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21.04.2011


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Ostermärsche und -aktionen 2011

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Redebeitrag für den Ostermarsch 2011 in Ansbach am 23. April

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

Agnes Krumwiede (in Ansbach)



- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 23. April, Redebeginn: ca 12 Uhr -



Traditionell zu Ostern nehmen tausende Menschen an Demonstrationen für Abrüstung und Frieden teil. Die Opfer radioaktiver Strahlung und wir alle, die wir in den letzten Wochen auf Mahnwachen und Anti-Atomkraft-Demonstrationen gegangen sind, haben eine klare Botschaft: Wir wollen eine Welt ohne Atom, ohne Atomwaffen und ohne strahlenden AKW`s. Solange wir die zivile Nutzung von Atomenergie fördern, wird auch atomwaffenfähiges Material produziert.

Die Nutzung der Atomkraft und die Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen sind eng miteinander verknüpft. Um die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern, muss die Weiterverbreitung der Atomenergie gebremst werden.

Was die nukleare Abrüstung betrifft, dreht sich das Rad der Geschichte unerträglich langsam.

Die Werke des Pazifisten und Dramatikers Fritz von Unruh waren 1933 unter jenen, die der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Er emigrierte in die USA und kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland zurück. Als einer der ersten deutschen Intellektuellen hielt er in der Nachkriegszeit Reden gegen die Atombombe. Ich zitiere aus seiner Rede an die Deutschen vom 18. Mai 1948, in dieser Rede träumt Fritz von Unruh von einer Welt - ich zitiere:

"In der alle Völker zusammengeschweißt in einem einzigen Weltregiment die Erdgüter so weise verteilen, daß keine Atombombe mehr wie das Damoklesschwert über uns hängt - sondern der Freude schöner Götterfunken uns alle eint in des Lebens neuer Gestaltung. [...]

&

Mächtig seid ihr nicht in Waffen!

Unbezwingbar ist allein der Geist!"

Dieser Auszug beschreibt, wofür wir Grünen und die unabhängige Friedensbewegung seit ihrer Gründung streiten.

Und es ist traurig, im Jahr 2011 hier zu stehen und immer noch das gleiche fordern zu müssen: Eine international starke und glaubwürdige Friedenspolitik, Krisenprävention anstatt nuklearer Abschreckungstaktik, globale Gerechtigkeit und eine Politik der weltweiten nuklearen Abrüstung. Damit keine Atombombe mehr wie ein Damoklesschwert über uns hängt, muss Deutschland endlich den Abzug der noch rund 20 bei uns gelagerten Atomwaffen einleiten. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel trainieren bis zum heutigen Tag deutsche Tornado-Piloten im Rahmen der nuklearen Teilhabe den Einsatz dieser 20 US-Atomwaffen. Deutschland muss Farbe bekennen, und sich international für einen Ausstieg aus der Atomenergie einsetzen. Und: Auf den Export von Nukleartechnologie verzichten. Deutschland als Exportnation darf nicht länger den weltweit dritten Platz als Waffenexporteur einnehmen! Wir fordern eine restriktive und transparente Rüstungsexportpolitik ohne staatliche Exportförderung: Der Rechtsanspruch auf die Ausfuhr von Rüstungsgütern muss fallen und der Endverbleib überprüft werden.

Im Bereich der Abrüstung darf unsere Bundesregierung nicht nur bei den Forderungen nach einer atomwaffenfreien Welt applaudieren, sondern muss auch in Deutschland handeln. Die Bundesregierung muss ohne Wenn und Aber auf Atomwaffen in Deutschland und auf die Fähigkeit, diese mit deutschen Flugzeugen im Rahmen der NATO einzusetzen, verzichten.

Die Bundesregierung muss dazu bereit sein, bei der Abrüstung den ersten Schritt zu machen. Denn: Wer selbst nicht bereit ist, ohne Atomwaffen zu leben, kann das auch nicht von anderen verlangen. Wir fordern ein atomwaffenfreies Europa und eine Absage der NATO an den Ersteinsatz von Atomwaffen. Die fortgesetzte Mitwirkung Deutschlands an der nuklearen Abschreckung ist sicherheitspolitisch nicht mehr zu rechtfertigen und schadet den globalen Bemühungen um die Kontrolle und Abrüstung von Kernwaffen.

Noch immer gibt es Tausende von Atomwaffen auf dieser Welt. Weil die Atomwaffenstaaten, allen voran die USA und Russland, ihrer Abrüstungsverpflichtung nicht nachkommen, wächst das Risiko, dass sich andere Staaten unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Atomenergie oder mit Hilfe von Schmugglern Atombomben verschaffen. Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea haben gezeigt, wie es geht. Iran und Brasilien stehen im Verdacht, zu folgen. Während der Iran sanktioniert wird, wurde Indien 2008 von den Nuklearsanktionen befreit. Nun kann Indien - auch dank deutscher Hilfe - sein Atomwaffenprogramm ausbauen. Das untergräbt das im Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) gegebene Versprechen auf eine universelle Welt ohne Atomwaffen.

US-Präsident Barack Obama hat in seiner Prager Rede klargemacht, dass die USA mit aller Macht das Ziel einer atomwaffenfreien Welt anstreben. Obama forderte alle Staaten zum Umdenken auf: "Um die Denkmuster des Kalten Kriegs zu überwinden, werden wir die Rolle von Atomwaffen in unserer nationalen Sicherheitsstrategie reduzieren und andere anhalten, dasselbe zu tun."

Ein Abzug der US-Atomwaffen aus Europa wäre ein Signal des Umdenkens, ein Sieg des Verstandes über den nuklearen Muskelprotz.

Wir wollen, dass Deutschland und die EU den Worten Obamas folgen und zum Motor und Vorreiter einer globalen Politik der Abrüstung und Rüstungskontrolle werden. Deutschland könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten. Es fehlt einzig und allein am politischen Willen.

Mit großer Sorge sehen wir in diesen Tagen nach Libyen.

Wir fordern, dass sich die Bundesrepublik aktiv an der Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen beteiligt.

Die Bundesregierung muss aufhören, Schusswaffen, Munition und Lizenzen in Krisenregionen zu exportieren. Denn auch Gaddafi hat Waffenlieferungen aus Deutschland erhalten.

Kleinwaffen, Minen und Streumunition sind die Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Leidtragende sind vor allem Zivilisten.

Viele der Kleinwaffen und Munition, die heute illegal im Umlauf sind, stammen aus "legalen" Regierungsexporten. Regierungen kommen und gehen, doch Kleinwaffen, die eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten haben, gelangen in immer neue Hände. Insgesamt gibt es weltweit schätzungsweise 500 Millionen Kleinwaffen, von denen sich ca. die Hälfte davon im Privatbesitz befindet. Die Bemühungen um ein internationales Waffenhandelsabkommen müssen daher dringend vorangetrieben werden. Das Osloer Streubombenverbot von 2008 muss mit Nachdruck national und international umgesetzt werden.

Mit Blick auf alle Krisenregionen dieser Welt, auf Afghanistan und den Nahen Osten möchte ich betonen: Eine starke Friedensbewegung ist nötig, damit auch zivile Optionen für die Konfliktlösung nicht vorschnell unter den Tisch fallen.

An dieser Stelle möchte ich nochmal den Pazifisten Fritz von Unruh zitieren, der 1927 sagte:

"Früher hieß es: Wenn Du den Frieden willst, rüste den Krieg. Wir sagen: Wenn Du Frieden willst, rüste den Frieden!"

Der diesjährige Ansbacher Ostermarsch steht unter dem Motto: Lautstark für den Frieden - Bürgerwohl vor Militärinteressen. Der geplante Ausbau des Militärstandortes Ansbach zur größten Hubschrauberbasis Europas stößt auf heftigen Widerstand.

Es wird Zeit, dass Kommunen, Landes- und Bundesregierung auf die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger eingehen und hier keine einsamen Entscheidungen ohne Beteiligung der Bevölkerung treffen. Hier in Ansbach und der Region gibt es ein breites Zivilgesellschaftliches Bündnis gegen Fluglärm, gegen einen unnützen Straßenausbau und gegen die Aufstockung von Truppen und Militärgerät.

Für den Ausbau der Militärsiedlung muss wieder einmal Natur zerstört werden, ganz zu schweigen von den nötigen Infrastrukturprojekten an der B 14. Es geht um hohe Kosten in Beton und Naturzerstörung, die zur Folge haben, dass die Region einem ständigen Lärmpegel ausgesetzt sein wird. Hier wird also insgesamt ein Haufen Geld verbaut, wobei die Straßenbauprojekte nur von deutscher Seite finanziert werden, obwohl sie ohne den US-Stützpunkt nicht nötig wären.

Die grüne Position ist, dass der Hubschrauberstandort hier nicht zu verantworten ist. Er bringt erhebliche Belastungen für die Bevölkerung: Lärm, Verkehr, Umweltzerstörung und macht die ganze Region Ansbach zu einem Truppenübungsplatz. Dem gegenüber steht keinerlei gesellschaftlich-ökonomischer Nutzen: Keine Steuereinnahmen und nur geringe wirtschaftliche Wirkung, denn US-Soldaten und Angehörige kaufen nur teilweise in deutschen Geschäften. Ganz zu schweigen von &_

dem miserablen Image, denn wer will heute noch Militärstadt sein?

Wir fordern: Den Abzug der US-Armee in den nächsten 10 Jahren. Die US-Armee hat im eigenen Land genügend große Übungsgebiete.

Die enormen Mittel sollten besser in gerechtere Handelsstrukturen, Aufbau- und Entwicklungshilfe gesteckt werden.

Der geplante Flächenverbrauch durch den geplanten US-Hubschrauberstandort widerspricht eklatant gesetzlichen Grundlagen zum Bodenschutz und den Zielsetzungen des Landesentwicklungsprogramms sowie des Regionalplans zur Siedlungsentwicklung.

Abschließen möchte ich meine Rede - unsere Abrüstungsforderungen regional, national und global zusammenfassend - mit den Worten des Pazifisten Fritz v. Unruh:

"Misstraut den Leuten, die euch . sagen: "Was wollen (sie mit ihren Rufen nach Frieden). Pazifisten ... Wir hassen den Krieg mindestens ebenso, vielleicht noch mehr! Unsere Gewissensqual, junge Soldaten wieder in einen Krieg kommandieren zu müssen, ist mindestens ebenso ächzend (ätzend). . Aber in diesem einen Falle, da bejahen wir noch den Krieg` Misstraut ihnen, die lieber die Welt im radioaktiven Qualm von Hydro-Bomben aufgehen lassen, als auch nur den Versuch wagen, durch Aussprache von Mensch zu Mensch es zu verhindern! Misstraut ihnen! Denn wer das . Menschengemetzel in einem Fall bejaht, der bejaht es in jedem Fall! Hütet euch auch, das Wort "Pazifist" gleichbedeutend mit Feigheit zu setzen!"



Agnes Krumwiede ist Mitglied des Deutschen Bundestages für B90/Die Grünen. Vita siehe hier

E-Mail: agnes (Punkt) krumwiede (at) wk (Punkt) bundestag (Punkt) de
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