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Hiroshima/
Nagasaki-
Tag 2001


vom:
08.08.2001


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Hiroshima- und Nagasaki-Tag 2001:

  Berichte/Kundgebungsbeiträge

Hiroshima-Veranstaltung auf der Kölner-Domplatte am 6. August 2001

Redebeitrag von Armin Kröning in Köln

Armin Kröning

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde

Ich bin von den Veranstaltern gebeten worden, ein paar Worte zur sogenannten zivilen Nutzung der Atomkraft an Sie zu richten. Der 6. August ist für alle atomkritische Menschen ein besonders markantes und ein besonders makabres Datum. Die Uran-Bombe auf Hiroshima und die Plutonium-Bombe auf Nagasaki sind ebenso Ausdruck von Menschenverachtung und Zynismus wie die vielen Atomwaffen-Tests in Nevada, in Semipalatinsk, in dem Mururoa-Atoll und an vielen anderen Orten unserer Erde.

Die sogenannte zivile Nutzung der Atomenergie ist ein ebenso überflüssiges wie gefährliches Spiel mit dem Feuer, das hier Radioaktivität heißt, wie der Wahnsinn der atomaren Hochrüstung.

Doch zunächst ein paar wenige Worte zur IPPNW [
http://www.ippnw.de], der ich seit 1984 angehöre.

Wir sind die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte in Sozialer Vertantwortung. In Deutschland sind wir 8.000 Mitglieder, weltweit in über 60 Ländern 240.000 Ärztinnen und Ärzte, die sich gegen die Atomindustrie wenden, egal ob zivil oder militärisch. Im Jahr 1984 erhielt unsere Organisation den UNESCO-Friedenspreis. Im Jahr 1985 folgte dann der Frieden-Nobelpreis.

Nun meine zentralen Thesen zur Atomenergie:

1.Sie wird gar nicht gebraucht.

2.Sie ist viel zu teuer.

3.Sie gefährdet die Gesundheit der Menschen.

4.Das Endlager-Problem ist ungelöst.

5
.Sie liefert große Mengen Waffen-Plutonium.

ad 1. Sie wird gar nicht gebraucht

a.Durch Erhöhung der Energie-Effizienz könnte die gesamte Atomeneregienutzung beendet werden.Hier gibt es Leistungsreserven um den Faktor 4 bis 7.

b
.Dezentrale Energielieferanten mit Kraft-Wärme- Koppelung haben einen entschieden höheren Wirkungsgrad als die Atomkraftwerke.

c.Die Bedarfsberechnungen der 60er und 70er Jahre stimmen nicht mehr. Die Folge: Überkapazitäten.

d
.Die Sonne verwöhnt uns mit der 10.000 fachen Menge an Energie die wir bräuchten. Und das noch ca. 20 Millionen Jahre lang.

ad 2. Sie ist viel zu teuer

a.Wenn die Urangewinnung und die Urananreicherung in die Rentabilitätsberechnung mit einbezogen würden, wäre die Atomenergie nicht konkurrenzfähig.

b.Wenn die Atomkraftwerke ordnungsgemäß haftpflicht- versichert würden, wie dies jeder Privatmensch aber auch jedes andere Unternehmen tun muß, so wäre das eine schier unbezahlbare Risiko-Prämie. (derzeit werden nur ca. 0,1% des zu erwartenden Schadens durch Haftpflichtversicherung abgedeckt.Mehr dazu in unseren Unterlagen zur Haftpflichtkampagne. Unterschriftenaktion.

c.Etwas plakativ, aber durchaus zutreffend, möchte ich hier feststellen, daß es in der Atomindustrie üblich geworden ist, die Gewinne zu privatisieren aber die Risiken der Gesellschaft,also uns allen, aufzubürden. Das nennt man subventionierte Rentailität.

ad 3. Sie gefährdet die Gesundheit der Menschen
(und zwar Beschäftigte und Zivilbevölkerung.)


a.Im Normalbetrieb werden immer wieder Belastungen für die Bediensteten gemessen, und in den Regionen um Atomkraftwerke, die wind-abgewandt liegen, sind die Kinder-Leukämie-Raten erhöht.Stetes Strahlen in kleinen Dosierungen schädigt die Zellen.

b.Im Falle kleinerer Störfälle (wir erinnern uns noch an Tokaimura?!) werden kurzfristig große Strahlungsmengen freigesetzt.

c
.Im Falle eines Super-GAU gerät die ganze Region zu einer einzigen Katastrophen-Zone.

Wer Tschernobyl nach 15 Jahren schon verdrängt haben sollte, der muß sich nochmal sagen lassen, daß bereits 25.000 Menschen an den Strahlungsschäden gestorben sind. Und daß die Schilddrüsen-Krebs-Raten bei Kindern in Belarus extrem hoch sind und noch stets zunehmen. Und daß immer mehr körper- behinderte Babys zur Welt kommen. Und daß weite Landstriche und deren Flora und Fauna stark verstrahlt sind. Gern würde ich noch viel mehr über Tschernobyl berichten, aber ich fasse mich kurz.

ad 4.Das Endlager-Problem ist ungelöst.

Die Salzstöcke in Gorleben oder die Lager von Ahaus sind als Lagerstätten für einige Zehntausende Jahre nicht sicher genug. Keine wirkliche Lösung ist in Sicht, weswegen auch in der neuen Atomgesetz-Novelle den Zwischenlagern mehr Bedeutung beigemessen werden soll.

ad 5.Sie liefert große Mengen Waffen-Plutonium.

Der Ursprung der zivilen Nutzung der Atomenergie war der Bedarf der Militärs nach Waffen-Plutonium. Dies kommt weltweit, wie Sie wissen, nicht natürlich vor. Also wird dieses künstliche Element im Kernreaktor erzeugt, indem das Uran 238 durch Absorption eines Neutrons in Plutonium 239 und dann auch noch zum Plutonium 240 wird. Anschließend wird in einer Wiederaufarbeitungsanlage das Plutonium auf chemischem Wege herausgelöst. Dies Plutonium ist der gefährlichste Stoff auf diesem Globus, und es wird permanent nach-produziert.

Es gibt, speziell nach dem Ende des Kalten Krieges, einen blühenden Schwarzmarkt mit Plutonium. Das nennt man Proliferation.

Und so ließe sich die Reihe der Bedenken gegen die zivile Nutzung der Atomenergie immer weiter fortsetzen ...

Welche Schlüsse ziehen wir aus dem Gesagten?

-Wir haben heute, am Hiroshima-Gedenk-Tag, in Bonn eine Verbände-Anhörung zur geplanten Atomgesetz-Novelle. Die IPPNW hat dort ihre massiven Bedenken gegen das neue Gesetz, das sich Ausstiegsgesetz nennt, vorgetragen. Wenn dies gewünscht wird, kann ich gern noch ausführen, welche Bedenken im einzelnen vorgetragen wurden.

-In unserem Land existieren zwar Katastrophen-Schutz-Pläne; sie wären aber im Falle eines Super-GAUs vollkommen wirkungslos. Es gibt weder genügend Jod-Tabletten, noch wäre eine effiziente Evakuierung möglich.

-Fragen Sie mal Ihren Wahlkreis-Abgeordneten, wie er es Ende September halten will mit seiner Stimme für oder gegen dieses sogenannte Ausstiegsgesetz!

Als Arzt, und speziell als IPPNW-Arzt, der sich verpflichtet hat, alles zum Wohle seiner Patienten zu tun,

-bin ich nicht bereit, untätig zuzusehen, wie weiterhin Atomkraftwerke betrieben werden,

-bin ich nicht bereit, dem Konsens mit der Atomwirtschaft zuzustimmen,

-bin ich nicht bereit, der Ausweitung der atomaren Zwischenlager zuzustimmen,

-bin ich nicht bereit hinzunehmen, dass die Sicherheits-Standards unserer Atomkraftwerke für den Rest ihrer Laufzeit nicht mehr aktualisiert werden müssen,

-bin ich nicht bereit, mir von Herrn Trittin weismachen zu lassen, daß die Atomgesetz-Novelle wirklich ein Ausstiegs-Gesetz sei.

Jeder Bundestagsabgeordnete sollte vor der Abstimmung über das Atomgesetz im September eine Dienstreise nach Weißrußland und in die Ukraine unternehmen und sich ansehen, was in Gomel, in Minsk und in Tschernobyl passiert ist und noch immer passiert. Professor Lengfelder aus München, einer unserer IPPNW-Mediziner und Strahlenbiologen, ist gern bereit, Interessierten seine Schilddrüsen-Station in Gomel und vieles mehr zu zeigen.

Die Atomwirtschaft ist eine nicht voll beherrschbare Großtechnologie. Als in Eschede ein ICE verunglückte, war dies vielleicht noch als Risiko hinnehmbar. Ich weiß es nicht. Wenn aber die hochoffiziöse "Risikostudie Deutsche Kernkraftwerke" (im Auftrag der Bundesregierung 1989 von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit erstellt), wenn diese Studie berechnet, daß die Chance bzw. das Risiko eines Super-GAUs in Europa einmal alle 70 Betriebsjahre besteht, allein aufgrund technischen Versagens, ohne das Risiko menschlichen Versagens oder von Sabotage, dann verstehe ich von dieser rot-grünen Regierung nicht, daß sie sich von der Industrie so um den Finger hat wickeln lassen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.



E-Mail:   armin.kroening@t-online.de


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