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Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Hildesheim am 1. September 2018
- Es gilt das gesprochene Wort -
(vorab Lied, Werner Preissner)
Liebe Freudinnen und Freunde,
Am 1. September 1939 begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg.
60 Millionen Opfer stehen für den schlimmsten Vernichtungskrieg in der Geschichte der Menschheit.
Der mörderische Krieg ging von Deutschland aus und ist untrennbar mit dem verbrecherischen System des Nationalsozialismus verbunden. Die bei den niedrigsten Instinkten ansetzende Ideologie des Faschismus beruht auf Volksverhetzung, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.
Gegen diese todbringende Ideologie der Nazis setzen wir unsere Überzeugungen: wir vertrauen auf Völkerverständigung und internationale Solidarität!
Der Kampf für Frieden und Gerechtigkeit ist ein Kampf für das Leben! Er darf nie aufhören – Wir werden nicht müde zu sagen: Krieg ist kein Mittel der Politik.
Am 11. August 2006 sagte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan vor der Abstimmung des Sicherheitsrates über die Libanon-Resolution:
„Krieg ist nicht – und ich wiederhole – Krieg ist nicht „die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Im Gegenteil, er stellt ein katastrophales Versagen politischen Könnens und Vorstellungsvermögens dar.“
In meinem Lexikon der Politik, einer Auflage aus dem Jahr 1995 ist zu lesen:
„Angesichts der Möglichkeit, dass sich die Gegner heute gegenseitig und den größten Teil der Erdbevölkerung vernichten könnten, sind Kriege in keiner Weise eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern ein Versagen der Politik. Weltweite Abrüstung und Gewaltverzicht müssen die Hauptfragen der Außenpolitik sein. Für die Wissenschaft ergibt sich die Notwendigkeit, systematisch und intensiv Friedensforschung zu betreiben.“
Dies scheint für viele mit Regierungsverantwortung nicht mehr zu gelten, wenn man sich aktuelle Regierungspolitik ansieht. Auch hier in Deutschland.
Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben fast zu verdoppeln – auf 2 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Das sind jährlich mindestens weitere 30 Milliarden Euro.
Diese Mittel fehlen im zivilen Bereich: Wie wichtig wäre es, diese Mittel in Schulen und Kitas, in sozialen Wohnungsbau, in Krankenhäuser, den ÖPNV, in die Alterssicherung – um nur einiges zu nennen – fließen zu lassen. Der Reparatur- und Investitionsbedarf wächst dort von Jahr zu Jahr! Aber die von dieser Entwicklung Betroffenen haben keine schlagkräftige finanzstarke Lobby! Sie können keine Deals vorantreiben und Drähte ziehen! Sie können keine Politiker zu ihren Marionetten machen!
Zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung – das scheint ja „nicht so viel“ zu sein. In andere Relation gesetzt hört sich das aber ganz anders an: Der Bundeshaushalt 2017 sah etwa 37 Mrd. Euro für Rüstung vor. 30 Mrd. zusätzlich bedeuten eine Steigerung um gut 80 %!
Der Artikel 20 unseres Grundgesetzes lautet „Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. Das ist die Definition für unseren Staat nach unserer Verfassung. Und dann sollte es sich doch auch in den Ausgaben für diesen Bereich widerspiegeln! Tut es das noch?
Millionen Menschen in Deutschland leben in sozialer Unsicherheit und existenziellen Ängsten als Empfänger von Hartz IV – das wäre nicht der Fall, würden die Leistungen verdoppelt. Die Ausgaben für Hartz IV und Wohngeld und Heizung betrugen im Jahr 2017 27,5 Mrd. Euro – Für eine Verdoppelung dieser Leistungen müssten an keiner anderen Stelle Ausgaben gekürzt werden, wenn wir den Verteidigungshaushalt einfrieren statt ihn um 30 Mrd € zu erhöhen.
Waffen schaffen keinen Frieden, keine Demokratie und keine Gerechtigkeit. Nur Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit, der Kampf gegen Durst, Hunger und Ausbeutung sowie das Streiten für sozialen Fortschritt, gerechte Verteilung und Gewerkschaftsrechte können dauerhaft Frieden schaffen. Sie sind die Grundlagen für eine friedlichere Welt und eine gerechtere Wirtschaftsordnung.
Davon sind wir weiter denn je entfernt.
Die Waffenproduktion läuft und läuft – auch und in hohem Umfang sogar hier bei uns, in unserem Land! Noch immer werden in Deutschland produzierte Waffen auch in Länder geliefert, die diese Waffen bekanntermaßen sogar gegen die eigene Bevölkerung einsetzen.
Über Rüstungsexporte entscheidet der Bundessicherheitsrat in geheimen Sitzungen – ohne Beteiligung des Parlamentes. Wie kann bei dem Vorgehen eigentlich geprüft werden, ob unsere eigenen Gesetze eingehalten werden – hier das Kriegswaffenkontrollgesetz? So, wie ich dieses Gesetz verstehe, wird es nicht eingehalten. Das scheinen auch Konzerne zu befürchten – oder wie lässt es sich sonst erklären, dass in solchen Staaten nun Produktionsstätten gebaut werden sollen?
Ich habe jetzt viel über Waffen und Rüstungsausgaben gesprochen. Damit könnte ich den Eindruck erwecken, das Frieden schon besteht, wenn Waffen schweigen. Dieser Meinung bin ich nicht.
Zu Frieden gehört viel mehr.
Hohe Bedeutung hat in diesem Zusammenhang auch unser Asylrecht. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben dieses Recht ganz bewusst aufgeschrieben. Das, was den von den Nazis verfolgten Gruppen widerfahren ist, sollte sich nicht wiederholen. Nirgends. Denn –so pervers das klingt: die Nazis haben nach dem Gesetz gehandelt. Nach Gesetzen, die sie selbst beschlossen haben.
Und statt in Rüstungsgüter sollten die Gelder der Steuerzahler dieser Weltgemeinschaft auch in internationale Hilfe zur Selbsthilfe fließen, statt sie dort zurück zu nehmen! (Trump)
Auch heute müssen Menschen fliehen: vor Hunger und Gewalt und auch vor Verfolgung. Und was machen wir: wir haben schon mehrfach das Asylrecht verändert – immer zulasten der Betroffenen. Oder: wir erklären Länder einfach zu sicheren Herkunftsländern. Damit wir kein Asyl gewähren müssen. Es werden Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt, die unsere Regierungsvertreter nur mit Schutzkleidung betreten.
Wie kann ein Land als sicher eingestuft werden, in dem man sicherheitshalber Schutzkleidung trägt. Es werden Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt, in denen Folter betrieben wird. Wie kann das möglich sein? Mir fehlt dafür jedes Verständnis.
In Europa werden Flüchtlinge als Bedrohung wahrgenommen. Worin diese Bedrohung liegen soll, bleibt nebulös. Zur Sicherheit werden mal eben die Grenzen gesichert. Mit hohem finanziellen Aufwand. Für die Sicherheit nicht nur der eigenen Grenzen werden hohe Finanzmittel aufgebracht – es erhalten andere Länder Finanzmittel, damit sie keine Menschen mehr nach Europa lassen.
Länder, die „eigentlich“ unsere Vorstellungen in Sachen Demokratie und Menschenrechte nicht erfüllen.
Der Umgang der europäischen Staaten mit privat organisierten Seenotrettern im Mittelmeer ist erbärmlich. Diese Menschen springen dort ein, wo die Staatengemeinschaft ihrer Aufgabe, Menschen aus Seenot zu retten, nicht gerecht wird. Sie nehmen sich die Zeit, haben für die nötigen Mittel gesorgt. Und dafür werden sie kriminalisiert. Dieses Verhalten der Staatengemeinschaft ist erbärmlich. Und es spielt den Rassisten und völkisch Denkenden in die Hände. Anstatt als Soforthilfe Menschen zu retten und gleichzeitig alles zu unternehmen, dass Menschen nicht unter Lebensgefahr ihr bisheriges Umfeld verlassen müssen, werden Helfer kriminalisiert. Für ein solches Verhalten fehlen mir die Worte.
Besser wäre es, eine europäische Strategie der friedenssichernden Konflikt- und Krisenprävention zu erarbeiten. Eine solche zivile Strategie der Friedenssicherung muss bei den Ursachen von Kriegen und bewaffneten Konflikten ansetzen. In ihrem Mittelpunkt müssen die Ziele einer fairen Gestaltung der Globalisierung und einer gerechten Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte stehen.
Aufrufe, nicht auf Aufrüstung zu setzen, wurden von vielen Menschen unterzeichnet. Der Aufruf „Abrüsten statt aufrüsten“ hat bisher mehr als 20.000 Unterschriften erhalten. Das ist gut. Es reicht aber nicht, den Aufruf zu unterzeichnen. Alle, die diese Aufrufe unterstützen, müssen diesen Willen zur zivilisierten Konfliktlösung auch öffentlich sichtbar zum Ausdruck bringen. Weil auch Bilder Eindruck hinterlassen. Diejenigen, die Hass und Gewalt verbreiten, sind in der Minderheit – sie sind aber leider sichtbarer.
Umso wichtiger ist es mir heute, hier an den Gräbern der Zwangsarbeiter aus 12 Ländern deutlich mit euch allen Frieden anzumahnen.
Gewerkschafter sind an diesem Tag nicht unter sich – sie sind vielmehr Teil einer breiten Friedensbewegung, in der sich Jung und Alt, Arm und Reich engagieren. Wir stehen hier, weil wir eintreten für eine friedliche gerechte Welt, für ein friedliches Miteinander, für eine Welt, in der alle in Würde leben können.
Lied (Werner Preissner)
Erich Fried: Gespräch mit einem Überlebenden (Regina Stolte und Christa Bauermeister)
Lied (Werner Preissner)
- Hinweis auf die anschließende Führung des Projekts "Vernetztes Erinnern",
- Hinweis über Unterzeichnungsmöglichkeit des Aufrufs auf der Seite "abrüsten jetzt"
Niederlegen von 300 weißen Rosen an den Grabsteinen der Zwangsarbeiter.
Regina Stolte ist Vorsitzenden des DGB Kreisverbandes Hildesheim.