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Krise in Mazedonien


vom:
15.07.2001
Update: 28.08.2001


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Krise in Mazedonien:

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Betr.: Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien

Offener Brief an die MdBs aus Rheinland-Pfalz

Friedenzentrum AGF e.V., Thomas Kupczik

Trier, im Juli 2001



Betrifft: Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien

Sehr geehrte ...

Wir fordern Sie auf, im Bundestag gegen jeden Antrag zu stimmen, der der Bundesregierung einen NATO Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien erlaubt.

Die NATO und mit ihr die Bundeswehr sollen nach dem Willen von Bundeskanzler und Außenminister in den Bürgerkrieg in Mazedonien eingreifen können. Angeblich geht es nur um das Einsammeln von Waffen der Guerilla innerhalb von 30 Tagen auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Regierung Mazedoniens und den albanischen UCK-Freischärlern. Doch eine solche Vereinbarung wird von den beiden Konfliktparteien mit ganz unterschiedlichen Interessen angestrebt.Die UCK-Seite strebt eine dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen und damit die Errichtung eines NATO-Protektorates an (wie im Kosovo), während Mazedoniens Regierung angesichts eigener militärischer Schwäche die Entwaffnung der Guerilla und dann einen schnellen Abzug der NATO wünscht. Zu befürchten ist, dass sich der Konflikt nicht beherrschen läßt und aus dem Einsammeln von Waffen ein Kampf mit Waffen wird. Denn etwas dürfte klar sein: die UCK ließ sich schon im Kosovo nicht freiwillig entwaffnen, so wird sie auch in Mazedonien nicht ihre Waffen abgeben. Zu befürchten ist aber, dass sie durch gelegentliche Überfälle einerseits immer wieder die Notwendigkeit der NATO Truppe unterstreicht und gleichzeitig die slawo-mazedonische Bevölkerung aus dem NATO überwachten Gebiet mit Terror vertreibt, wie dies ja auch mit den Serben inm Kosovo geschieht. Der Kommentator in der Frankfurter Rundschau beschrieb das Szenario folgendermaßen (FR 5. Juli 2001): "Bodentruppen, eingesetzt als Puffer zwischen Bürgerkriegparteien, deren Hass zu tief reicht, als das er mit einem kleinen Gastspiel zu überwinden wäre. Mit 30 Tagen, siehe Kosovo, kommt man da nicht hin, mit 3000 Mann auch nicht. Mit 30 Jahren vielleicht. Und mit 30.000 Mann. Das sind die Dimensionen, um die es beim Mazedonien-Einsatz geht."

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Krise in Mazedonien
Eine weitere schwerwiegende Dimension kommt meiner Meinung nach hinzu. Was geschieht mit dem faktischen NATO-Protektorat in Mazedonien? Diese Frage ist bisher für den Kosovo ungeklärt und dürfte für den Fall Mazedonien ähnlich schwierig gelagert sein. Tritt man für einen Anschluss an ein unabhängiges Kosovo ein, das ja vor kurzem von einigen deutschen Parlamentarierern und vom amerikanischen Aussenministerium gefordert wurde? Dann gibt man das wichtige internationale Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen auf und ermuntert weitere gewalttätige Separatisten überall auf der Welt, Kriege zu beginnen.

Angesichts dieser vielen offenen Fragen, insbesondere der Frage nach dem Auftag der deutschen Soldaten in Mazedonien, verbietet es sich für jeden verantwortungsbewußten Parlamentarierer, einen pauschalen Vorratsbeschluss wie im Oktober 1998 zu treffen. Damals stimmten viele von Ihnen den NATO Plänen zu, da Sie davon ausgingen, dass es gerade durch die Drohung mit Luftangriffen zu keinem Krieg kommen wird. Dieses war ein Irrtum. Jetzt sollten Sie keinem Einsatz der Bundeswehr zustimmen, der sich entgegen Ihrer Erwartung von einem friedenssicherndem Kurzeinsatz zum Waffeneinsammeln ganz schnell zu einem Kampfeinsatz entwickeln kann, auf dessen politische Ziel und auf dessen Durchführung Sie als Parlamentarier - siehe Kosovokrieg - dann aber keinen Einfluss mehr haben.

Für die Konfliktschlichtung in Mazedonien muss vor allem eine politische Lösung gefunden werden. Hierfür sind die Vereinten Nationen zuständig - bei Erfolg auch für das Einsammeln von Waffen. Der Weltsicherheitsrat muss der Uno und ihrer Regionalorganisation, der OSZE, sogleich einen entsprechenden Auftrag erteilen und die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen. So würde auch Rußland in die Verantwortung für eine friedliche Lösung des Konflikts eingebunden, was sich bei der Beendigung des Kosovokrieges als sehr nützlich erwiesen hat.

Ferner würde einer weiteren Militarisierung der Außenpolitik vorgebeugt werden. Beim Kosovokrieg wurde der NATO-Einsatz als Ausnahme bezeichnet, der nur angesichts der dramatischen Situation und der Uneinigkeit im Sicherheitsrat gerechtfertigt gewesen sei. Beides trifft auf Mazedonien nicht zu. Die UN und die OSZE werden so immer stärker bei der Friedenssicherung an den Rand gedrängt. Die Ausnahme wird so zur Regel gemacht. Diese Entwicklung sollten Sie als Parlamentarier nicht unterstützen.

Desweiteren ist die NATO als Konfliktschlichter nicht geeignet. Sie ist in Mazedonien nicht vertrauenswürdig, da sie die kosovo-albanische UCK trotz eines KFOR Aufgebots von 50 000 Soldaten nicht wirksam entwaffnete und auch nicht deren grenzüberschreitende Aktionen nach Serbien und Mazedonien verhinderte. So wurde nach Aussage des mazedonischen Verteidigungsministers (zu sehen in der Monitor-Sendung vom 5. Juli) der NATO eine Liste mit genauen Koordinaten der von der UCK benutzen Grenzübergänge übergeben. Diese Liste ist jedoch angeblich nie bei der Bundeswehr angekommen, die ja bekanntlich einen Großteil der kosovo-mazedonischen Grenze absichern muss.

Die NATO ist aber auch nicht sehr vertrauenswürdig, da sie einerseits mit dem Krieg gegen Jugoslawien das Land enorm belastete, es jedoch niemals angemessen entschädigte. Die gegenwärtige desolate Situation in Mazedonien ist mit dieser Tatsache eng verbunden.

Darüber hinaus ist mehr als fraglich, ob die EU-Staaten und die USA innerhalb der NATO überhaupt die gleichen Ziele verfolgen. Jüngst wurde bekannt, dass sich unter den aus Aracinovo abziehenden UCK-Rebellen 17 frühere US-Offiziere als Instrukteure befanden und die Ausrüstung, einschließlich modernster Nachtsichtgeräte der dritten Generation, zu einem erheblichen Teil aus amerikanischen Beständen stammten. Das muss doch der Bundesregierung bekannt sein. Sollen die, die Öl ins Feuer gießen, nun als Friedensstifter wirken? Oder ist sich vielleicht die NATO nur angesichts dieser personellen Verbindungen so sicher, dass die Entwaffnung der UCK mit nur 3000 Mann in 30 Tagen zu schaffen ist, während 50000 KFOR Soldaten dies auch nach 2 Jahren noch immer nicht geschafft haben? Wenn es diese personellenVerbindungen zur UCK gibt, dann sollte sich der Bürgerkrieg aber auch auf andere Weise beenden lassen - ohne dabei das Leben von (deutschen) Soldaten aufs Spiel zu setzen.

Wir bitten Sie, sich als Mitglied des Deutschen Bundestages gegen eine deutsche militärische Beteiligung in Mazedonien und für eine Einbeziehung der UNO in die Konfliktvermittlung auszusprechen und mit dieem Ziel deutsche Außenpolitik in die Pflicht zu nehmen. Ferner sollten Sie als Abgeordneter verlangen, dass aufgeklärt wird, wer für die Aufrüstung der UCK verantwortlich ist und warum bisher die KFOR im Kosovo eine effektive Grenzsicherung unterlassen hat.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Kupczik



E-Mail:   AGF_Trier@t-online.de
Internet: http://www.AGF-Trier.de
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