Ostermärsche und -aktionen 2007


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Ostermärsche und -aktionen 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2007 in Mannheim am 7. April

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

Anne Ressel(in Mannheim)

zunächst möchte ich meinen Dank aussprechen, meinen Dank dafür, dass es in Mannheim Menschen gibt, die sich unermüdlich mit Fragen des Friedens auseinander setzen und sich in vielfältigen Bezügen für den Frieden einsetzen! Das ist nicht selbstverständlich.

Die inhaltliche Diskussion um die friedenspolitischen Herausforderungen unserer Zeit sind so kompliziert geworden, dass sich die meisten still aus ihr verabschiedet haben. Das gilt leider auch für die meisten Menschen in der Kirche.

Aber immerhin sind es nicht wenige, die heute zusammen gekommen sind, um ihrer Sorge um und für die Welt und um und für ein friedliches Miteinander der Menschen und Völker zum Ausdruck zu bringen.

Ich möchte uns ermutigen, am Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung festzuhalten, denn das allein heißt: am Leben festhalten.

Wir müssen beharrlich die Fragen stellen nach lokaler und globaler Gerechtigkeit, nach den ökologischen Grundlagen und Folgen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise, nach der Bereitschaft, private, soziale und politische Konflikte gewaltlos lösen zu wollen.

Wir können nicht aufhören, für den Frieden einzutreten. Denn: Der Frieden braucht uns! (Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden) Der Frieden braucht unser Bewusstsein für die Zusammenhänge und Verstrickungen hinsichtlich wirtschaftlicher Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung.

Es sind nicht zuletzt unser Konsumverhalten und unser Umgang mit den Ressourcen der Schöpfung, die in weiten Regionen dieser Erde für Ungleichheit, Umweltzerstörung und Verarmung sorgen.

Im Handeln der Staaten, sei es militärisch, sei es diplomatisch, werden wir nur dann wirtschaftliche Ziele und finanzielle Interessen schonungslos offen legen und benennen können, wenn wir wissen, wie unsere eigenen / persönlichen Interessen in die Interessen mulinationaler Konzerne und nationaler Regierungen verwickelt sind.

Der Frieden braucht unsere Achtung der Menschenrechte in allen Bezügen unseres Lebens unsere Dialogbereitschaft hier vor Ort - mit anderen Kulturen und Religionen - und weltweit - mit anderen Völkern und Nationen. Zunehmend werden die Menschenrechte dem Bedürfnis nach Sicherheit weniger geopfert.

Überall auf der Welt werden Freiheitsrechte, die für die Würde von Menschen unabdingbar sind, sukzessive ausgehöhlt zugunsten der Sicherung von Macht und der Sicherung von Reichtum.

Dem widerspricht das von den Vereinten Nationen formulierte Postulat der "menschlichen Sicherheit", die die Sicherung der menschlichen Existenz im Blick hat. Sie wächst aus Armutsbekämpfung und sozialer Entwicklung, Schutz der natürlichen Umwelt, aus der Achtung der Menschenrechte für alle - auch für die, die wir nicht verstehen, die wir nicht mögen, vor deren Ansprüche auf Leben wir Angst haben.

Zur "menschlichen Sicherheit" gehören Solidarität und Vertrauen, das Bemühen um Ausgleich und Teilhabe. Diesen Zielen aber sind wir hier in Deutschland und weltweit unendlich fern.

Der Frieden braucht, das scheint mir in Bezug auf die Konflikte der Welt der vorrangige Punkt, der Frieden braucht unseren unbedingten Willen zur Gewaltlosigkeit.

Gewalt mag unter bestimmten Bedingungen unabdingbar sein. Zu rechtfertigen ist sie dann nur, wenn sie durch Konsens legitimiert ist. Das ist so hinsichtlich unserer verfassungsmäßig eingesetzten Polizeikräfte, die auch die heutige Demonstration begleiten. Das ist so hinsichtlich mancher vom UNSicherheitsrat beauftragten Militärinterventionen aus humanitären Gründen.

Bei all dem aber gilt: Der Einsatz von Gewalt bleibt ultima Ratio. Der Einsatz von Gewalt macht schuldig und für die Übernahme dieser Schuld braucht es triftige Gründe.

Von einer vorrangigen Option für die gewaltfreie Konfliktlösung ist nicht viel zu spüren. Die neueste Zustimmung zu den Tornadoeinsätzen der Bundeswehr im Süden Afghanistans, die die friedenserhaltenden Bemühungen im Norden in Frage stellen wird, ist dafür nur ein Zeichen.

Ein wichtiger Indikator ist schlicht, dass die Bundesregierung ca. 30 Mrd. für militärische Zwecke, aber nur ca. 3 Mio. für zivile Friedensfachkräfte bereit stellt. Das ist ein Missverhältnis, das die Existenz von ganzen Nationen bedroht. Wir sehen das gegenwärtig am Beispiel des Irak.

Eindringlich haben die Kirchen und zivilgesellschaftlliche Kräfte vor dem März 2003 vor einem Krieg im Irak gewarnt. Heute, vier Jahre später, nachdem Mrd. in diesen krieg geflossen sind - für militärische Einsätze - nachdem fast 700.000 Tote Iraker und 3.200 tote US-amerikanische Soldaten zu betrauern sind, nachdem 1,6 Mio. Menschen vertrieben wurden, sehen wir ein Land, das wirtschaftlich, ökologisch und humanitär verwüstet ist, und in dem der Hass zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen auf einen währenden Binnenkrieg weist.

Wenn man nun sagt, zivile Konfliktbewältigung und Versöhnungsarbeit hätten dort keine Chance, so mag man angesichts der Verheerung Recht haben. Allerdings hat man es ja wieder einmal gar nicht versucht.

Mich erinnert das an die Auseinandersetzungen zwischen Atomstrom und alternativen Energiequellen.

Ich bin mir heute sicher: hätte man die Mrd. öffentlicher Gelder, die über Jahrzehnte in die Entwicklung und Sicherung der Atomenergie geflossen sind, zumindest anteilig in alternative Energie investiert, könnten wir heute den überwiegenden Teil unseres Energiebedarfs nachhaltig und ökologisch decken.

Doch zurück zur Frage der Gewalt: Wir brauchen Abrüstung zugunsten ziviler Konfliktlösungsstrategien.

Wir brauchen Gelder und Ressourcen für die Vernetzung von NGOs weltweit, die sich für Verständigung und Versöhnung einsetzen.

Wir brauchen den unbedingten Willen, die Vereinten Nationen als Rahmen und Ordnungsinstanz der Völkerverständigung zu stärken.

Auf EU-Ebene brauchen wir statt des Ausbaus einer "Europäischen Verteidigungsagentur" den Aufbau einer Friedensagentur, als Instrument zur Koordinierung ziviler Mittel, wie ihn im vergangenen Herbst auch die EKD-Synode gefordert hat.

Versöhnungsarbeit braucht Zeit und eine breite Verwurzelung.

Deshalb muss die Arbeit an gewaltloser Konfliktbearbeitung hier bei uns und im Kleinen anfangen.

Wer Frieden will, muss Gewaltfreiheit lernen und wagen. Das fängt in den Schulen an, geht über den Dialog der Kulturen und Religionen hin zur Verständigung zwischen verfeindeten Bevölkerungsgruppen und Nationen. Der heutige Tag, die Demonstration für den Frieden, zwischen Karfreitag, dem Tag des Todes Jesu, der alle anderen Tode und alles Leiden beenden sollte und dem Tag der Auferstehung Jesu, der den Anfang neuen Lebens setzt, in dem Frieden und Gerechtigkeit fraglos dazu gehören, dieser Tag mag ein Zeichen werden, dass wir unterwegs sind in eine Wirklichkeit, in der alle Menschen sicher und in Frieden leben können - hier in Deutschland genauso wie im Irak, in Afghanistan, im Iran und in Darfur, in der Menschen nicht Militär und Waffen vor Augen haben, sondern Projekte der Entwicklung und der Versöhnung, in der Atomwaffen ein Trauerspiel aus vergangenen Zeiten sind und statt dessen Gerechtigkeit die Menschen bewegt.

Es reicht nicht, über den Frieden zu reden. Man muss an ihn glauben. Und es reicht nicht, an den Frieden zu glauben, man muss an ihm arbeiten.

Das wollen wir uns nicht zweimal gesagt sein lassen. Sondern hingehen und sehen, was man tun kann:

Heute hier sein. Den Frieden demonstrieren, und weitermachen, wo immer es möglich ist. Das wünsche ich uns.- und der Welt. Danke.



Anne Ressel ist Diakoniepfarrerin der Luther-Gemeinde Mannheim-Neckarstadt.
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