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 Echo/Presse

(kleiner)Pressespiegel: "gelöbnix 6", 21.07.02 Berlin

div. Tageszeitungen

taz: Trotzige Routine auf dem Gelöbnix

ND: Bundeswehrgelöbnis: Gegenaufführung auf Balkon misslang

jW: Auf Distanz gehalten. Proteste gegen das Bundeswehrgelöbnis im Berliner Bendlerblock.



Quelle: Taz 22.07.02 Berliner Lokalausgabe

Trotzige Routine auf dem Gelöbnix

Im Jahr eins nach dem 11. September beteiligen sich etwa 500 Militärgegner an der Demonstration gegen das Rekrutengelöbnis der Bundeswehr im Bendlerblock. Zuvor hatte die Polizei eine "kreative Störaktion" vereitelt

Auch Protest kann zur Routine werden: Zum sechsten Mal hatte die Vereinigung "Gelöbnix" am Samstag zur Demonstration gegen das "öffentliche" Rekrutengelöbnis im Bendlerblock aufgerufen. Es war die erste "Gelöbnix"-Demo nach dem 11. September, seit dem Afghanistankrieg und dem amerikanischen "Feldzug gegen das Böse". Und es war eine Demo, der man all das nicht anmerkte.

Unter dem Deckmantel von "Gelöbnix" verbargen sich die üblichen Verdächtigen. Kampagne gegen Wehrpflicht, Jusos, Attac, DKP, Jungdemokraten, Antifa etc. - insgesamt 40 Organisationen. Im vergangenen Jahr hatten die so genannten Scharping-Töchter, 1999 noch die "Nackten" bundesweit für Schlagzeilen gesorgt - die Messlatte lag also hoch. Eine "kreative Störaktion" war auch dieses Jahr wieder geplant - wenn da nicht der "Sicherheitswahn der Berliner Polizei" gewesen wäre, so Ralf Siemens von der "Kampagne gegen Wehrpflicht".

Seit Donnerstag hatten sich acht Jungdemokraten im Keller der ehemaligen griechischen Botschaft gegenüber dem Bendlerblock versteckt. 72 Stunden durchhalten, dann wollten sie hinauf in den dritten Stock und von dort aus mit Plakaten und Sirenen das Gelöbnis stören. Fast hätte es geklappt, berichtet Tobias Pforte, stellvertretender Landesvorsitzender der Jusos. Am Samstagvormittag habe die Polizei das Haus kontrolliert - mit Ausnahme des Kellers. Die Polizei habe das Haus bereits wieder verlassen wollen, als den Beamten im Obergeschoss versteckte Plakate aufgefallen seien. "Dann sind sie doch in den Keller", so Pforte. Die acht Jungdemokraten wurden vorübergehend festgenommen, sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Alle Hoffnungen, das Gelöbnis zu stören, lasteten somit auf den Schultern der Demonstranten. Es kamen "weniger, als wir erwartet haben", gestand Susanne Braun, Sprecherin der Jungdemokraten, ein. "Gut 500", zählte Organisator Ralf Siemens.

Auf dem Marsch vom Bahnhof Friedrichstraße über den Potsdamer Platz zum Reichpietschufer hallten Parolen wie: "Polen soll bis Frankreich reichen" und "Alle Soldaten an die Front, auf dass keiner wiederkommt". Die Jungdemokratin Braun bezeichnete das Bundeswehr-Gelöbnis in einer Rede als "Gleichschaltung des Einzelnen" und kam zum Fazit: "Das einzig Richtige ist Kriegsdienst verweigern." Am Reichpietschufer, 300 Meter vom Gelöbnisort entfernt, war dann an der Mauer von 12 Polizeimannschaftsbussen Endstation für den Protestzug. Um 18.30 Uhr erreichte das Pfeifkonzert in Richtung Bendlerblock seinen Höhepunkt. Chinaböller flogen, Sirenen heulten. Doch dabei blieb es: Einzelne versuchten zwar, Steine aus dem Gehweg zu holen, wurden jedoch von Mitdemonstranten gestoppt.

Berliner Bürger blieben am Wegesrand bestenfalls Beobachter. "Guckt doch nicht so verschreckt", schallte es den Neugierigen entgegen, "kommt mit!" Aber die Passanten blieben stehen. Und so klangen die letzten per Lautsprecher verkündeten Demoworte fast etwas trotzig. "Nächstes Jahr kommen wir wieder!" WOLF VON DEWITZ

taz Berlin lokal Nr. 6806 vom 22.7.2002, Seite 21, 103 Zeilen (TAZ-Bericht), WOLF VON DEWITZ



Quelle: Neues Deutschland, 22.07.02

Bundeswehrgelöbnis: Gegenaufführung auf Balkon misslang

1.500 Demonstranten marschierten friedlich gegen das neuerliche Rekrutenschauspiel in Berlin

Von Velten Schäfer

Am Samstagabend war es in Berlin wieder soweit. Unter Anwesenheit des Bundeskanzlers konnten 500 Rekruten ihren ersten Ernstfall bestehen: das öffentliche Gelöbnis - symbolträchtig und seit Jahren heftig umstritten.

Wie groß ist die Gefahr, die von einem Megafon mit Sirenenverstärkung ausgeht? Darf dem Bundesadler auf einem Plakat mit einer Schere zu Leibe gerückt werden? Was heißt eigentlich "beschlagnahmen", und was ist nur eine "Sicherstellung"? Vor dem Abmarsch der etwa 1500 Demonstranten gegen das öffentliche Bundeswehr-Gelöbnis im Bendlerblock hatte der Anwalt der Anmelder viel zu tun.

Denn der polizeiliche Aufwand zur optischen und akustischen Abschirmung der 500 Rekruten und 2000 geladenen Gäste war auch bei der sechsten Inszenierung des öffentlichen Gelöbnisses in Berlin beträchtlich, und so hatte das aus etwa 40 Gruppen bestehende Bündnis "Gelöbnix" auch in diesem Jahr schon vor dem Beginn der Proteste ein wichtiges Ziel erreicht: Die Bundeswehr kann in Berlin weiterhin nicht ohne weiteres in der Öffentlichkeit auftreten.

Im Innenraum des Bendlerblocks war in diesem Jahr jedoch von Protesten wenig zu hören, weil die Demonstration in sicherer Entfernung von der Polizei gestoppt wurde. Dennoch wäre den Militärgegnern fast eine spektakuläre Aktion gelungen: Einige Stunden vor der Zeremonie wurden Mitglieder der "Jungdemokraten/ Junge Linke" in der leer stehenden ehemaligen griechischen Botschaft entdeckt. Seit Donnerstag hatten sie sich dort versteckt, um den Schwur auf "die Freiheit des deutschen Volkes" durch einen theatralischen Auftritt auf dem Balkon des der Zeremonie nahe gelegenen Gebäudes zu stören.

Das handverlesene Publikum konnte sich also ganz auf die Ansprachen des neuen Verteidigungsministers Peter Struck (SPD) und des polnischen Staatsoberhauptes Alexander Kwasniewski konzentrieren: Die Bundeswehr sei eine Armee, "die den Menschen Frieden, Sicherheit und Freiheit bringt", sagte Kwasnieweski, sicherheitshalber auf Deutsch. Peter Struck betonte, dass die Armee in der Tradition des militärischen Widerstandes vom 20.Juli stehe. Er lobte das internationale Engagement der Deutschen Truppen "für die unveräußerliche Menschenwürde". Soldaten hätten sich zu "Schlichtern und Vermittlern zwischen Streitenden" entwickelt.

"Platte Propaganda" nennt Alexander Junge aus Weißensee solche Sätze. Routiniert zitiert der 23-jährige Erzieher aus den 1992 formulierten "Verteidigungspolitischen Richtlinien": Um den ungehinderten "Zugang zu Märkten und Rohstoffen" gehe es in Wirklichkeit, um das "Menschenrecht auf billiges Öl". Die moralischen Motive seien naiv oder vorgeschoben. "Tötet die Schlechten und die Welt wird gut", steht auf dem Pappschild eines nahebei Stehenden.

Die ex-grüne Europa-Abgeordnete Ilka Schröder traf die Stimmung der Demonstranten: In der "Geschwindigkeit eines Jäger90" habe Rot-Grün jegliche Grundsätze über Bord geworfen, was die Öffentlichkeit "so deutlich wie einen Tarnkappenbomber" registriere. Durch den schnellen Ausbau europäischer Militärstrukturen sollten in Zukunft "Marktbeschränkungen auch für Europäische Unternehmen weggebombt" werden.

Trotz harter Worte endete die Demonstration friedlich und entspannt. Nach anfangs teils scharfen Personenkontrollen hielt sich die Polizei im weiteren Verlauf zurück. Die Stimmung sei gut gewesen, die Teilnehmerzahl habe sich gegenüber dem letzten Jahr verdoppelt, bilanzierte eine zufriedene Demoleitung.

Zwar nehme die etablierte Politik immer deutlicher Abstand von der Demonstration, in diesem Jahr habe es auch aus der PDS nur noch die Unterstützung Einzelner gegeben, etwa des Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf. In Zukunft müsse man sich auf die eigenen Kraft verlassen, hieß es am Lautsprecherwagen. Erfreulich sei dagegen, dass trotz in Redebeiträgen und Flugblättern erkennbarer Differenzen an diesem Nachmittag der innerlinke Streit über den Nahostkonflikt an diesem Nachmittag einmal ausblieb.



Quelle: Junge Welt, 22.07.02

Auf Distanz gehalten. Proteste gegen das Bundeswehrgelöbnis im Berliner Bendlerblock.

Struck lobt seine "Friedenssoldaten"

Von Frank Brendle

Beinahe wäre es wieder nichts geworden mit der Feierlichkeit beim Bundeswehr-Gelöbnis in Berlin: Während auf dem Gelände des Bendlerblocks die Vorbereitungen für die Militärzeremonie auf Hochtouren liefen, warteten im Keller der ehemaligen griechischen Botschaft acht junge Leute auf ihren "Einsatz". Seit Donnerstag abend hatten sich die Angehörigen der Jungdemokraten/ Jungen Linken in dem leerstehenden Haus einquartiert, direkt gegenüber dem Gelöbnisplatz, ausgestattet mit ausreichend Wasser- und Nahrungsvorräten sowie einer Campingtoilette. Außerdem im Gepäck: Transparente, Flugblätter sowie jede Menge "Alarm-Eier" und sonstiges akustisches Gerät, um die Militärzeremonie zu übertönen.

Die Polizei hatte das Haus offenbar nur oberflächlich untersucht. Eine letzte Streife am Samstagvormittag wollte das Gebäude nach Auskunft eines Beteiligten schon wieder verlassen, als einem Polizisten ein Teil des Stör-Materials ins Auge fiel, das die Kriegsgegner schon nach und nach in die oberen Stockwerke gebracht hatten. Die Jugendlichen wurden vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, gegen sie soll nun wegen Hausfriedensbruch ermittelt werden.

Die 500 Rekruten des Wachbataillons auf der anderen Straßenseite konnten daher ungestört von kritischer Öffentlichkeit ihre Treue in künftigen Kriegen geloben. Dennoch zeige die Aktion, "daß die Bundeswehr stets mit phantasievollem Protest rechnen muß", erklärte das Gelöbnix-Bündnis am Abend.

Von den lautstarken Protesten der knapp 1.000 Demonstranten war auf dem Gelände des Kriegsministeriums nichts zu hören. Dafür hatte die Berliner Polizei gesorgt, welche die Demo auf 300 Meter Abstand hielt, ohne direkte Hör- und Sichtachse. 1.000 Polizisten und zwei Feldjägerkompanien sorgten dafür, daß das Ziel des Protestbündnisses, dem 40 Organisationen angehören, erreicht wurde: Ein öffentliches Gelöbnis war auch in diesem Jahr nicht möglich, Zutritt erhielten nur handverlesene Gäste nach mehrfacher Kontrolle.

Unter Bedingungen des Ausnahmezustandes erklärte der neue Verteidigungsminister Peter Struck (SPD)den angetretenen Rekruten, sie seien "Soldaten für den Frieden". Der Interventionskurs der Bundeswehr, die auf immer mehr Kriegsschauplätzen in aller Welt mitmischt, heißt bei Struck "Friedensdienst außerhalb der eigenen Grenzen". Der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski, der eine Ehrenkompanie der polnischen Armee im Gepäck hatte, bezeichnete seinen Auftritt als Beweis, "die richtigen Schlüsse" aus der Geschichte gezogen zu haben. Die habe schließlich auch gezeigt, daß Armeen den Menschen Sicherheit, Frieden und Freiheit bringen könnten. Eine solche Armee sei die Bundeswehr

Während beim Staatsakt die Offiziere des 20. Juli gelobt wurden, die bis zuletzt den Angriffskrieg der Wehrmacht mitgetragen hatten, sprach auf der Gelöbnix-Kundgebung jemand, der tatsächlich eine kriegsverkürzende Maßnahme ergriffen hatte: Ludwig Baumann von der Bundesvereinigung "Opfer der NS- Militärjustiz" desertierte 1942 aus der Wehrmacht. Dem Todesurteil entging er durch "Bewährungsdienst" in einem Strafbataillon. Heute ist er einer von nur noch 150 lebenden Wehrmachtsdeserteuren. Rehabilitiert wurde er erst vor knapp zwei Monaten". Die Richter, die damals über 30.000 Todesurteile verhängt haben, können heute nicht mehr bestraft werden", erklärte er diese späte Entscheidung. Ilka Schröder, die aufgrund ihres antimilitaristischen Engagements aus der Grünen-Fraktion im Europaparlament gedrängt wurde, bekräftigte die Notwendigkeit, dem kriegerischen Kurs der Bundeswehr "Protest, Widerstand und Sabotage" entgegenzusetzen.

Dem neuen Verteidigungsminister versicherte das Gelöbnix-Bündnis: "Wir stören auch nächstes Jahr, ob durch Demonstration oder andere unberechenbare und kreative Aktionen."



E-Mail: friekoop@bonn.comlink.org

Website: www.friedenskooperative.de
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