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Demos
13.10.2001


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Demonstrationen 13.10.2001:

  Demo in Berlin

../gifs/dscn0051.jpgRede auf der Berliner Kundgebung "Aufstehen für den Frieden!" gegen den Krieg am 13. Oktober 2001 - (Langfassung)

Raketenabwehr und Weltraumkrieg schaffen keine Sicherheit vor Terror

Jürgen Scheffran

Die Ereignisse des 11. September haben allzu deutlich gezeigt, wie verwundbar unsere Industriegesellschaft ist. Rüstungslobbyisten versuchen, die Ängste in der Bevölkerung für ihre Zwecke zu nutzen. Sie wollen uns einzureden: durch Krieg und neue Waffen können wir vor Terror, vor Massenvernichtungswaffen und Raketenangriffen geschützt werden. Dies gipfelt in der Vorstellung, auch den Weltraum militärisch zu kontrollieren, um alle Bedrohungen auf der Erde in den Griff zu bekommen. Gerade heute ist es wichtig, auf diese Bestrebungen aufmerksam zu machen, denn der 13. Oktober ist der internationale Protesttag gegen Raketenabwehr und die Bewaffnung des Weltraums.

Der 11. September markiert das grandiose Versagen aller Sicherheitssysteme der größten Militärmacht. Alle Geheimdienste, teure Aufklärungssatelliten und ein riesiges hochtechnisches Rüstungsarsenal waren nicht in der Lage, die Nachbarn von nebenan zu orten, die mithilfe von Teppichmessern Verkehrsflugzeuge in Massenvernichtungswaffen umwandelten. Der Versuch, Sicherheit aus großer Distanz mit immer ausgeklügelteren technischen Systemen herzustellen, muß kläglich scheitern, wenn der Gegner mitten in der Gesellschaft sitzt und klare Fronten nicht mehr auszumachen sind. In einer vernetzten, globalisierten und fraktalen Welt ist die Bedrohung überall und nirgends.

Dennoch glaubt der amerikanische Präsident George W. Bush, durch einen milliardenschweren Weltraum-Schutzwall gegen ballistische Raketen aus Schurkenstaaten die USA schützen zu können. Sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld will gar mit Weltraumwaffen ein Pearl Harbor im All verhindern. Und das Weltraumkommando der USA strebt eine umfassende Dominanz im Weltraum an, um die Erde kontrollieren zu können. Es geht um die Kontrolle aller Informationsflüsse und die Fähigkeit, jederzeit und überall zuschlagen zu können, sich jedoch zugleich vor allen Folgeschäden zu schützen. Ein riesiges Netzwerk aus Abfangraketen und Laserwaffen, Militärsatelliten und Radaranlagen soll jede Bedrohung orten, verfolgen und zerstören.

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Demos
13.10.2001
Um diese Rüstungspläne umzusetzen, hatte Bush kürzlich den bisherigen Leiter des Weltraumkommandos, Richard Myers, zum Generalstabschef ernannt. Statt weiter über High-Tech-Kriege im All zu phantasieren, dirigiert Myers nun den Angriff auf Afghanistan, ein Land, das durch jahrzehntelange Bürgerkriege verwüstet wurde. Menschen, die bislang mit Säbeln und Gewehren massakriert wurden, werden nun mit lasergelenkten Bomben attackiert. Die Verantwortlichen des Terrors sind damit kaum zu treffen.

Das Streben nach totaler Sicherheit läuft auf totale Kontrolle und totalen Krieg hinaus. Mit den Raketenabwehr- und Weltraumplänen wird eine gefährliche Illusion von Sicherheit genährt. Sie verhindert die Suche nach Alternativen und echten Lösungen. Wer sich gegen alle Bedrohungen gefeit fühlt, kann seine verfehlte Globalisierungspolitik fortsetzen, braucht keine Rücksicht zu nehmen auf Hunger und Elend, Umweltzerstörung und Klimawandel, Energie- und Wassermangel in der Welt. So wie die Angriffe gegen Afghanistan nur neuen Terror säen und die Gewaltspirale antreiben, so schafft der Versuch, die Erde aus dem Weltraum zu kontrollieren, nur neue Ohnmachtsgefühle. Verzweiflung, Wut und Hass auf die Übermächtigen ist der Nährboden auf dem Terrorismus gedeiht.

Mit Raketenabwehr und Weltraumrüstung wird noch Öl ins Feuer der Konflikte gegossen, werden wertvolle Ressourcen verschleudert, die zur Lösung der Probleme verwendet werden könnten. Sie heizen die Rüstungsspirale im Weltraum und auf der Erde an. Sie fördern die Instabilität in Krisenregionen des Nahen Osten, Südasiens und Nordostasiens. Die Zerstörung bestehender Abrüstungsverträge, darunter der Atomwaffenteststopp-Vertrag und das Verbot biologischer Waffen, schlägt letztlich auf die USA selbst zurück. Was sie dürfen, können auch andere für sich beanspruchen.

Den Traum von Unverwundbarkeit haben in der Geschichte viele vergeblich geträumt. Manchmal ist es gerade die Erkenntnis der eigenen Verletzlichkeit, die Verständigung und Interessenausgleich erforderlich macht. Die Menschen im Zentrum Europas mußten vier Jahrzehnte des Kalten Krieges mit der schlimmsten Bedrohung leben, der vollständigen nuklearen Vernichtung. Angeregt durch die Friedensbewegung und Gorbatschows Neues Denken haben sie gelernt, daß nur eine Politik gemeinsamer Sicherheit und Abrüstung Frieden für Europa bringen kann. Die Geschichte Berlins zeigt eindrücklich, daß Schutzwälle keinen Bestand haben, daß ein Teil der Welt auf Dauer weder eingesperrt noch ausgesperrt werden kann.

Nein, mit Allmachtsphantasien und Antiterror-Kriegen kann wirkliche Sicherheit nicht erreicht werden. Die Alternativen sind klar und einfach: Bedrohungen vermeiden bevor sie entstehen, Ursachen des Terrorismus austrocknen, Gewaltmittel weltweit beschneiden. Konkret geht es darum, Raketen und Weltraumwaffen, Atomwaffen und andere Massenvernichtungsmittel weltweit zu kontrollieren und zu verbieten. Hier könnte Europa, hier könnten Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer Vorreiter sein, statt um eine Beteiligung an Militärschlägen zu buhlen. Zugleich müssen die möglichen Motive und sozialen Rahmenbedingungen des Terrorismus angegangen werden. Frieden braucht eine breite gesellschaftliche Basis, die das Wohlbefinden aller Menschen einschließt. Nur so kann dem Terror die Grundlage entzogen werden.


Jürgen Scheffran ist Physiker und Mitbegründer des internationalen Wissenschaftler-Netzwerks gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (INESAP) an der Technischen Universität Darmstadt.

E-Mail:   scheffran@hrzpub.tu-darmstadt.de
Internet: http://www.inesap.org
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