Bush-Besuch im Mai 2002


vom:
19.05.2002

update:
20.05.2002


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Bush-Besuch im Mai 2002

 Echo / Presse

Pressesplitter im Vorfeld der Bush-Demo, 18.05.02

verschiedene Zeitungen und Agenturen

Berliner Zeitung Friedensfreunde

Net-Zeitung "FR" druckt Anzeige der Friedensbewegung nicht

FR Friedensbewegung ruft zu Demonstrationen auf

FR Leider keine Friedensdemo

Westfalen Post Größter Polizeieinsatz bei Bushs Berlin-Besuch US-Präsident im Reichstag / Demonstrationen

FAZ-net Bush-Besuch

SZ "Es geht nicht um Feindbilder"

taz "Bush mobilisiert"

Berliner Zeitung Schröder droht Gewalttätern bei Bush-Visite mit hartem Eingreifen

ap Scharfe Debatte um Proteste gegen Bush-Besuch - Zweite Zusammenfassung

dpa Außenminister Fischer distanziert sich von Demonstration gegen Bush



Quelle: Berliner Zeitung, 18.5.2002

Friedensfreunde

Der Besuch von George Bush lässt Menschen gemeinsam demonstrieren, die nicht allzu viel gemein haben - doch manche möchten es eine Bewegung nennen

Brigitte Fehrle

BERLIN, im Mai. Für sie ist es ein Ritual. Laura von Wimmersperg, weißhaarige Friedensaktivistin, hat schon die Demonstration gegen den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan im Jahr 1982 in West-Berlin organisiert.

Für ihn ist es das erste Mal, und etwas Großes. Ruben Lehnert, 23 Jahre alt, Student. Er sagt: "Das ist die Renaissance der Friedensbewegung." Er meint: Ich bin die Renaissance der Friedensbewegung.

Für den Moment mag Ruben Lehnert Recht haben. So viel Zuspruch haben die traditionellen Gruppen der Friedensbewegung lange nicht gehabt. Die Demonstrationen der neunziger Jahre waren etwas für Spezialisten, für ewige Aktivisten, für Unbeirrbare. Jetzt hat der Krieg in Afghanistan viele aktiviert. Auch Ruben Lehnert.

Der schmale, dunkelhaarige junge Mann sagt: "Wir haben an der Uni nächtelang diskutiert über die wirtschaftlichen Gründe des Krieges, das Öl..." Das "Antikriegskomitee" wurde gegründet. Veranstaltungen organisiert. Manchmal seien spontan dreihundert Leute gekommen, um beispielsweise den grünen Kriegsgegner Christian Ströbele zu hören.

Nächste Woche kommt der amerikanische Präsident nach Berlin. Er wird am Mittwochabend erwartet. Die Nachricht elektrisierte die Friedensgruppen. Und in Berlin gab es sofort Streit. Darüber, ob der Regierende Bürgermeister während des Besuchs in der Stadt zu sein hat oder nicht. Darüber, ob die Senatoren der PDS gegen ihren Gast demonstrieren dürfen, und darüber, ob eine Regierungspartei wie die Grünen auf die Straße gehen darf. Die Reflexe funktionieren. Auf allen Seiten. Jetzt ist das Protestprogramm perfekt: Am Dienstag demonstriert die Friedensbewegung, am Mittwoch wummern die "Bush-Trommeln" und die so genannten Autonomen rufen zum "Volxsport" auf. Im Klartext. Randale.

Für Ruben Lehnert ist das alles neu. Als in Berlin die "Achse des Friedens" anfing, eine Demonstration am Vortag des Besuchs des Präsidenten vorzubereiten, traf er auf die Friedensbewegung und auf Laura von Wimmersperg. Der junge Mann ist fasziniert von der Frau, von der er glaubt, sie denke und fühle wie er. Er sagt: "Sie hat eine wunderbare Art, mit Menschen umzugehen." Sie wiederum schwärmt von ihm und seinen Freunden: "Sie haben etwas Strahlendes, das auf uns Ältere übergeht." Beide unterschreiben einen Aufruf gegen den amerikanischen Präsidenten. Lehnert unerfahren und mit ungestümem Herzen. Wimmersperg aus unumstößlicher Überzeugung. "Wir wollen ihre Kriege nicht, Herr Präsident. Wir wollen gar keinen Krieg", heißt es darin. Und: "Krieg ist kein Mittel gegen den Terrorismus. Krieg selbst ist Terrorismus."

War da nicht noch etwas Anderes? Gab es nicht den 11. September? "Ganze Weltregionen - zuallererst der Nahe Osten - sind von einem Flächenbrand bedroht", heißt es im Aufruf der Friedensgruppen. Angeklagt sind die Vereinigten Staaten. Allein die Vereinigten Staaten. Kein Wort über Bin Laden. Kein Wort über religiös motivierten Terrorismus. Kein Wort über Saddam Hussein und die komplizierten Machtstrukturen im Nahen Osten. Nur so viel noch: "Der Afghanistan-Krieg ist keine Reaktion auf den 11. September." Er ist "Teil einer hegemonialen Weltpolitik" und wäre "auch geführt worden, ohne den Anschlag auf das World Trade Center". Das sagt der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski.

Er wird seine Haltung nicht mehr ändern. Genauso wenig wie Laura von Wimmersperg. Sie halten an ihren Überzeugungen fest, wie andere an der Mitgliedschaft im Kegelverein. Offensichtlich sind viele, die sich so sehr für eine Sache engagiert haben, nicht mehr in der Lage, dem Denken eine andere Richtung zu geben. Als Ronald Reagan 1982 in Berlin war, herrschte noch kalter Krieg. 1987, Laura von Wimmersperg organisierte wieder eine Demonstration gegen Ronald Reagen, war der Fall der Mauer nicht absehbar. Damals stand Laura von Wimmersperg der SEW, der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins, nahe. Nach der Wende gründete sie gemeinsam mit alten Kadern der SED 1995 das "Marxistische Forum" in der PDS.

Wer wollte also von Laura von Wimmersperg anderes erwarten. Ihre damaligen Freunde haben sich im Laufe der Jahre zurückgezogen. Von den 350, die Anfang der achtziger Jahre in Wilmersdorf mit ihr angefangen haben, sind heute noch fünf übrig, erzählt sie. Jetzt allerdings, bei der Demonstration in der kommenden Woche, seien viele wieder dabei. Mehrere Seiten lang ist die Liste derer, die den Aufruf der "Achse des Friedens" unterschrieben haben und gegen George W. Bush demonstrieren wollen. Gruppen, von deren Existenz man nichts mehr ahnte. Die Liste liest sich wie ein Almanach der Friedensbewegung aus fast vierzig Jahren. Vom "Hiroshima-Nagasaki-Arbeitskreis Köln" über den "Friedensrat Markgräfler Land" bis "Ostermarschbüro Frankfurt". Die Gewerkschaften sind dabei wie eh und je, linke Gruppierungen, die Jugendorganisationen der Grünen und der SPD. Wie früher, wie in den achtziger Jahren.

Aber vermisst niemand die Zwischentöne? Hat keiner mitbekommen, dass sich die Welt verändert hat seit 1989, seit zum letzten Mal gegen einen amerikanischen "Feind" auf Berlins Straßen zu Felde gezogen wurde? Fällt denn niemandem auf, dass der russische Präsident Putin in Berlin freundlich empfangen wurde - mitten im Tschetschienkrieg? Dass gegen den chinesischen Präsidenten nur die Falun-Gong-Sekte protestierte, obwohl die Feindseligkeiten der Chinesen gegen die Tibeter unübersehbar sind? Und diese merkwürdige Starrköpfigkeit der deutschen Linken, die Amerika als Feind Nummer eins sehen, soll also eine Renaissance erleben? Gerade so als sei der Vietnam-Krieg nicht seit Jahrzehnten beendet, als gebe es keinen internationalen Terrorismus und als verfügten nicht Diktatoren über Massenvernichtungswaffen?

Laura von Wimmersperg stellt fest, dass es nicht mehr die "ganz normalen Leute" sind, wie früher, die "aus der Nachbarschaft". Die jungen Leute, die heute zur Friedensbewegung stoßen, seien schon in "Gruppen" organisiert. Die kämen mit eigenen Vorstellungen.

Wie beispielsweise die Globalisierungskritiker von "Attac". Laura von Wimmersperg ahnt das schon richtig. Für "Attac" ist die Anti-Bush-Demonstration keine Frage des Friedens. Für "Attac" ist die Demonstration schlicht eine Möglichkeit, sich mit ihren Parolen machtvoll auf der Straße zu zeigen.

Philip Hersel, Koordinator von Attac-Deutschland hält sich deshalb auch nicht lange beim Frieden auf. Nur so viel: Der Besuch des Präsidenten sei der "selbstverständlichste Moment" für eine Demonstration. Er kommt dann schnell zu seinem eigentlichen Anliegen, seiner Kritik am "neoliberalen Kurs der rot-grünen Bundesregierung". Er sagt, es wäre falsch, Rot-Grün zu schonen und fordert rasch die Tobin-Steuer, eine Steuer auf Spekulationsgewinne. Dass die Bundesregierung sich damit längst befasst hat und sie im Grundsatz bejaht - diese Kleinigkeit übersieht der "Attac"-Aktivist. Attac wird gegen Bush demonstrieren - und sich dann wieder von den Friedensfreunden abwenden.

Ruben Lehnert, der 23 Jahre alte Student, braucht keine Vordenker. Er hat ein eigenes Anliegen. Ruben Lehnert ist gläubig. Das "Interreligiöse Friedensgebet", Teil der Proteste gegen Bush, ist für ihn das "highlight". Und deshalb ist er auch enttäuscht, dass die Berliner Kirchen die Demonstration nicht unterstützen. Aber die Haltung der Kirchen wird ihm zu denken geben.

Für Ruben Lehnert ist die Demonstration keine Machtprobe. Schon gar nicht eine mit der Polizei. Er will, dass seine erste Demonstration eine große Demonstration wird. Und vor allem eine friedliche. Krawalle wie beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua im vergangenen Jahr seien in Berlin undenkbar, sagt er. Dort habe die Polizei brutal zugeschlagen. "Das würde die Berliner Polizei nie tun." Außer Funktionären der Jungen Union hat wohl noch nie ein 23-Jähriger in Berlin die Polizei so vorbehaltlos gelobt.

Lehnerts Welt ist heute schon weiter als die Welt Laura von Wimmerspergs je sein wird. Er hat sich in Marseille mit Philosophie und Französischer Literatur beschäftigt. Seine Freundin zu dieser Zeit war eine marokkanische Jüdin. Mit ihr ging er nach Amerika. Jetzt studiert er Politik und Volkswirtschaft in Berlin. Er wird womöglich noch viel reisen in seinem Leben. Vielleicht fährt er nach Afghanistan und macht sich ein Bild vom Leben der Menschen. Vielleicht hat er Gelegenheit, in den Kosovo zu reisen und die Argumente der Muslime zu hören. Oder nach Ruanda, wo Hutu und Tutsi sich abschlachteten - und die Welt zusah. Und dann wird aus Ruben Lehnert vielleicht ein Pazifist. Oder ein dauerhafter Aktivist der Friedensbewegung. Einer neuen Friedensbewegung.



Quelle: Net-Zeitung, 18.05.02

"FR" druckt Anzeige der Friedensbewegung nicht

Die "Frankfurter Rundschau" hat nach Angaben der Friedenbewegung den Abdruck einer Anzeige verweigert, die zu Demonstrationen gegen US-Präsident Bush aufrufen sollte.

"Wir wollen ihre Kriege nicht, Herr Präsident!" stand über dem Entwurf einer Anzeige, deren Abdruck die "Frankfurter Rundschau" am Donnerstag abgelehnt haben soll. Die Verleger hätten der Zeitung des Abdruck der "von rund 400 Einzelpersonen und Friedensorganisationen" unterschriebenen und bezahlten Anzeige untersagt. Das teilte der Sprecher der Organisation "Bundesausschuss Friedensratschlag", Peter Strutynski, am Freitag mit.

Im Internet scheuen die Veranstalter und Unterstützer der Demonstration nicht die Verbindung - über Links - zu "autonomen" Gruppen, die offen zu Gewalt aufrufen. Zu den Unterstützern zählen die linksradikale DKP und Teile der PDS. Die Berliner Polizei rechnet mit schweren Ausschreitungen im Umfeld des Bush-Besuchs.

Demonstrationen gegen Bush-Besuch

Die Anzeige sollte zu Demonstrationen gegen US-Präsident George W. Bush am Mittwoch, dem 22. Mai aufrufen. Bei Chefredaktion und Verlagsleitung der Zeitung war am Freitagnachmittag keine Stellungnahme mehr zu erhalten. Aus dem Verlagshaus hieß es aber, der Abdruck einer Anzeige sei tatsächlich abgelehnt worden. (nz)



Quelle: FR, lokalteil, 18.05.02

Friedensbewegung ruft zu Demonstrationen auf

Aus Anlass des Deutschland-Besuchs von US-Präsident George W. Bush am 22. und 23. Mai ruft die Friedensbewegung zu Kundgebungen auf, um gegen den "Krieg gegen den Terrorismus" und den Bundeswehreinsatz zu protestieren. "Statt ,uneingeschränkter Solidarität` mit der US-Kriegspolitik muss die Bundesregierung zur Deeskalation beitragen", heißt es in dem Aufruf. In Frankfurt ist für Mittwoch, 22. Mai, 16.30 Uhr, eine Demonstration an der Bockenheimer Warte und um 18 Uhr eine Kundgebung auf dem Römerberg vorgesehen. Dort werden der Vorsitzende des DGB-Landesbezirks Hessen-Thüringen, Stefan Körzell, Professor Ulrich Gottstein von der Organisation Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), die stellvertretende Stadtschulsprecherin Lena Brause und Pater Gregor Böckermann von den Ordensleuten für den Frieden reden. Zur bundesweiten Demonstration in Berlin am Dienstag, 21. Mai, werden Busse um 7.30 Uhr vom Gewerkschaftshaus, Wilhelm-Leuschner-Straße 69-77, starten. ft

Nähere Informationen im Büro der Friedens- und Zukunftswerkstatt, Telefon 069/24 24 99 50, E-Mail:
frieden-und-zukunft@t-online.de



Quelle: FR, 18.05.02

Leider keine Friedensdemo

Die Gratwanderung der PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner zwischen Überzeugung und Amt

Von Pitt von Bebenburg

Als es vorbei ist, braucht Heidi Knake-Werner erst mal ein Mineralwasser und einen Milchkaffee. Das liegt wohl nicht nur an der trockenen Luft im Berliner Abgeordnetenhaus, wo die Sozialsenatorin in dieser Woche im Zentrum der Kritik stand. Inzwischen sagt Knake-Werner auf die Frage, ob ihr der Job noch Spaß mache, nur: "begrenzt". Seit gerade vier Monaten ist sie mit dem gesamten rot-roten Senat im Amt.

Heidi Knake-Werner, PDS-Politikerin mit Wurzeln in der westdeutschen Friedensbewegung, hätte am kommenden Dienstag gern gegen die US-Politik demonstriert, aber sie kann "leider" nicht kommen. Vor dem Parlament schilderte die Senatorin ihre Gratwanderung. Sie unterstütze die Kritik "an einer mit Krieg und Kriegsdrohung einhergehenden Außenpolitik der US-Regierung". Aber in der einst geteilten Stadt müsse sie das besondere Verhältnis zu den USA berücksichtigen, zumal "als Mitglied des Gesamtberliner Senats". Also müssen die Leute aus ihrer Partei, die Gewerkschafter, Globalisierungskritiker und anderen Friedensbewegten ohne sie marschieren. Die Organisatoren der Demonstration halten sich mit Kritik an dieser Entscheidung zurück. "Die im Geiste dabei sind, helfen auch mit", sagt Rainer Braun augenzwinkernd.

Die PDS ruft machtvoll zur Friedensdemonstration auf. Aber die drei PDS-Senatoren aus der Bundeshauptstadt gehen nicht hin. Weil sie nicht wollen oder nicht wollen dürfen, wie auch immer. Heidi Knake-Werner ist zum Inbegriff dieses Dilemmas geworden; denn als einziges Senatsmitglied hatte sie sich so weit vorgewagt, bereits ihre Demonstrationsteilnahme anzukündigen. Daraus wird nun nichts.

Die blonde Frau, die gern eine rote Lederjacke oder eine rote Tasche trägt, ist längst ein rotes Tuch für die Opposition von CDU und FDP geworden. Erstens, weil die PDS-Regierungsbeteiligung dort sowieso auf Unmut stößt. Zweitens, weil die West-Frau Knake-Werner einst in der DKP war. Und drittens wegen der Bush-Demonstration. Dass sie nun nicht hingeht, vermag die rechte Seite des Parlaments aber auch nicht zu beruhigen.

Die eigenen Reihen erst recht nicht. Die Leserbriefspalten im PDS-nahen Neuen Deutschland füllen sich mit Verärgerung über eine Abkehr von sozialistischen Grundsätzen. Die PDS-Bundestagsfraktion, der Knake-Werner bis zum Januar als parlamentarische Geschäftsführerin angehörte, marschiert mit. Als Abgeordnete wäre sie wohl dabei gewesen, als Senatorin ist sie es nicht. Knake-Werner hat die Sache "bis an den Küchentisch diskutiert": Ihr Mann Harald Werner, einst ebenfalls in SPD und DKP, sitzt heute im Bundesvorstand der PDS, der zur Demonstration aufruft. Auch an die Skeptiker von dieser Seite hat die Senatorin einige Sätze in ihre Erklärung vor dem Parlament eingebaut. Sie lasse es nicht zu, "meine politische Haltung lediglich an der Teilnahme an einer Demonstration zu messen", lautet einer. Und ein anderer: "Politik ist keine Mutprobe."

Knake-Werner nennt sich selbst einen "harmoniesüchtigen Menschen". Sie meint das ernst, aber sie kokettiert auch damit. Die 59-jährige Frau weiß schließlich nicht erst, seit sie Senatorin ist, dass Politik nicht viel mit Harmonie zu tun hat. Das hat sie bereits früher erfahren, in der SPD zum Beispiel. Aus der trat sie 1981 aus, weil sie wegen des gemeinsamen Engagements mit Kommunisten für die Friedensbewegung gedeckelt wurde. So hatte sie schon einmal auf die Teilnahme an einer Friedensdemonstration verzichten müssen, weil der SPD-Bezirk sein damaliges Vorstandsmitglied aus Oldenburg dazu drängte. Anfang der 80er Jahre war das, gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss ging es damals. Ein bisschen fühlt sie sich heute in ihrem Dilemma zwischen Überzeugung und Institution so wie damals. "Das Unbehagen bleibt", sagt Knake-Werner, "weil ich finde, man muss über so was selber entscheiden."

Diesmal war es der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, wieder ein Sozialdemokrat, der die PDS-Frau zurückpfiff. Öffentlich verkündete er nach einer Senatssitzung, alle Regierungsmitglieder hätten zugesagt, nicht zu demonstrieren. Die Sozialsenatorin widerspricht dem. "Ich entscheide selbst", betonte sie vor den Abgeordneten, "und habe mich weder verpflichtet, dieser Demonstration fern zu bleiben, noch wollte ich mich zur Teilnahme verpflichten lassen." Manche Senatsinsider meinen, es hätte sie den Job gekostet, wenn sie sich für die Demonstrationsteilnahme entschieden hätte. Auch Knake-Werner hält das nicht für ausgeschlossen. Sie könne "nicht beurteilen, wie so was hier funktioniert", sagt sie, zumal in dieser "von der rechten Opposition aufgeheizten Diskussion".

Das "besondere Verhältnis des ehemals geteilten Berlin zu den USA" gilt jetzt auch für das Senatsmitglied Knake-Werner. Das ist neu für die Frau, die sich eher nach Moskau orientiert hat, seit sie 1987 für ein Jahr von der DKP zum "Grundlagenstudium" an die Akademie der KPdSU geschickt wurde und Michail Gorbatschows Öffnungspolitik miterlebte. Aber ein besonderes Verhältnis zu Amerika? "Nö", sagt Knake-Werner knapp. 1996 war sie erstmals dort, mit dem Sozialausschuss des Bundestags.

Die Diplomsozialwirtin ist, wie sie sagt, "politisch sozialisiert worden zur Zeit des Vietnamkriegs". Sie war gegen den Krieg, aber als antiamerikanisch hat sie sich dennoch nicht empfunden. Was ist das überhaupt, Antiamerikanismus? "Wenn amerikanisch ist, dass man für die Todesstrafe ist, auch für Jugendliche, dass man dem Kyoto-Protokoll nicht zustimmt, dann bin ich antiamerikanisch", meint Knake-Werner provokativ. Genauso gut könne man sie aber proamerikanisch nennen, "wenn man findet, dass Amerika mit seinem Kampf für die Freiheits- und Bürgerrechte verbunden ist".

George W. Bush kommt, und Rot-Rot hat seinen Konflikt. Überraschen kann das kaum. Die ablehnende Haltung der PDS zu Kriegseinsätzen und zur "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA war allen bewusst. Gerade im Berliner Landtagswahlkampf hatte die Partei mit Friedenstauben kräftig gepunktet - es war die Zeit des Afghanistan-Kriegs. "In der Beurteilung von Militäreinsätzen trennen uns Welten", sagt Knake-Werner über die Koalitionspartner SPD und PDS. Ein Bündnis für Berlin hat das dennoch nicht verhindert. Der Bush-Besuch bringt das Thema nun aufs landespolitische Tapet, "in einer Weise, die ich auch unterschätzt habe", wie die Sozialsenatorin bekennt. Und nimmt einen Schluck vom Milchkaffee.



Quelle: Westfalen Post, 18.05.02

Größter Polizeieinsatz bei Bushs Berlin-Besuch US-Präsident im Reichstag / Demonstrationen

Berlin. (jf) US-Präsident George W. Bush wird in der kommenden Woche zum ersten Mal in seiner Amtszeit Deutschland besuchen. Bush wird am Mittwoch in Berlin erwartet. Am Donnerstag hält er nach einem Antrittsbesuch bei Bundespräsident Rau im Schloss Bellevue und einem Treffen mit Bundeskanzler Schröder im Kanzleramt eine Rede im Reichstag. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen, der Kampf gegen den weltweiten Terrorismus und die Krise im Nahen Osten sind Hauptthemen während des zweitägigen Aufenthalts.

Dieser wird gekennzeichnet sein vom weitaus größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Hauptstadt. Die Polizei setzt 10 000 Beamte in Berlin ein, um den amerikanischen Präsidenten zu schützen. Grund für dieses enorme Aufgebot, das sich aus Polizeikontingenten aus dem gesamten Bundesgebiet zusammensetzt, ist eine Welle angekündigter Proteste gegen die US-Politik.

Bereits am Dienstag ist eine Großdemonstration des Bündnisses "Achse des Friedens" geplant, das sich aus mehr als hundert Gruppen der Friedensbewegung, Globalisierungsgegnern, Menschenrechtlern und der PDS zusammensetzt. Auch die Grünen wollen am selben Tag bei einer eigenen Kundgebung für "Frieden und globale Gerechtigkeit" demonstrieren. Dabei wird neben ausländischen Gästen Grünen-Chefin Claudia Roth reden.

Am Mittwoch sollen eine weitere Demonstration in Berlin und Protestaktionen im gesamten Bundesgebiet stattfinden. Am Donnerstag, Bushs Hauptbesuchstag, dürfte es in Berlin erneut zu Demonstrationen kommen. Die Polizei rechnet insgesamt mit zehntausenden Teilnehmnern und stellt sich auf massive Krawalle ein, vergleichbar mit denen beim G8-Gipfel in Genua. Das Motto der Polizeitaktik lautet: Null Toleranz gegenüber gewaltbereiten Demonstranten.



Quelle: FAZ-net, 18.05.02

Bush-Besuch

Angst vor einem Berliner Genua

Knapp eine Woche vor dem Besuch des amerikanischen Präsident George W. Bush in Berlin laufen die Vorbereitungen sowohl bei der Polizei als auch bei Demonstrationsveranstaltern auf Hochtouren. Für den Besuch herrscht die höchste Sicherheitsstufe, der Regierungsbezirk wird zur Sperrzone, Niederlassungen von US-Firmen sollen streng gesichert werden. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kündigte ein hartes Vorgehen der Polizei gegen Krawalle an. Im Berliner Abgeordnetenhaus entbrannte unterdessen ein hitziger Streit um die Haltung des rot-roten Senats zu den Protesten.

Die Opposition aus CDU und FDP forderte ein Machtwort zur Beteiligung von Senatsmitgliedern an den Kundgebungen. Die CDU erklärte, der Senat distanziere sich nicht ausreichend von den geplanten Kundgebungen. Wowereit wies die Vorwürfe zurück und warf der Opposition vor, mit ihrer unsachlichen Sichtweise dem Ansehen Berlins zu schaden. Gleichzeitig versicherte er, die Berliner stünden in Freundschaft zu den USA. Die Fraktionen von SPD, PDS und Grünen brachten daraufhin eine Resolution ein, mit der sie Bush willkommen heißen. Die PDS-Sozialsenatorin Heide Knake-Werner erklärte, sie werde nicht an der Demonstration teilnehmen.

Fischer: PDS wirft alles durcheinander

Der PDS-Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke sagte unterdessen, er "unterstütze es aktiv", wenn friedlich und demokratisch gegen die amerikanische Außenpolitik demonstriert werde. Zugleich appellierte Gehrcke an die Demonstranten, wer gegen Gewalt sei, müsse auch selbst gewaltfrei protestieren. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warf der PDS vor: "Alles Böse wird bei den USA angesiedelt." Die Partei werfe "alles durcheinander".

Während der Berliner Grünen-Landesverband zu der Demonstration aufrief, beließ es der Grünen-Bundesvorstand bei einer Erklärung. Er veröffentlichte am Donnerstag ein Papier, in dem er die amerikanische Rüstungs-, Klimaschutz-, Menschenrechts- und Irakpolitik ausführlich kritisiert. Trotz der Solidarität mit den USA nach den Terroranschlägen des 11. September hätten die Grünen "gegenüber der Entwicklung der Politik der US-Administration in den letzten Monaten erhebliche und wachsende Kritik", heißt es.

10.000 Beamte im Einsatz

Bei dem bisher größten Polizeieinsatz für einen Staatsbesuch in der Stadt sollen 10.000 Beamte aus ganz Deutschland den Staatsgast schützen und die Protestierer im Zaum halten. Die Hälfte der eingesetzten Beamten kommt aus anderen Bundesländern.

Bereits vor dem Besuch werden zur ersten Demonstration am kommenden Dienstag Zehntausende Menschen auch aus anderen Bundesländern erwartet. Bush wird am Abend des 22. Mai in der Hauptstadt erwartet und soll am 23. Mai vor dem Bundestag sprechen. Auch für diese Tage sind Demonstrationen geplant. Zur bisher einzigen Kundgebung für Bush rief die Junge Union Berlin auf.

Das bundesweite Bündnis "Achse des Friedens", das für den 21. und 22. Mai unter dem Motto "Wir wollen ihre Kriege nicht, Herr Präsident!" zu Demonstrationen aufruft, will einen friedlichen Protest organisieren. Dazu zählen 130 Organisationen, darunter die PDS und der grüne Landesverband sowie Gruppen der Friedensbewegung, die Globalisierungskritiker Attac, religiös engagierte Organisationen und ver.di Berlin. Die Diskussion um Gewalt im Vorfeld wurde als "Ablenkungsmanöver" kritisiert. "Es wird kein Berliner Genua geben", sagte ein Initiator.



Quelle: SZ, 18.05.02

"Es geht nicht um Feindbilder"

Sven Giegold von attac über Bush und die Demonstrationen

Wenn US-Präsident Bush nächste Woche Berlin besucht, wollen Zehntausende von Globalisierungskritikern von attac demonstrieren. Sven Giegold, 32, gehört zu den Köpfen von attac Deutschland. Der Wirtschaftswissenschaftler fordert aktiven, aber friedlichen Widerstand gegen die Dominanz der Weltwirtschaft durch die USA. Mit ihm sprach Constanze von Bullion.

SZ: Herr Giegold, wieso will attac ganze Busladungen von Demonstranten zu Herrn Bush bringen. Ist er an der Ungerechtigkeit der Globalisierung schuld?

Sven Giegold: Es geht nicht um Bush als Person, sondern um die massiven Probleme, die sich durch die weltweite wirtschaftliche Integration ergeben. Überall dort, wo gemeinschaftliche Lösungen dafür gesucht werden, gibt es große Probleme mit den USA. Das wird aber tabuisiert, das darf man nicht sagen in Deutschland.

SZ: Was meinen Sie konkret?

Giegold: Ich meine zum Beispiel den Internationalen Strafgerichtshof, eine wichtige Regulierungsmaßnahme, bei der die USA nicht mitmachen. Globalisierung ist aber auch mitverantwortlich dafür, dass wir immer größeren Energieverbrauch haben. Die ohnehin unzureichende Regulierung dafür, das Kyoto-Protokoll, wird von den USA nicht unterschrieben. Proliferation von Waffen zu unterbinden, das Kleinwaffenabkommen zu unterzeichnen, all` das verweigern die USA. Die Liste ist noch länger: Beim Thema Steuerflucht haben die USA den entscheidenden Durchbruch verhindert.

SZ: Die USA haben es eben nicht nötig, sich von anderen Staaten reinreden zu lassen.

Giegold: Na klar, wenn ich der größte Player bin im Weltsystem, habe ich größtes Interesse, Verhandlungen bilateral zu führen, aber nicht multilateral. Kleinere Partner und Einzelverhandlungen, das macht weniger Probleme.

SZ: Können Demonstrationen daran etwas ändern?

Giegold: Das glaube ich schon, weil die USA unter moralischen Druck geraten. Es ist die Aufgabe der Weltzivilgesellschaft, dafür zu sorgen, dass der Druck auf die USA steigt.

SZ: Feindbild USA, das ist nicht neu.

Giegold: Es geht überhaupt nicht um Feindbilder. Wir haben ganz viele Freunde in den USA, das hat man ja bei den Protesten 1999 in Seattle gesehen. Es gibt sehr viele Menschen in den USA, die unsere Positionen teilen. Da geht es nicht um Pro oder Contra Amerika, sondern um die US-Politik, die faire Lösungen verhindert, wo man hinschaut. Ein weiteres Beispiel: Entwicklungsfinanzierung. Es gab die große Konferenz in Mexiko, in dem Vorbereitungspapier standen sehr guten Sachen zur Besteuerung globaler Umweltgüter, wie Luft und Meere, die übernutzt werden, sowie zur Tobin-Steuer. Dies alles ist auf Druck der USA herausgestrichen worden.

SZ: Das lag aber auch im Interesse kleiner europäischen Länder.

Giegold: Ja, die Europäische Union ist in vielen Politikfeldern auch nicht viel besser. Aber bei den entscheidenden Punkten haben immer die USA blockiert - und die Deutschen sind die letzten, die sich trauen, das zu kritisieren.

SZ :Warum?

Giegold: Ich glaube, es liegt daran, dass wir den USA durch die Befreiung vom Faschismus viel verdanken. Das gilt für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung nach dem Krieg. Deutschland ist da sehr, sehr vorsichtig, und unserer Meinung nach ist das falsch. Wenn wir im Zeitalter der Globalisierung keine Regulierung entwickeln, treiben wir die Opfer dieses Prozesses in die Arme von fragwürdigen rechten Parteien. Das muss offen aussprechbar sein.

SZ: Auch rechte Parteien springen auf Ihren Zug auf, sie wollen in Berlin für nationale Anliegen demonstrieren.

Giegold: In der Demo, die wir organisieren, sind rechtsextreme Gruppen nicht vertreten. Deutschland den Deutschen und Dänemark den Dänen, das lehnen wir ab. Wogegen wir nichts haben, ist, dass auf der nationalen Ebene die Gestaltungsspielräume für soziale Gerechtigkeit und für Ökologie genutzt werden, die immer noch erheblich sind. Dafür demonstrieren in Berlin auch Gewerkschafter und Kirchen, Friedensinitiativen und linksradikale Gruppen. Das ist eine ganz breite Koalition.

SZ: Sie haben die Kollegen Krawallmacher vergessen.

Giegold: Keine Ahnung, was sie vorhaben. Ich kann nur ganz klar sagen, attac arbeitet friedlich. Dabei wird es auch bleiben. In der Tat können wir nicht verhindern, wenn andere Leute dort hingehen, und im Zweifelsfall haben wir keine Kontrolle darüber.

SZ: Sie wehren sich aber auch nicht gegen Randalierer und lassen sie in ihren Bussen mitfahren.

Giegold: Das habe ich bisher noch nicht erlebt. Die Leute aus der militanten Szene melden sich weder bei uns an, noch lassen die sich gerne in unserem Computer für die Mitfahrbörsen erfassen. Die wollen nichts mit uns zu tun haben. In gewissen Kreisen ist attac regelrecht ein Schimpfwort.



Quelle: taz, 18.05.02

"Bush mobilisiert"

Der wahre Globalisierungsgegner ist George W. Bush, meint Attac-Sprecher Felix Kolb. Der Protest gegen Bush bringt Zulauf, aber auch neue Probleme

Interview LUKAS WALLRAFF

taz: Auf den Attac-Plakaten steht: "Achtung! Bush kommt!" Denken Sie nicht in Wirklichkeit "Juhu! Bush kommt!"?

Felix Kolb: Natürlich mobilisiert Bush wie kein anderer. Aber dass wir uns über seinen Besuch freuen, wäre zu viel gesagt. Wir wollen deutlich machen, dass Bush zu den gefährlichsten Männern auf dieser Welt gehört.

taz: Mit welchen Argumenten? Warum man gegen Bush demonstrieren soll, geht aus dem Plakat mit keinem Wort hervor.

Felix Kolb: Nun ja, das war sicher nicht genial. Aber unsere inhaltliche Kritik werden wir nächste Woche sehr klar vorbringen. Wir werden zeigen, dass George W. Bush der wahre Globalisierungsgegner ist.

taz: Das müssen Sie erklären.

Felix Kolb: Aber gerne. Bei Klimaschutz, Strafgerichtshof, Kinderrechten, Friedenspolitik, Reformen von WTO und Währungsfonds: in all diesen Bereichen ist Bush ein ganz entschiedener Gegner jeder Form einer politischen Globalisierung, die seine Macht und Handlungsfreiheit einschränkt.

taz: Zu den Demos kommen auch Leute mit anderen Motiven. Wie wollen Sie sich von rechten, islamistischen und gewalttätigen Bush-Gegnern abgrenzen?

Felix Kolb: Es kann nicht Aufgabe von Attac sein, das Demonstrationsrecht anderer zu beschränken. Wir werden diesen Gruppen aber keine Plattform bieten. Ein Problem ist, dass SPD und PDS unter Druck stehen, zu beweisen, dass die Polizei unter Rot-Rot genauso hart zuschlagen kann, in diesem Fall merkwürdigerweise vielleicht gegen die eigenen Leute.

taz: Herr Kolb, ist die neue Prominenz nicht auch ein Problem für Attac, weil Sie für jeden Protest zuständig erklärt werden?

Felix Kolb: Ja. Es gibt noch keine einheitliche Meinung, wie wir damit umgehen sollen. Meiner Ansicht nach sollten wir uns weiter auf die Globalisierungskritik konzentrieren. Attac darf kein linker Gemischtwarenladen werden.

taz: Ein Berliner Attac-Sprecher sagte diese Woche, Attac stehe "links von Rot-Grün und links von der PDS". Ist das Konsens?

Felix Kolb: Nein. Ich denke, dass wir uns in so einem groben parteipolitischen Schema überhaupt nicht positionieren sollten. Wir sind keine Partei, wir vertreten keine einheitliche umfassende Weltanschauung. Unser breites Bündnis eint nur die Zustimmung zu unseren Kernforderungen.

taz: Der Erfolg von Attac zieht aber immer mehr Leute aus dezidiert linken Gruppen an .

Felix Kolb: das gehört zum offenen, pluralen Charakter von Attac. Ich will diesen Gruppen keine böse Absicht unterstellen. Aber ich sehe das Problem, dass ihr Auftreten den Effekt haben kann, dass die Leute, die wir genauso ansprechen wollen, abgeschreckt und vertrieben werden.

taz: Wirklich? Inzwischen fordert doch sogar der Kanzler eine gerechtere Globalisierung.

Felix Kolb: Das ist der Versuch der Neutralisierung. Indem sie rhetorisch unsere Forderungen aufnimmt, versucht die SPD den Eindruck zu vermitteln, man müsse nicht mehr bei Attac mitmachen. Unsere Aufgabe ist es, auf die Kluft hinzuweisen zwischen den Sonntagsreden und dem, was SPD und Grüne wirklich tun.

taz: Gibt es vor der Wahl ein Plakat "Achtung, Schröder!"?

Felix Kolb: Nein, wir halten uns aus dem Parteienwahlkampf heraus. Wir vertrauen darauf, dass die Leute, die Attac kennen, selbst in der Lage sind, zu entscheiden, ob und wen sie wählen wollen.



Quelle: Berlin Zeitung, 18.05.02, 14:51 Uhr

Schröder droht Gewalttätern bei Bush-Visite mit hartem Eingreifen

Berlin (dpa) - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat möglichen Gewalttätern bei der bevorstehenden Visite von US-Präsident George W. Bush ein hartes Eingreifen der Polizei angekündigt. "Wer Demonstrationsfreiheit mit Randale verwechselt, wird auf den entschiedenen und sehr harten Widerstand der Polizei treffen", sagte Schröder der "Welt am Sonntag".

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte in einem dpa- Gespräch an: "Wir werden einen Schleier von Polizei über der Stadt haben." Bush wird am Mittwoch zu einem knapp 24-stündigen Besuch in Berlin erwartet.

Zu seinem persönlichen Verhältnis zum US-Präsidenten sagt Schröder: "Der amerikanische Präsident ist ein guter Freund Deutschlands und auch deshalb hoch willkommen. Meine Beziehungen zu George W. Bush sind gut. Wir haben so viele gemeinsame Interessen und wir stehen für gemeinsame Werte, dass dahinter gelegentliche Meinungsunterschiede zurückstehen und nicht ins Gewicht fallen."

Auch Bundespräsident Johannes Rau hieß Bush willkommen. "Die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland verbindet eine enge Freundschaft - wir teilen gleiche Werte, uns vereint der Einsatz für die Demokratie", sagte Rau der "Welt am Sonntag". Er wünsche sich, "dass Präsident Bush bei seinem Besuch in Deutschland spürt, wie eng die Verbundenheit unserer Völker ist. Daran sollen auch Demonstrationen nichts ändern, die selbstverständlicher Teil der demokratischen Kultur in unseren Ländern sind."

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) nannte Kritik einen "Teil der Demokratie". "Es wird sicher kritische Meinungsäußerungen geben, friedliche Demonstrationen gehören zu einer offenen Gesellschaft", sagte Fischer dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Fischer äußerte sich auch über sein persönliches Verhältnis zu den USA. "Mein Bild von Amerika bleibt widersprüchlich, aber das Positive überwiegt eindeutig."

Innensenator Körting sagte der dpa: "Gefahren für unseren Gast sehe ich nicht." Allerdings gebe es Hinweise im Internet, die auf dezentrale Aktionen militanter Gruppen schließen ließen. Erwartet wird mit rund 10 000 Beamten der größte Polizeieinsatz in der Geschichte Berlins. Es sei zu befürchten, dass angemeldete Demonstrationen gegen die US-Politik von Gewaltbereiten missbraucht würden, sagte Körting. Auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sagte in der "Bild am Sonntag", es müsse mit Krawallen gerechnet werden. "Die Polizei wird jedoch alles daran setzen, Gewalttaten zu unterbinden." Körting sprach von der "Hoffnung, dass Berlin ein gutes Bild abgeben wird".

Bush wird am Abend des 22. Mai zum Arbeitsbesuch erwartet. Am Donnerstag reist der US-Präsident in Richtung Moskau weiter. In Berlin will er während einer etwa 20-minütige Rede vor dem Bundestag die Bedeutung der transatlantischen Zusammenarbeit betonten. Bush wird unter anderem mit Bundespräsident Rau, Kanzler Schröder und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zusammenkommen.

Die zur "Achse des Friedens" zusammengeschlossenen mehr als 200 Gruppen und Organisationen haben für Dienstag zu einer Demonstration gegen die auf militärische Aktionen zur Terrorismusbekämpfung setzende Außenpolitik Bushs aufgerufen.



Quelle: ap, 18. Mai 2002, 22:02 Uhr

Scharfe Debatte um Proteste gegen Bush-Besuch - Zweite Zusammenfassung

Berlin (AP) Vor dem Besuch von US-Präsident George W. Bush in Berlin hat sich die politische Debatte um die Haltung zu anti-amerikanischen Protesten zugespitzt. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder Randalierern mit massivem Widerstand der Polizei androhte, übten Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber sowie SPD-Bundestagsabgeordnete heftige Kritik an den Organisatoren der Protestdemonstrationen.

Schröder sagte in der "Welt am Sonntag", dass diejenigen, die Demonstrationsfreiheit mit Randale verwechselten auf sehr harten Widerstand der Polizei treffen würden. Er nannte Bush einen guten Freund Deutschlands, der deshalb hoch willkommen sei. Der Kanzler verwies auf die gemeinsamen Interessen und Werte mit Bush, und "dass dahinter gelegentliche Meinungsunterschiede zurückstehen und nicht ins Gewicht fallen".

Besorgt über mögliche Gewalt während des Bush-Besuchs äußerte sich auch der SPD-Außenexperte Hans-Ulrich Klose. Er könne leider nicht ausschließen, dass es zu gewalttätigen Zusammenstößen wie beim G-8-Gipfel in Genua kommen werde, sagte Klose dem "Tagesspiegel". Eine solche übertriebene Kritik an den USA sei angesichts der deutschen Nachkriegsgeschichte in hohem Maße "geschichtsvergessen, undankbar und dumm."

Stoiber sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", es sei beschämend, dass Abgeordnete der SPD, der Grünen und der PDS an den Protesten gegen Bush teilnehmen wollten. Dafür trage letztlich der Bundeskanzler die Verantwortung. Schröder habe nicht einmal versucht, diesen Affront zu verhindern. Es sei schlimm für Deutschlands Ansehen in Amerika, wenn der Bundeskanzler im Parlament den US-Präsident empfange und draußen randalierten Koalitionspartner, sagte Stoiber der "FAS".

Außenminister Joschka Fischer sprach sich auf einem Kongress der europäischen Grünen in Berlin unter dem Protest einiger Delegierter gegen Demonstrationen aus. Zuvor hatte der französische grüne Europa-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit zu Demonstrationen gegen Bush aufgerufen. Stoiber kritisierte, dass Fischer in der für Deutschland existenziellen Frage des deutsch-amerikanischen Verhältnisses seine Partei nicht hinter sich habe.

SPD-Fraktionschef Peter Struck kündigte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" einen "sehr freundlichen" Empfang für Bush in Berlin an. Die von der PDS geplanten Proteste gegen Bush bestärkten ihn darin, auf Bundesebene eine Koalition mit den SED-Nachfolgern auszuschließen. Der SPD-Politiker Karsten Voigt warf der PDS in der "FAS" eine fortgesetzt antiamerikanische Grundhaltung vor. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, bezeichnete die Teilnahme von Politikern an den Anti-Bush-Demonstrationen als "vollkommen deplatziert".

Die PDS verteidigte dagegen ihre Teilnahme an der Protestkundgebung gegen den Bush-Besuch. "Meinungsäußerungen gibt es nicht nur im Parlament, sondern sie finden auch auf der Straße statt", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Peter Porsch der AP. Bei der am Dienstag geplanten Demonstration gehe es darum, dass Bush die Terroranschläge des 11. September dazu nutze, seine globalen und machtpolitischen Zielstellungen umzusetzen. Bush wird am Mittwoch zu einem eintägigen Besuch in Berlin erwartet.



Quelle: dpa 18. Mai 2002, 20.53 Uhr

Außenminister Fischer distanziert sich von Demonstration gegen Bush

Berlin (dpa) - Außenminister Joschka Fischer hat sich indirekt von der Teilnahme Grüner Politiker an Demonstrationen gegen die US- Regierungspolitik distanziert. Er sei anderer Meinung in der Frage, ob man gegen Bush demonstrieren soll, sagte er bei Kongress der Grünen Parteien Europas in Berlin. Unterdessen hat US-Außenminister Colin Powell unmittelbar vor dem Europabesuch von Präsident George W. Bush "Amerikafeindlichkeit" in Europa beklagt. Bush wird am kommenden Mittwoch in Berlin erwartet.

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