60 Jahre NATO

update:
08.12.1998


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60 Jahre NATO

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Gemeinsame Erklärung von Friedensorganisationen

Friedensbewegung warnt vor der neuen NATO-Doktrin

Die Allianz soll zum zentralen Instrument westlicher Interessendurchsetzung werden

Zum 50. Jahrestag der NATO im April 1999 soll ein neues Strategisches Grundsatzdokument verkündet werden. Die vorgesehenen Änderungen sind so schwerwiegend, daß alle Alarmglocken schrillen müssen. Den Entwurf sollen die NATO-Außenminister bereits am 8.12.98, die NATO-Verteidigungsminister am 17./18.12.98 unterzeichnen. Wir wenden uns gegen die Militarisierung von Außen- und Sicherheitspolitik und rufen zum Protest auf.

Der Textentwurf ist derzeit noch nicht öffentlich. Nach den bisher bekannt gewordenen Diskussionen und Planungen
soll die NATO zur umfassenden Verteidigung amerikanischer und europäischer Interessen weltweit befähigt werden. Der ehemalige Verteidigungsminister Rühe sagte, die NATO müsse in Richtung auf eine Gemeinschaft verändert werden, die ihre gemeinsamen Interessen schützen kann und will. Von amerikanischer Seite wurde sogar gefordert, der strategische Zweck der NATO habe auch mögliche Krisen in der Golfregion oder in der Straße von Taiwan zu berücksichtigen. Bei Konflikten wie etwa im Kaukasus zwischen russischen und amerikanischen Ölkonzernen bestünde die Gefahr, daß ethnische Konflikte zur Durchsetzung westlicher Interessen instrumentalisiert werden. Dies heißt: Rückkehr zur Kanonenbootpolitik - nur diesmal mit modernsten Angriffswaffen.

Diese gewalttätige Interessenvertretung soll
ohne Rücksicht auf internationales Recht durchgesetzt werden, denn die Handlungsfähigkeit der NATO dürfe bei vitalen Herausforderungen nicht durch die Frage eines Mandates der UNO eingeschränkt werden. Die Selbstmandatierung der NATO im Kosovo-Konflikt war also nicht der oft genannte "Sonderfall", sondern ein gewaltiger Schritt in Richtung auf die Zerstörung internationalen Rechts. Dies heißt im Klartext: Recht des Stärkeren, statt Stärkung des internationalen Rechts.

Die
Rolle der Atomaffen soll nicht neu definiert werden, um keine öffentliche Unruhe aufkommen zu lassen. Obwohl wir von Freunden umgeben sind, will die NATO sich weiterhin vorbehalten, Atomwaffen als erste einzusetzen. Diese sollen, anders als im vergangenen Ost-West-Konflikt, nun in regionalen Krisen als Abschreckung gegen biologische und chemische Waffen eingesetzt werden. Nach Aussage des deutschen Generals Klaus Naumann, Vorsitzender des Militärausschusses der NATO, darf die Allianz das Recht auf einen atomaren Ersteinsatz nicht aufgeben. Die Möglichkeit eines Ersteinsatzes "verunsichere einen Gegner". Dies sei ein wichtiges Element, um den Frieden zu erhalten und Konflikte zu verhindern. Daher bekam auch Außenminister Fischer heftigste Kritik von allen (NATO-)Seiten, als er die Einlösung einer Koalitionsvereinbarung einforderte und ein Überdenken dieser Doktrin verlangte.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verkündete am 8.7.96 in einem auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Richterspruch, "daß die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen grundsätzlich ("generally") gegen diejenigen Regeln des Völkerrechts verstoßen würden, die für bewaffnete Konflikte gelten, insbesondere gegen die Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts".

75 US-Bischöfe appellierten im Juni 1998, die Menschheit stünde vor den schwerwiegendsten Konsequenzen, wenn die Welt von einem durch Kernwaffen repräsentierten Militarismus beherrscht werde, anstatt dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen. Es gäbe keine Rechtfertigung für sie, sie seien zu verdammen.

Wenn die
Verteidigungs- und Außenminister der NATO dennoch weiterhin meinen, sie müßten mit Atomwaffen in regionalen Konflikten drohen, müssen sie vor ein internationales Tribunal gestellt werden.

Der neue NATO-Kurs ruft förmlich nach Protest

Was die NATO-Politiker und ihre Militärs derzeit planen, läuft auf reine Machtpolitik der reichen Staaten über den Rest der Welt hinaus: Militärische Interventionen zur Durchsetzung der eigenen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen. Da es in einer militärisch-unipolaren Welt keinen ernst zu nehmenden Gegner mehr gibt, soll die NATO auf die Legitimation militärischen Handelns durch internationales Recht und die UN verzichten können. Was daraus folgt, ist das "Recht der Stärkeren", also modernisiertes Faustrecht.



-Statt NATO-Faustrecht brauchen wir eine Stärkung des internationalen Rechts, das auch die schwachen Länder schützt. Deshalb müssen die UN und die OSZE gefördert und ausgebaut werden.



-Statt Interventionsarmeen mit schnellen Eingreiftruppen zur Interessendurchsetzung der wohlhabenden Staaten benötigen wir die Entfaltung der Methoden und Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung. Diese sind möglichst vorausschauend einzusetzen, damit Gewalt und Kriege vermieden werden können.



-Statt der Nuklearwaffenstrategien mit dem Vorbehalt, Atomwaffen als erste einzusetzen, benötigen wir einen schnellen Abbau dieser Massenvernichtungsmittel sowie wirksame Kontrollen zu deren Nichtweiterverbreitung.



-Statt der internationalen Einordnung der Militär- und Außenpolitik in das globale, unipolare Militärsystem unter Führung der USA benötigen wir eine Zusammenarbeit derjenigen Staaten, die es ernst mit dem Satz meinen, daß Außenpolitik Friedenspolitik sein muß.


Wir fordern von der neuen Regierung in Bonn, sich ihrer früheren Einsichten zu erinnern und für die Beendigung der ständigen qualitativen Aufrüstung, für die Abschaffung der Atomwaffen sowie den Verzicht auf Ersteinsatzoptionen einzutreten.

Der geplante NATO-Kurs zeigt: "Militärische Friedenspolitik" ist ein Widerspruch in sich selbst. Die zivile Gesellschaft und die außerparlamentarischen Organisationen bitten wir, auf allen Ebenen der Gesellschaft gegen diesen Kurs zu protestieren.

Die folgenden Organisationen haben die vorstehende Erklärung unterzeichnet:

Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF); Arbeitsausschuss Friedensratschlag Kassel; Arbeitsgruppe out of area im Netzwerk Friedenskooperative; BundessprecherInnenkreis der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK); Bund für soziale Verteidigung (BSV); Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre; Dachverband Kritischer AktionärInnen Daimler-Benz (KAD); Deutscher Friedensrat; DFG-VK Baden-Württemberg; FÜNF für Frieden; Informationsstelle Militarisierung (IMI); Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW); Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig (VB); International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility (INES); Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär; Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen", medico international; Komitee für Grundrechte und Demokratie; Ohne Rüstung Leben (ORL); Pax Christi - Internationale Katholische Friedensbewegung, Bistumsstelle Rottenburg-Stuttgart; Rüstungsinformationsbüro Baden-Württemberg (RIB); Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden; sowie weitere regionale und lokale Organisationen (Stand: 7.12.1998)

Koordinatoren des Aufrufs:

Prof. Dr. Andreas Buro, Friedenspolitischer Sprecher des Komitee für Grundrechte und Demokratie, Am Sonnenberg 42, 61279 Grävenwiesbach, Tel.: 06086-3087, Fax: 06086-243

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfagen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes, Dorfstr. 3, 56288 Krastel, Tel.: 06762-2962, Fax: 06762-950511, e-mail:
BuC.Ronnefeldt@t-online.de



E-Mail: BuC (Punkt) Ronnefeldt (at) t-online (Punkt) de
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