Ostermarsch
2008


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Ostermärsche und -aktionen 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für den Ostermarsch 2008 in Wiesbaden am 22. März

Gegen Sozialabbau und Militarismus

Horst Gobrecht (in Wiesbaden)

Wir wissen, Kriege brechen nicht aus - sie werden gemacht: gezielt provoziert, bewusst vorbereitet, psychologisch begleitet und mit aller Brutalität geführt. Das bestätigen auch andere; beispielsweise die Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die am 15. August 1931 in ihrer Zeitung schrieb:

"Seinem Wesen nach ist der Krieg mit allen möglichen Mitteln auf die Vernichtung des Gegners gerichtet. Er ist der absolute Kampf, der alle Mittel anwendet und alle Kräfte mobil macht. Er muß das Angesicht des Gegners zur Fratze entstellen, damit ein Haß und ein Vernichtungswillen erzeugt wird, der stark genug ist, über alle Gefühle der Menschlichkeit hinaus den Tod und Untergang des Feindes zu erstreben."

Was hier 76 Jahre alt und damit vielleicht antiquiert erscheint, gehört zum Alltag in diesem Land, wenn die Beteiligung an Kriegen wie in Jugoslawien, Afghanistan und Irak völkerrechtlich legalisiert und politisch legitimiert werden sollen. In die gleiche Richtung geht die Werbung der Bundeswehr, die sich als "Instrument einer umfassend angelegten, vorausschauenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik" anpreist. Angeblich sichere sie "die außenpolitische Handlungsfähigkeit" Deutschlands und fördere die "multinationale Zusammenarbeit und Integration".

Von "vorausschauender" Kriegspolitik und sicherem Tod für Viele ist dabei - selbstverständlich - keine Rede. Doch werden für diese und andere Zwecke jährlich gut und gerne 24 Milliarden Euro bereitgestellt und verschleudert. Gleichzeitig bereisen knapp 100 Jugendoffiziere das Land, um im Schulunterricht und in Seminaren ihre Form der "Friedenserziehung" voranzubringen und die jungen Leute für einen Eintritt in die Bundeswehr oder zumindest für ein positive Einstellung zu diesem "Instrument" zu erzeugen, das - wohl gemerkt - nach eigener Einschätzung nicht nur auf Landesverteidigung ausgerichtet ist, sondern die "außenpolitische Handlungsfähigkeit" sichern soll, wenn die Bundesregierung bei politischen Initiativen, Drohungen und Intrigen mit ihrem Latein am Ende ist.

Simpel, aber deshalb keineswegs falsch ist der Hinweis, dass die astronomischen Summen für die Rüstung und das Militär in anderen Bereichen fehlen:



Millionen Erwerbslose finden keine auskömmliche Arbeit,



Schulklassen sind zu groß,



Lehrer/innen fehlen für den Unterricht und die Betreuung danach,



Sozialleistungen werden ständig abgebaut,



Ausbildungsbeihilfen gekürzt.


24 Milliarden Euro pro Jahr - wie viele Träume von Erwerbslosen, Hartz-IV-Opfern und Obdachlosen könnten damit wahrgemacht werden? Ganz zu schweigen davon, welcher Fortschritt beispielsweise in der Medizin und der Ökologie erreichbar wäre, würde ein Großteil des jetzigen Rüstungsetats hierfür eingesetzt und nicht jeder zweite Wissenschaftler direkt oder indirekt für militärische Zwecke arbeiten.

Auch darf nicht vergessen werden, dass Rüstungsausgaben volkswirtschaftlich gesehen schädlich oder zumindest überflüssig sind. Rüstungsgüter sind vergeudete Investitionen, denn eine Armee wiedie Bundeswehr produziert nichts - noch nicht einmal Sicherheit, wie sie sich gern bescheinigt. Selbst die Behauptung, Rüstung sichere Arbeitsplätze, ist nicht nur "moralisch" bedenklich, sondern falsch:

Einerseits könnten die in der Rüstungsindustrie Beschäftigten genauso gut Konfetti produzieren, weil es volkswirtschaftlich den gleichen Nutzwert wie Rüstungsgüter hat. Andererseits werden durch den hohen Stellenwert der Rüstungsindustrie in Wirklichkeit Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftsbereichen vernichtet oder gar nicht erst geschaffen, denn die sogenannten Beschäftigungswirkungen von Rüstungsausgaben sind wesentlich geringer als im Bildungsbereich oder im Bauwesen.

Werbung wie: "Machen Sie Karriere bei der Bundeswehr!" - das heiße Arbeitplätze in über 400 Berufen - oder: "Kein anderer Arbeitgeber bietet Ihnen Möglichkeiten wie wir!" - das bedeute Ausbildung in 40 unterschiedlichen Berufen -, solche Marketingsprüche sind nichts anderes als "Leimruten".

Mit ihnen sollen in einer Gesellschaft, die sich durch 3,6 Millionen offizielle Erwerbslose und 400.000 fehlende Ausbildungsplätze auszeichnet, Freiwillige für einen zivilen oder militärischen Einstieg in die Armee rekrutiert werden.

Damit wird die Bundeswehr auch ihrer nicht unwichtigen Nebenfunktion gerecht, gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit zu vertuschen und somit soziale Konflikte weitgehend zu verhindern.

Doch selbst für solche Fälle ist - wie die Wünsche von Innenminister Schäuble zeigen - "gesorgt":

Wenn der Bundestag die Lage als "Notstand" definiert, dann soll die Bundeswehr die "Wehrhaftigkeit des Rechtsstaates" demonstrieren und gegen die eigene Bevölkerung vorgehen. Und damit sich die Menschen an den Einsatz von Soldaten im Innern gewöhnen, werden sie regelmäßig mit öffentlichen Vereidigungen von Rekruten - wie Anfang des Monats in Oestrich-Winkel - konfrontiert.

Lassen wir uns also nichts vormachen und sagen es möglichst vielen Leuten:



Jede Form von Rüstung vernichtet Arbeitsplätze und soziale Sicherheit.



Das Schlimmste an der Bundeswehr sind nicht ihre angeblich zu dicken Soldaten, wie der Wehrbeauftragte Robbe meint, sondern ihre menschenverachtenden "Übungen" wie in Coesfeld und ihre undemokratischen Strukturen auf der Basis von Befehl und Gehorsam.



Alles Politmarketing und alle Propaganda des Verteidigungsministeriums zielen darauf ab, von deutschem Boden ausgehende Kriege wieder zur gängigen und legitimen Fortsetzung der Politik mit militärischen Mitteln zu machen.



Wer Frieden will, muss Krieg und Militarismus, aber vor allem auch die Wurzel des Übels - den Kapitalismus - bekämpfen.


Deshalb sei in diesem Zusammenhang an die weisen Worte des 1933 vor den Nazis emigrierten Physikers und Nobelpreisträgers Albert Einstein erinnert: "Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark völlig genügen würde. Das Militär, diesen Schandfleck der Zivilisation, sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun zu beteiligen! Töten im Krieg ist meiner Auffassung nach um nichts besser als gewöhnlicher Mord!"



Horst Gobrecht ist Gewerkschaftsekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Wiesbaden.

E-Mail: horst (Punkt) gobrecht (at) ngg (Punkt) net

Website: www.ngg.net
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