OM 2013

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01.04.2013


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Ostermärsche und -aktionen 2013

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Redebeitrag für den Ostermarsch Ruhr 2013 in Herne am 31. März

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde !

Leonore Schröder (in Herne)



- Es gilt das gesprochene Wort -



Trotz Schnee und Kälte habt Ihr Euch für den Frieden auf die bisher 40 Kilometer lange Strecke von Essen hierher nach Herne gemacht. Dafür gebührt Euch Dank und Anerkennung! Und Lob für die sportliche Leistung! Wenn man sich die immer größer werdende Bedrohung des friedlichen Zusammenlebens der Völker in der Welt ansieht, hättet ihr eigentlich 5.000 oder 50.000 TeilnehmerInnen sein müssen. Es geht um eine Welt, die deutlich auseinanderfällt in den reichen westlichen Block (USA, EU und Deutschland) und die Länder im Vorderen und Mittleren Osten und in Afrika, die Opfer einer Politik sind, die ein Land nach dem anderen mit Krieg überzieht und sie in Chaos und Unregierbarkeit stürzt. In dieser Welt werden die nach den Schrecken des 2.Weltkriegs mühsam gefundenen Regeln für ein friedliches Zusammen- leben gezielt in ihr Gegenteil verkehrt und durch trickreiche Schaffung von Krisensituationen ausgehebelt. Eine Welt, in der Krieg wieder das allernormal- ste Mittel ist, eigene staatliche Interessen durchzusetzen, und in der ethische Grundsätze und Humanität zu verschwinden scheinen. Man sucht nicht mehr nach diplomatischen Verhandlungen, sondern treibt die Kriegsmaschinerie in verschiedenen Varianten und in atemberaubendem Tempo vor sich her.

Deutschland steht in diesem Kriegsrausch mittendrin.

Innerhalb von 14 Jahren ist es gelungen, die 60jährige Einübung der Deutschen in Friedenspolitik zu kippen und neue Kriegslust und neuen Militarismus in alle Gesellschaftsbereiche einzunisten. Der Nachbar in Nahost und Afrika ist nicht mehr der Nachbar, sondern der Schurke, der beseitigt werden muss. Gestern hat er noch Öl geliefert und uns Waffen für etliche Millionen abgekauft, heute muss er weggebombt werden.

Deutschland, in dessen Grundgesetz steht, dass es Truppen nur zur Verteidigung halten darf und schon die Vorbereitung eines Angriffskriegs unter Strafe zu stellen ist, beteiligt sich an diesen westlichen Angriffskriegen. Jugoslawien, Afghanistan und Libyen sind schon erledigt. Geht es demnächst tatsächlich gegen Syrien und den Iran ? Verharmlosend wird diese Kriegsbeteiligung als "Auslandseinsatz" bezeichnet. Verteidigt wird nicht mehr das eigene Territorium, sondern weit draußen in der Welt die "Sicherheit". Sicherheit vor vermeintlichen Terrorangriffen auf uns und vor Kriegsvorbereitungen der von den USA ausgerufenen Schurkenstaaten. Der Wahrheitsgehalt solcher Verdäch- tigungen wird nicht überprüft, auch von den Medien nicht, die unisono die neue Kriegstreiberei als Notwendigkeit unter die Bevölkerung bringen.

Dass die "Sicherheit" in Wahrheit den ungehinderten, gewaltsamen Zugriff auf die Rohstoffe und die Freihaltung der Handelswege meint, wird von der Bundesregierung und unseren Bundestagsabgeordneten seit dem Verplapperer des früheren Bundespräsidenten Köhler nicht mehr bestritten. Es geht also um neokoloniale Eroberungskriege. Dass dies die Verbotsbestimmungen des Grund- gesetzes und des 2+4-Vertages zur deutschen Wiedervereinigung missachtet, wird von der deutschen Politikerklasse nur mit einem Achselzucken quittiert.

Wir dagegen fordern von unseren Bundestagsabgeordneten und von unserer Kanzlerin nachdrücklich die Einhaltung des grundgesetzlichen Verbots von Angriffskriegen. Keinem Bürger würden Verstöße gegen Gesetze straflos durchgehen. Also verlangen wir auch von unseren Politikern Gesetzestreue.

Die Regierungen Schröder / Fischer und Merkel / Westerwelle sind zielstrebig auf dem Weg, aus Deutschland wieder eine bedeutende Macht in Europa zu machen. Nach Vorstellungen schon aus dem alten Kaisereich geht das nicht ohne eine militärische Basis. Dementsprechend ist die Bundeswehr in eine weltweit agierende Interventionsarmee umgewandelt worden. Ihre Soldaten stehen seitdem fast überall in der Welt, allerdings ohne viel Erfolg. Seit 12 Jahren versinkt die Bundeswehr in Afghanistan in einem nicht zu gewinnenden Krieg. Die öffentliche Empörung dagegen fällt äußerst mager aus, denn der Krieg ist weit weg und Bilder und Berichte seiner Schrecken und Verbrechen bis hin zu den Foltergefängnissen tauchen in den Medien nicht auf. Deutsche Kriegsschiffe patrouillieren im Mittelmeer, am Horn von Afrika, im Indischen Ozean zur Bekämpfung der Piraterie, die es ohne die Piraterie der europäischen Fischfangfabriken in fremden Gewässern nicht gäbe.

Deutsche Soldaten werden von Frau Merkel als militärische Ausbilder vor allem nach Afrika geschickt, um die heimischen Armeen kriegstauglich zu machen. Eine neue soldatensparende Strategie in zweierlei Absicht: für zukünftige Kriege in Afrika kann man afrikanische Stellvertreter, z.B. über UNO-Truppen einsetzen und das Leben eigener Soldaten schonen; zum anderen sichert man sich einen weiteren Abnehmer für deutsche Waffen und Kriegsgroßgeräte. Die reale Gefahr, dass die ausgebildeten und mit Waffen versorgten Truppen als marodierende Banden durch die Nachbarländer ziehen und Bürgerkriege gefüt- tert werden, ist durchaus mit einkalkuliert, weil sie Gründe für Invasionen liefert. Diese Praxis der militärischen Ausbildung üben die deutschen Soldaten gerade frisch in Mali aus, um Herrn Hollande aus Frankreich bei der Sicherung seiner Kolonie zu helfen.

Auch in Afghanistan ist das die vorgegebene Strategie, bevor sich die deutschen Truppen zurückziehen. Was dort als Befriedung des Landes ausgegeben wird, um "die Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände zu legen", führt bereits jetzt zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen zwischen Militär und Taliban oder Aufständischen gegen die Besatzung. Die dauernde Destabilisierung des Landes ist auch hier durchaus eingeplant, weil sie das Erstarken eigenwilliger und durchsetzungsfähiger Regierungen für die Zukunft verhindern.

Bundeskanzlerin Merkel hält Waffenlieferungen mit "begleitender Schulung" für Hilfe zur Selbsthilfe. Wieviel Skrupellosigkeit muss man haben, über die zerstörerischen Folgen dieser Politik in den afrikanischen Gesellschaften hinwegzusehen!

Um die Zustimmung der Bevölkerung zu erreichen, wurde die Kriegspolitik, auch in Übereinstimmung mit den Strategien der USA und der Nato in neue Begriffe verpackt.

Für die Regierungen Schröder/Fischer, die den ersten Krieg 1999 vom Zaune brachen, und die Regierung Merkel/Westerwelle mit den Kombattanten Joachim Gauck und Thomas de Misere sind Auslandseinsätze Instrumente der Friedens- sicherung. Soldaten sind Friedensbringer. Nach Orwellscher Lesart ist Krieg Frieden. Andere positiv besetzte Begriffe wie "Demokratie und Freiheit", "Wahrung der Menschenrechte", "Verhinderung von Völkermord" wurden und werden missbräuchlich eingesetzt, um für das aus humanitären Gründen angeb- lich erforderliche militärische Eingreifen Akzeptanz herzustellen und die Kriti- ker mundtot zu machen.

Entsprechend wird die Leistung der Soldaten verbal aufgewertet. Sie sind "Mut-Bürger in Uniform", wie Joachim Gauck sagt, wobei er nicht nachdenkt, was er da sagt.Wofür brauchen diese Mutbürger denn ihren Mut? Für`s Töten eines wie immer definierten Feindes? Oder für riskante Manöver, die ein vernünftiger Mensch ohnehin meiden würde? Mut wurde Soldaten beim Heldenkampf schon immer abverlangt. Wer den nicht zeigte, galt als Memme und Versager. Überhaupt zeichnet sich die Protestanten-Troika Merkel, de Misere und Gauck aus durch gedankliches Verhaftetsein in Heldentum-Muster aus uralter preußischer Tradition. Merkel erklärte wiederholt, dass die deutschen Soldaten mit der erwähnten Rekrutenausbildung in Afrika Entwicklungshilfe über- nehmen. Vor dem Hintergrund der allgemeinen tiefen Armut in Afrika ist das ein nicht zu überbietender Zynismus, weil auch gerade die Masse der aus Deutschland stammenden Waffen Fortschritte in der Schaffung lebenswichtiger Grundgüter verhindert. Zu kolonialen Zeiten wurden die Einheimischen auch in militärische Einheiten gesteckt, um für die Kolonialherren die Drecksarbeit zu machen.

Es ist unglaublich, wie die Geschichte wiederholt wird!

Vor im Einsatz getöteten Soldaten verneigt sich die Kanzlerin in tiefer Dankbarkeit dafür, dass die Getöteten für ihr Land das höchste Gut, ihr Leben, hingegeben haben, auch eine Floskel aus den Weltkriegen, die nicht nachfragt, wer denn letztlich vom Einsatz des Soldaten in einem Wirtschaftskrieg profitiert hat. Seine Familie, Deutschland als Staatsgebilde, die Kanzlerin oder ein Ölkonzern? Diese Soldatenopfer sind wieder "Gefallene" und zum Heldengedenken bekommen sie wieder ein eigenes Mahnmal.

Öffentliche Gelöbnisse, Flug- und Waffenschauen zum Anfassen - die Bundeswehr bemüht sich, überall öffentlich zu erscheinen, und auch rot-grüne Landesregierungen gestatten den Soldaten, im Schulunterricht die unentbehr- liche militärische Komponente der Politik zu erklären.

Den Vogel in der Werbung für die Bundeswehr schoss neulich Verteidigungs- minister de Misere ab, als er erklärte, die Bundeswehr mache die Männer auch männlicher!



Liebe Friedenfreunde,

was haben wir denn darunter zu verstehen? Wächst dann der Bart schneller oder wird der Bizeps stärker. Oder wird der Mann skrupelloser beim Erschießen von Gegnern oder Zivilisten oder kaltblütiger gegenüber Kindern im Krieg? Wollen wir zurück zu alten Formen des kraftstrotzenden und Kraft missbrauchenden Machos oder zu Hitlers Soldaten "hart wie Kruppstahl"? Das ist echtes Geschwätz und zeigt nur de Miseres Unkenntnis von Soldatenschicksalen: Weiß er nicht, dass allein im Jahr 2012 922 traumatisierte deutsche Soldaten aus Kriegseinsätzen zurückkamen, 759 davon aus Afghanistan? Und liest er nicht, dass 20 Prozent der britischen Irak-Soldaten wegen Gewalttaten zuhause verurteilt wurden? Und liest er nicht, dass von den alten US-amerikanischen Veteranen aus dem 1. Golfkrieg 1991 sich jeden Tag einer das Leben nimmt?



Liebe Friedensfreunde und Freundinnen,

nehmen wir es als Aufgabe an, den Rückfall Deutschlands in den alten Militaris- mus überall zu thematisieren, den Schleier der Verlogenheit von den angeblich humanitären Kriegen wegzuziehen und ihren imperialistischen und neokolonia- listischen Charakter bloßzulegen. Lasst uns unsere Politiker bedrängen und eine andere, eine zukunftsfähige Politik einfordern, die allen Ländern ermöglicht, am Reichtum der Erde teilzuhaben, die zu gerechten Lebensbedingungen führt und Herrschaftsphantasien ein für allemal abschafft.



Leonore Schröder ist aktiv beim Friedenskreis Castrop-Rauxel.

E-Mail: lewoschroeder (at) t-online (Punkt) de

Website: www.friedenskreis-castrop-rauxel.de
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