Ostermarsch
2008


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Redebeitrag zum Ostermarsch 2008 in Mannheim am 22. März

Liebe Friedensbewegte!

Otto Reger (in Mannheim)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Es scheint, als wäre die Bundeswehr in MA nicht mehr vorhanden. Die frühere Ludwig-Frank-Kaserne existiert nicht mehr. Da, wo einst Soldaten untergebracht waren, leben heute Studentinnen und Studenten. Der ehemalige Nato-Bunker in MA-Feudenheim steht zwar nach wie vor, aber statt ihn mit immensem Aufwand abzureißen, wurde er saniert und ein Stockwerk oben draufgesetzt. Das Gelände um den Bunker dient nicht mehr dazu, den sog. Verteidigungsfall vorzubereiten, sondern wird jetzt durch Wohnhäuser und einen Bürokomplex sinnvoll genutzt. MA ist kein Einzelfall, auch in anderen Orten ist die Bundeswehr abgezogen und wurden Kasernen geschlossen. Und der Personalbestand der Bundeswehr wurde beträchtlich reduziert. Mit Blick auf die von uns geforderte Schließung der zahlreichen US-Kasernen in MA möchte ich hervorheben, dass es hier eine Menge Erkenntnisse gibt, die auch in MA genutzt werden können.

Auch wenn zum Zwecke der Rationalisierung Kasernen geschlossen wurden gibt es die Bundeswehr nach wie vor, gerüsteter und einsatzstärker denn je. Und auch hier in MA ist die Franz-Josef-Jung-Truppe nach wie vor vertreten. Mit der Routenführung unseres diesjährigen Ostermarsches wollten wir diese Tatsache stärker ins Bewusstsein rufen.

Im Stadtteil Neuostheim unweit vom Flugplatz befindet sich die Bundesakademie für Wehrtechnik und Wehrverwaltung. Sie liegt auf einem Areal, welches zwei weitere Bundeswehr-Einrichtungen umfasst: Erstens die Fachhochschule des Bundes für Wehrverwaltung und zweitens die Bundeswehrverwaltungsschule. Alle drei Institutionen zusammen bilden den sog. Bildungscampus Neuostheim. Doch damit nicht genug, die Bundeswehr ist auch noch an einer weiteren Stelle in MA präsent. In Mannheim-Seckenheim gibt es neben der amerikanischen Hammond-Kaserne nämlich noch eine weitere Bundeswehr-Einrichtung. Jeder junge Mann um die 18 Jahre kommt daran nicht vorbei: Ich meine das Kreiswehrersatzamt und die Musterung.

Bundeswehr"verwaltung" klinkt nicht kriegerisch, weckt keine schlimmen Assoziationen. Aber dennoch auch ein stinknormale unspektakuläre Verwaltung gehört zum Funktionieren eines Militärapparates dazu, um die Truppe im wahrsten Sinne des Worte am Laufen zu halten. Das gilt um so mehr, als die Regierungen die Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz umgerüstet haben. Das bedeutet, dass die Soldaten heute nicht mehr im eigenen Land in den Kasernen sitzen, um auf den Feind zu warten. Mit dem Niedergang des einstmals real existierenden Sozialismus in Osteuropa wäre der Bundeswehr benahe der Feind ausgegangen. Aber findige Köpfe in Wirtschaft und Politik haben für die vom Aussterben bedrohte Bundeswehr noch rechtzeitig einen neuen Feind und eine neue Aufgabe gefunden: den Terrorismus und den ungehinderten Zugang zu Rohstoffen im Allgemeinen und den Energieträger im Besonderen. Wie es Volker Struck (SPD), einstmals Verteidigungsminister, so einprägsam formuliert hat gelte es heute die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen.

Aber nicht nur am Hindukusch wird unsere vermeintliche Sicherheit verteidigt. Mittlerweile ist die Bundeswehr nämlich in 10 verschiedenen Auslandseinsätze mit insgesamt mehr als 9000 Soldatinnen und Soldaten jenseits unserer Grenzen aktiv.

Der erste Auslandseinsatz wurde vor 16 Jahren noch von der Regierung Kohl beschlossen, Einsatzort war 1992 Kambodscha. Die größten aktuellen Bundeswehr-Einsätze sind heute in Afghanistan, im Kosovo und Bosnien-Herzegowina. In den Kosovo wurde die Bundeswehr von der rot-grünen Regierung im Juni 1999 geschickt und ist dort auch nach dem Willen der rot-schwarzen Regierung heute immer noch mit rund 2900 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Die Mission in Bosnien-Herzegowina begann 2004 und immer noch sind dort rund 900 Soldatinnen und Soldaten stationiert. Den absoluten Einsatzschwerpunkte für unsere "Jungs" - und nicht zu vergessen - unsere "Mädels bildet seit Januar 2002 Afghanistan. Rund dreieinhalb Tausend Soldaten und auch Soldatinnen sind dort mittlerweile aktiv. Weitere wichtige Auslandseinsätze der Bundeswehr gab oder gibt es vor dem Libanon, vor dem Horn von Afrika, im Kongo und in Somalia.

Auch wenn die BAkWVT nicht im Rampenlicht der öffentlichen Diskussion steht, so leistet sich doch einen wichtigen Beitrag zur - wie ich meine - schleichenden Militarisierung des Landes. Die Akademie ist die höchste zentrale Aus- und Fortbildungsstätte der gesamten Bundeswehrverwaltung. Sie beschäftigt 34 Dozenten, die jährlich 400 Lehrgänge veranstalten. Die Zahl der Studierende summiert sich übers Jahr auf 9000 Personen. Das Lehrgangs-Programm kann von den 117 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur bewältigt werden durch die Unterstützung von 1200 Gastdozent. Diese rekrutieren sich aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Bundeswehr. In den Bundeswehr-Einrichtungen auf den Bildungscampus gibt es 200 Zivilbeschäftigte und im Kreiswehrersatzamt weitere 100 Zivilbeschäftigte.

Als die Bundeswehr vor drei Jahren ihren 50. Geburtstag feierte, gab es auch hier in Neuostheim einen Festakt. Der damalige Präsident der Akademie Helmuth Heumann erinnerte an den Umbau der Bundeswehr von einer (sog) "Verteidigungsarmee" zu einer Armee im Einsatz. Dass es der Bundeswehr gelungen sei, trotz des Truppenabbaus sich an internationalen Einsätzen zu beteiligen, hob er nicht ohne Stolz hervor. Und er unterstrich, dass die Akademie mit ihrer Bildungsarbeit in diesem Prozess eine Pfadfinderrolle gespielt habe.

Akademie-Präsident Helmuth Heumann war bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr lange als Erprobungsingenieur tätig. An seiner Person lässt sich exemplarisch verdeutlichen, welche wichtige Rolle die Akademie bei der Umrüstung und Aufrüstung spielt. Heumann war nämlich zuständig für die "Entwicklung und Beschaffung von Kampfflugzeugen," unter anderem fungierte er drei Jahre lang als Generalmanager des Nato-Hubschrauberprojekts. Als wichtiges Bindeglied zur Rüstungsindustrie trug er also dazu bei, die Milliarden verschlingenden Waffensysteme in die Kasernen zu bringen. Wie das so üblich ist, gab es zu Heumanns Ausscheiden eine Feier und einige Reden. Einer der Redner war Aloysius Rauen von der Eurofighter GmbH, als Vertreter der Rüstungsindustrie bedauerte er Heumannns Abschied ganz besonders. Mit Andre Bord ergriff auch ein ehemaliger französischer Minister das Wort und würdigte Heumanns Engagement für die deutsch-französische Verständigung. Es sollte klar sein, dass er damit nicht Sprachkurse meinte, sondern auf die deutsch-französische Militär- und Rüstungskooperation abzielte. Ein wichtiges Beispiel für diese unsägliche Zusammenarbeit ist dabei die Aufstellung der deutsch-französischen Brigade. Diese wiederum spielt für die verstärkten Militär- und Aufrüstungsaktivitäten der EU eine wichtige Rolle.

Abschließend möchte ich noch einige Bemerkungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr machen. Die zentrale Begründung für diesen Einsatz war die Absicht, Sicherheit und wirtschaftlichen Wohlstand in Afghanistan zu erreichen. Doch diese Ziele sind komplett gescheitert. Weder gibt es die angestrebte Sicherheit, noch hat sich die wirtschaftliche Lage gebessert - allenfalls für die Drogenhändler -, und auch die Menschenrechtssituation ist katastrophal insbesondere für die Frauen. Das einzige Feld auf dem die Politik und die Militärs Erfolge vorweisen können ist die Öffentlichkeitsarbeit. Mit geschickter Medienarbeit erwecken sie, bei vielen immer noch den Eindruck, es handle sich bei der Bundeswehr viel mehr um eine Gruppe von uniformierten Entwicklungshelfer als um eine Kampftruppe. Daher ist es um so wichtiger, dass wir mit unseren Möglichkeiten eine Gegenöffentlichkeit herstellen, auch wenn unsere Mittel beschränkt sind. In Zeiten des Internets haben wir gute Möglichkeiten, uns Informationen zu besorgen, die von den Mainstream-Medien links liegen gelassen werden. Ich möchte zwei Beispiele erwähnen. Norman Paech, der außenpolitische Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag, begründet in einem 6-seitigen Papier, dass die Trennung zwischen "gutem" ISAF-Einsatz und "schlechtem" OEF-Einsatz nicht aufrecht zu erhalten ist. Er belegt faktenreich, dass das zivil-militärische Konzept zum Scheitern verurteilt ist. Seine Schlussfolgerung kann ich nur unterstreichen: "Es gibt keine militärische Lösung - Militär raus aus Afghanistan und Beendigung der Besatzung. Das zweite Beispiel ist ein äußerst lesenswerter Artikel der grünen Politikerin Antje Vollmer in der Süddeutschen Zeitung. In geraffter Form argumentiert sie eindrucksvoll, warum das Abenteuer Afghanistan gescheitert ist. Sie begründet, weshalb der Abzug nicht zu dem viel beschworenen Blutbad führen wird, so wie der Abzug aus der US-Truppen aus Vietnam nicht zum damals oft behaupteten Sieg des Kommunismus geführt habe.

Um die unterdrückte Wahrheit über den Afghanistan-Krieg zu verbreiten, macht das Friedensplenum MA am Montag den 5. Mai., eine Veranstaltung mit dem ehemaligen ARD-Korrespondenten Christoph Hörstel. Er setzt sich für die afghanische Bevölkerung bereits seit der Besetzung Afghanistans durch die sowjetische Armee ein und verfügt aufgrund zahlreichen Reisen über eine exzellente Kenntnisse des Landes und bester persönlicher Kontakte. Bei unserer Veranstaltung am 5. 5. wird er auch seinen "Friedensfahrplan für Afghanistan" zur Diskussion stellen. Ich würde mich freuen, möglichst viele von euch bei der Veranstaltung und noch einige mehr aus eurem Bekannten- und Verwandtenkreis wiederzusehen. Damit bin ich nun am Ende meines Beitrags sodass wir nun zur Spinelli-Kaserne weiterradeln können, von wo aus die US Armee ihre Kriegseinsätze im Irak und Afghanistan mitbetreibt.



Otto Reger ist aktiv beim Friedensplenum Mannheim.

E-Mail: reger-otto (at) web (Punkt) de

Website: www.frieden-mannheim.de
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