Demos
13.10.2001


vom:
15.10.2001

update:
16.10.2001


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Demonstrationen 13.10.2001

 Echo / Presse

(Auswahl)

Presseauswertung: Kommentare - 15.10.01.

div. Tageszeitungen

Berliner Zeitung Zweifel an der Klugheit der Mächtigen

Hamburger Abendblatt Frieden und die Parolen von einst

Hannoversche Allgemeine Kommentar zu den Friedensdemo

Frankfurter Rundschau Chance für engagierte Debatte

taz Umkehr der Beweislast

Stuttgarter Zeitung (zitirt nach afp)

FAZ (zitirt nach afp)

Saarbrücker Zeitung Friedensbewegung fordert Dialog





Quelle: Berliner Zeitung 15.10.01 - Kommentar:

Zweifel an der Klugheit der Mächtigen

Holger Schmale

Es ist ja richtig, viele Parolen und Forderungen, welche die Kriegsgegner am Wochenende auf ihren Demonstrationen in Berlin und Stuttgart, in London und in Perugia getragen haben, sind bestechend einfach und grenzenlos naiv. Sie geben keine wirklichen Antworten auf die uns alle umtreibende Frage, wie denn dem Terrorismus erfolgreich die Stirn geboten werden kann. Aber ist das die Aufgabe von Bürgern, die ihre Meinung und ihre Gefühle demonstrieren? Nein, das ist die Aufgabe der Politiker. Und haben die ein Rezept? Ebenfalls nein. Die Bomben auf Afghanistan haben bislang nur neue Drohungen der Terroristen ausgelöst, von denen niemand weiß, wie ernst sie zu nehmen sind.

Die Demonstranten aber mobilisieren etwas, das den Kern unserer freien Gesellschaft ausmacht: das Recht auf Debatte und Widerspruch, den Zweifel an der Klugheit der Mächtigen, der gar nicht naiv ist. Das ist umso nötiger in einer Zeit, da die parlamentarische Auseinandersetzung um den richtigen Weg der deutschen Außenpolitik weitgehend auf ein "Jawohl, Herr Bundeskanzler" reduziert ist und Kritiker schnell in den Verdacht des Anti-Amerikanismus geraten. Da ist es gut, wenn der gesellschaftliche Diskurs über Krieg und Frieden buchstäblich auf die Straße getragen wird und sich so Raum verschafft, der ihm anderen Orts verwehrt wird.

Die Friedensbewegung in Deutschland war stets ein überaus buntes und auch politisch widersprüchliches Bündnis. Rechtsradikale aber gehörten nie dazu. Es spricht für die politische Reife der Bewegung, dass die NPD mit ihrer unappetitlichen Anbiederei auch heute keine Chance in ihren Reihen hat.



Quelle: Hamburger Abendblatt, 15.10.01. - Kommentar

Frieden und die Parolen von einst

Von Egbert Niessler

Eine gerechte und friedliche Welt - wer sollte dagegen etwas haben? Niemand, der einigermaßen bei Verstand ist. Streit gibt es allenfalls darüber, wie die Menschen dieser Erde sich diesem Idealzustand annähern könnten. Da wird nicht nur heftig diskutiert, sondern auch demonstriert.

Im Laufe der Jahre haben sich allerdings nicht nur die Welt und die Bedrohungslage, sondern folgerichtig auch die Demonstrationen gewandelt. Vor 20 Jahren trieb der NATO-Doppelbeschluss Hunderttausende auf die Straßen. Eine eher abstrakte Angst vor Atomkrieg und Weltuntergang mobilisierte Massen.

Heute wissen wir, dass der NATO-Doppelbeschluss nicht nur Risiken barg, sondern auch einen entscheidenden Beitrag zum Zusammenbruch der Sowjetunion und damit zur Minimierung der Gefahr eines globalen Nuklearkrieges geleistet hat. Wir sehen heute zudem, dass es eine ganz reale Bedrohung durch Terroristen gibt. Die einstürzenden Türme des World Trade Centers waren keine Fiktion, kein schlechter Traum, und Ähnliches ist auch bei uns möglich. Und eine große Mehrheit ist überzeugt, dass wir Terroristen vom Schlage bin Ladens nicht mit einem leise gehauchten "Du, wir müssen mal über deine Einstellung zur Gewalt reden" beikommen können. Zu guter Letzt haben uns die verantwortlichen Politiker glaubhaft darlegen können, dass sie die militärischen Mittel nur als einen Teil im Gesamtkonzept gegen den Terror sehen, das eben auch diplomatische und wirtschaftliche Aspekte umfasst.

Der Satz "Gewalt löst keine Probleme" müsste in diesem Fall lauten, "Keine Gewalt löst dieses Problem auch nicht". Und so verkündet zurzeit auch nur noch eine zusammengeschrumpfte Schar aus Veteranen der Friedensbewegung, der PDS und von Jugendlichen, die sich unvermittelt einer brutalen Welt ausgesetzt sehen, die Parolen von einst.



Quelle: Hannoversche Allgemeine 15.10.01.- Kommentar

Kommentar zu den Friedensdemos

Die Friedensbewegung muss sich um neue Antworten bemühen. Dass diese schwierig sind, demonstrieren dieser Tage die Grünen. Antje Vollmer spricht vom "politischen Pazifismus". Renate Künast unterscheidet zwischen der Bombardierung von Terror-Netzwerken (legitim) und Staaten (illegitim). Man mag das Ringen um Formulierungen als Ausrede deuten, um weiter regieren zu können.

Geahnt hat man es bereits seit längerem: Die Friedensbewegung ist in die Jahre gekommen. Sie füllt mit ihrem Protest gegen Krieg und Militäreinsätze wieder Plätze, ihre Fürstreiter malen wieder Plakate, lassen friedlich Luftballons fliegen und debattieren über das Böse in der Welt - doch die Reihen sind spärlicher besetzt, die Organisationen sind bunter, exotischer als noch vor Jahren, und manche verbreiten längst den Charme ergrauter Traditionsvereine. Die Veteranen der Politszene, Gewerkschaftsspitze und Bündnisgrüne, bleiben lieber zu Hause.

Es sind die Rituale, und es ist die unfreiwillige Zweideutigkeit des Protestes, die die Bewegung zunehmend ins Reich der Bedeutungslosigkeit abdriften lässt. Die schlichte Losung "ohne uns" wirkt mittlerweile satt und selbstzufrieden. Und wer gegen die Militäreinsätze in Afghanistan demonstriert, muss sich darüber im Klaren sein, dass er Terroristen wie bin Laden kräftig zuarbeitet.

Der Einsatz für den Frieden ist nicht überholt. Im Gegenteil. Wer wollte einem Krieg das Wort reden? Aber auch die Friedensbewegung muss sich um neue Antworten bemühen. Dass diese schwierig sind, demonstrieren dieser Tage die Grünen. Antje Vollmer spricht vom "politischen Pazifismus". Renate Künast unterscheidet zwischen der Bombardierung von Terror-Netzwerken (legitim) und Staaten (illegitim). Man mag das Ringen um Formulierungen als Ausrede deuten, um weiter regieren zu können. Es könnte aber auch die ernsthafte Suche nach neuen Antworten auf jene Barbarei sein, die weder Aussöhnung noch Friedensgespräche kennt, sondern nur mörderischen Hass und Vernichtung.

Gabi Stief



Quelle: Frankfurter Rundschau, 15.10.01. - Kommentare

Chance für engagierte Debatte

Es gibt sie noch, die Friedensgruppen: das ist eine der besseren Nachrichten dieses Wochenendes, selbst wenn von "Bewegung" zu sprechen übertrieben wäre. In den großen Fragen der Politik ist es gut, wenn Menschen sich engagiert einmischen, wie treffsicher auch immer ihre Argumente sind. Und wer, wenn nicht kritische Geister, könnte das benommene Schweigen der Fernsehgesellschaft hereingebrochen ist: die neue Dimension weltweiten Terrors, die neuen internationalen Koalitionen, eine neue deutsche Außenpolitik.

Es wurde ausdrücklich nicht gegen die USA demonstriert, die Solidarität mit den Opfern von Gewalt ist unumstritten. Umso enttäuschender waren andere Redepassagen bei den Kundgebungen. Nicht weil sie in gewohnter Entschiedenheit antimilitärisch blieben. Sondern weil ratlose Reflexe und Anleihen bei dem, was man bei früheren Gelegenheiten zu sagen pflegte, neues Nachdenken ersetzten. Etwa darüber, wie ein moralisch aller Ehren werter Pazifismus auf die Infragestellung durch den neuen Terrorismus antworten kann - ohne sich mit Verweisen auf die Schlechtigkeit der alten Weltordnung herauszureden. Aktuell zumindest stimmt des Kanzlers Erwartung, die Wucht des Protests werde geringer ausfallen als je zuvor. Aber das kann sich, je nach weltpolitischer Lage, ändern. Auch dieser Befund ist letztendlich beruhigend: Die ersten Anti-Kriegs-Proteste zeigen, dass die viel beschworene Zivilgesellschaft wachsamer und lebendiger ist, als es manchmal scheint. (me)



Quelle: TAZ, 15.10.01 - Kommentar

Friedensdemos

Umkehr der Beweislast

von Eric Chauvistré

Eine Demonstration ist kein Hochschulseminar, keine Expertenanhörung und schon gar keine Delegiertenkonferenz. Die meist langweiligen Reden auf Kundgebungen dienen in erster Linie der Selbstdarstellung ihrer Veranstalter. Kein vernünftiger Mensch kommt zu einer solchen Versammlung, weil er dort die Präsentation von Patentrezepten erwartet. Deshalb wäre es unfair, die Friedensdemonstrationen dieses Wochenendes allein am Gehalt der dort gehaltenen Reden zu messen. Die Motivation der TeilnehmerInnen war eindeutig: Sie wollten kundtun, dass sie Zweifel an dem von Bundesregierung und einer Mehrheit des Bundestages als alternativlos dargestellten militärischen Vorgehen haben.

Das ist wenig - aber offenbar war es notwendig. Denn nur von den Kriegsgegnern wird bislang gefordert, Lösungskonzepte vorzulegen - möglichst mit genauem Zeitplan und glaubwürdigen Belegen für den garantierten Erfolg. Weder Bush und Rumsfeld noch Schröder und Fischer haben dagegen auch nur in Umrissen darstellen müssen, wie ein Krieg zu einem Ende des Terrorismus führen kann. Warum sollten sie auch - es fragt sie kaum jemand danach. Nicht einmal einen Zeitraum müssen sie vvorgeben. Einen Monat, zwei Jahre, mehrere Jahrzehnte - in den Statements der US-Regierung findet sich die ganze Bandbreite.

Während von ein paar Freizeitaktivisten und einer Handvoll Friedensforschern perfekte Antworten für eine Lösung des komplexen Problems Terrorismus erwartet wird, dürfen die mit allen denkbaren finanziellen und personellen Mitteln ausgestatteten Regierenden und Militärs ohne zeitliche Begrenzung Krieg führen, ohne ein Konzept vorlegen zu müssen. Deshalb muss es berechtigt sein, für eine Umkehrung der Beweislast zu streiten: Wer das Militär als Allheilmittel anpreist, muss sich fragen lassen, wie der Krieg zum gewünschten Erfolg führen soll.

Das Verdienst der sozialen Bewegungen in der Geschichte der Bundesrepublik bestand immer darin, einen vermeintlich herrschenden gesellschaftlichen Konsens aufzubrechen und eine offene Debatte über Alternativen erst einmal in Gang zu bringen. Wenn es jetzt Demonstrationen bedarf, um von den Kriegsbefürwortern die Umkehrung der Beweislast einzufordern, ist dies` nur ein Zeichen für die Militarisierung des politischen Denkens in diesem Land. Sollte es den DemonstrantInnen gelungen sein, auf dieses Demokratiedefizit hinzuweisen, haben sie viel erreicht.



Quelle: afp 14.10.01, 20.46 Uhr - Kommentar

Berlin, 14. Oktober (AFP) - Die "Stuttgarter Zeitung" setzt sich mit der Friedensbewegung auseinander:

"Die Bedrohung, der sich die Welt heute gegenübersieht, verlangt nach neuen Antworten und wohl auch nach anderen Formen des Protests. Heute stehen sich nicht hoch gerüstete Militärblöcke gegenüber, heute bedrohen Terroristen die Welt, die Passagierflugzeuge zu Massenvernichtungsmitteln umfunktionieren und die Menschheit mit biologischen Waffen in Angst und Schrecken versetzen. Die Vereinten Nationen haben die Verteidigung gegen diese Art des Krieges ausdrücklich sanktioniert. Gerade in dieser Situation, die die Menschen zutiefst verunsichert, könnte eine glaubwürdige Friedensbewegung verhindern, dass diese Welt sich allzu schnell an Gewalt und Gegengewalt gewöhnt, sie könnte Gewissen schärfen, damit Grenzen bewahrt und Grenzverletzungen angeprangert werden." (folgt elf), cvb/lon



Quelle: Kommentar "Frankfurter Allgemeine Zeitung": 14.10.01 - 20.27 Uhr

Berlin, 14. Oktober (AFP) - Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bemerkt zur Friedensbewegung:

"Immer wenn die westliche Welt sich gegen eine Bedrohung zur Selbstverteidigung aufrafft, erhebt eine `Friedensbewegung` Einspruch. Dabei macht im jüngsten Fall nicht der Protest gegen die Bombardierungen in Afghanistan stutzig, sondern der Widerstand gegen Vorsorgemaßnahmen hier. (...) Nun gilt es, die Lehren aus früheren Kampagnen zu ziehen. Die Bewegung gegen den Golfkrieg blieb begrenzt, weil auch die Dauer des Krieges begrenzt war. Wenn nun Bush aber von einem Feldzug von ein oder zwei Jahren spricht, hat auch die `Friedensbewegung` sich auszubreiten. Gegen die Nato-Nachrüstung gingen schließlich allein in der Bundesrepublik mehr als 300.000 Leute auf die Straße. Die Bewegung fiel aber in sich zusammen, als Kohl sich nicht beeindrucken ließ und den Nato-Beschluss vollzog." - cvb/lon - AFP



Quelle: Saarbrücker Zeitung 15.10.01.- Kommentar

Friedensbewegung fordert Dialog

Frankfurt (epd). Die Zustimmung der deutschen Bevölkerung zu den Angriffen der USA auf Ziele in Afghanistan bröckelt nach Einschätzung des in Bonn ansässigen Netzwerks Friedenskooperative. Die Demonstrationen vom Wochenende zeigten den Anfang einer sich neu formierenden Friedensbewegung in der Bundesrepublik und Europa, sagte der Geschäftsführer des Netzwerks, Manfred Stenner, am Montag. Bundeskanzler Gerhard Schröder sei falsch beraten, die verbreitete Furcht vor Eskalation und die Ablehnung des Bombenkriegs zur Terrorbekämpfung als "naiv" abzutun. Die Koalitionsparteien müssten darüber nachdenken, ob der Einsatz von Streubomben, die zivilen Bombenopfer in Afghanistan und der drohende Hungertod Hunderttausender ihren Beschlüssen zur "uneingeschränkten Solidarität" weiterhin entsprächen. Regierung und Parteien müssten sich der gesellschaftlichen Diskussion über diesen Krieg stellen.



E-Mail: friekoop@bonn.comlink.org

Website: www.friedenskooperative.de
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