein, auf die die Leute in diesem Hause so stolz sind. Es ist ein Werk von etwa 1000 Seiten, aus dem nur Auszüge der Öffentlichkeit zugänglich sind. Da ist die Rede davon, welche Waffenarten beschafft werden sollen, von Strukturveränderungen in der Bundeswehr, sogar von "Operationen in den, im und aus dem Weltraum".

Was will man damit erreichen? Es geht nicht mehr um die Landesverteidigung in der bekannten Form (Nach dem Motto: Wenn die Russen kommen, müssen wir uns wehren), auch von der Nato ist nicht die Rede. Es wird eine Bedrohungs-Szenario aufgebaut, bei dem Deutschland durch Konflikte in fernen Ländern bedroht wird. Nun könnte man ja klug sein und Konfrontationen durch gewaltfreie Präventionsmaßnahmen vermeiden - am einfachsten durch faire wirtschaftliche Zusammenarbeit, durch Bildung und Entwicklung. Aber wie schon der Psychologe Watzlawik sagte: "Wer als einziges Werkzeug einen Hammer hat, für den sind alle Probleme Nägel", so kommt der Think Tank auch nur auf den Gedanken, mit Hilfe der Spionage einzelne Akteure zu überwachen und dann den Hammer bereitzuhalten. In der Studie liest sich das so: "Es wird empfohlen, insbesondere derartige Fähigkeiten der Bundeswehr zu untersuchen und gegebenenfalls herbeizuführen, die zur Abwehr von Bedrohungen bis in deren Herkunftsräume wirken können."

Zwischenbemerkung: bis in deren Herkunftsräume - das bedeutet nicht Landesverteidigung, sondern Strafexpeditionen der Bundeswehr wie seinerzeit die Kanonenbootpolitik von Kaiser Wilhelm - das ist auch das Gedankengut, mit dem Hitler die Überfälle auf Deutschlands Nachbarländer begründet hat. Wirkt hier der "Geist des Hauses"?

Aber der Hammer wird nicht nur zur Abwehr eingesetzt:

"Darüber hinaus sollte in diesem Zusammenhang - angesichts möglicher Risiken des Einsatzes von Massenvernichtungsmitteln oder der Herbeiführung von Katastrophen mit vergleichbarem Ausmaß - über das Problem präventiver, auch militärischer Optionen entschieden werden"(Punkt I.2.2.2.4).

Präventive militärische Maßnahmen - das ist genau das, was Bush zur Zeit im Irak macht und was er als nächstes Syrien und dem Iran androht!

Wie glaubwürdig ist die Antikriegshaltung der Bundesregierung, wenn hier eigene Pläne für Deutschland geschmiedet werden, die in dieselbe Richtung gehen?

Dass wir uns heute hier stehen, dass die Menschen gegen die Großmachtpläne aufbegehren - das haben die Strategen bedacht. Deshalb wollen sie "auf die folgenden Fähigkeiten in den nächsten Jahren in der Operationsführung sowie in der Forschung und Entwicklung ein besonderes Augenmerk ... legen:... defensive und offensive Medienoperationen zur Legitimation des eigenen Gewalteinsatzes "(Punkt I.2.3.2.9) - auf gut Deutsch: Propagandafeldzüge zur Verteufelung des "Gegners". Wie so etwas aussieht, haben wir im Vorfeld und während des Irak-Krieges täglich mitbekommen. Diesmal waren unsere Medien ansatzweise kritisch und haben nicht alles übernommen, was von der US-Armee oder von CNN kam, aber wenn dann "unsere Jungs" im Einsatz sind, soll es wohl auch bei uns gleichgeschaltete Fernseh-Berichte geben, Spielfiguren mit den tollen Typen von Spezialkommando der Bundeswehr und vielleicht rührselig-heldenhaftig-kitschige Filme über das Schicksal der tapferen Soldatin Gabi - ganz im Stil der Mosaike des Hauses dort oben!

Leider sind die Autoren der Studie nicht irgendwelche Spinner, die man dort drinnen in Ruhe lassen sollte, damit sie woanders keinen Schaden anrichten. Nein - der Verteidigungsminister Struck hat die Denkrichtung übernommen, als er Anfang des Jahres davon sprach, dass "Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt" wird. Im Mai werden die neuen "Verteidigungspolitischen Richtlinien" der Bundeswehr beschlossen, und es sieht ganz so aus, als solle es in die Richtung gehen, die hier aus Waldbröl vorgegeben wurde. Der Umbau der Bundeswehr von der reinen Landesverteidigung zu einer schnell einsetzbaren Interventionstruppe - nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zum Angriff! - wird uns als "Modernisierung" verkauft. Was daran modern sein soll, ist mir schleierhaft: Es steht die alte Politik des Großmachtstrebens dahinter, die schon Kaiser Wilhelm und Adolf Hitler verkündet haben und die zweimal im Krieg endete. Von diesem alten Denken haben wir genug! Wir wollen eine neues Denken, dass die Ursachen von Gewalt, Krieg und Terror beseitigt, indem es einen Ausgleich zwischen Arm und Reich fordert, eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, in der nicht der Profit einzelner, sondern die Lebensinteressen aller Menschen im Mittelpunkt stehen. Wo das gemacht wird, da können wir Herrn Struck sogar zustimmen: Deutschlands Sicherheit wird in Nicaragua auf der Insel Ometepe verteidigt - von OberbergerInnen, die dort helfen, Gesundheit, Bildung und Entwicklung aufzubauen; Deutschlands Sicherheit wird in Bangladesh verteidigt - von OberbergerInnen, die mit ihrem Verein Lichtbrücke dort helfen, Not zu lindern. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen. Doch sie haben eines gemeinsam: Sie brauchen keine Soldaten und keine Bundeswehr-Think-Tanks, sondern Menschen mit sozialer Verantwortung und gesundem Menschenverstand. Viel mehr wäre möglich, wenn das Geld, was für neue Studien und für neue Waffen verschwendet wird, zur Unterstützung von Entwicklungsprojekten und zur gewaltfreien Krisenprävention genutzt würde. Ganz konkret möchte ich vorschlagen, dieses Haus nach dem Auszug der Bundeswehr nichtstaatlichen Projekten der Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen - und dafür auf eines der neuen Waffensysteme zu verzichten. Vielleicht kann dann ein neuer Geist in das Haus einziehen!



E-Mail:   gfi.jenders@t-online.de
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