Den Tiefflug abschaffen - aber wie?

von Uschi Hagmann - Teiner

Es soll Leute geben, die schon Wetten darüber abschließen, wann es keine Tiefflüge mehr geben wird. Daß Tiefflieger z. Zeit aber eher durch Abstürze und noch nicht durch politische Entscheidungen beseitigt werden, beweist die Statistik.

 

Zwischen den Jahrestagen der Katastrophen von Remscheid (8.12.88) und Wiesmoor (13.1.89) stürzten - wenige km Luftlinie vom BASF-Gelände entfernt zwei Fl6-Jäger bei einer Luftkampfübung über Maxdorf ab. Die Empfehlung der Hardthöhe an die monierende BASF: "Objekte härten".
Solange die Veränderungen der weitpolitischen Lage ohne Auswirkungen auf die NATO-Strategie bleiben, schlägt sich die Friedensbewegung mit dem Problem herum: Den Tiefflug abschaffen - aber wie?

Unter diesem Motto fand in Remscheid am 9.12.89 ein Ratschlag unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters statt. An der Schnittstelle zwischen Bürgerinitiativen und Friedensbewegung, parlamentarischen Vertretern und außerparlamentarischer Bewegung war es eine interessante und informative Veranstaltung, in der verschiedene Aspekte der Belastung durch Tiefflüge beleuchtet wurden.

Zum Thema "Tiefflug macht krank" beschrieb Kurt Atzinger, Kinderpsychologe aus Montabauer, die verheerenden Auswirkungen des Tieffluglärms auf Menschen. Winfried Mohr vom Institut für Psychologie der TH Darmstadt machte deutlich, daß 70 - 90% aller Tiefflugunfälle auf menschlichem Versagen beruhen, weil beim Tiefflug zu hohe Anforderungen an die Piloten gestellt werden. Der Direktor einer vom Tiefstflug betroffenen Gemeinde, gleichzeitig stellv. Vorsitzender der·Kommunalen Bundesvereinigung gegen Tieffluglärm, erläuterte die Klage der Samtgemeinde Sittensensen zum Schutze ihres Kreiskrankenhauses.

Manfred Bäuerle, Kreisbeigeordneter des Landkreises Darmstadt, bezweifelte das Recht auf Durchführung von Tiefflügen; eine von mehreren Arbeitsgruppen befaßte sich mit dem aktuellen Stand der vielfältigen Klagen gegen Tiefflüge.

Werner May von der Bundeskoordination der TieffluggegnerInnen empfahl den Menschen in Tieffluggebieten, Entschädigungen vom Staat zu erklagen.

Vertreter aus der Friedensbewegung (Gert Samuel/KOFAZ und Wolfgang Arnold/Ostermarsch Rheinland) stellten die Sinnlosigkeit militärischer statt politischer Konzeptionen in den Vordergrund ihrer Referate.

Gertrud Schilling, Bundestagsabgeordnete der Grünen, sagte, daß sie aus Bonn keine Änderungen erwartet, doch könne man vieles gegen Tiefflug tun: politisch, rechtlich und tatsächlich, wie mit gewaltfreien Aktionen in Remscheid beispielhaft praktiziert.

Interessanterweise waren sich Otfried Nassauer, Friedensforscher vom Institut für internationale Politik und Hermann Hagena, Brigadeadmiral a.D aus Bonn, darüber einig: "Wenn die offensiven Verteidigungsstrategien aufgegeben würden, ist militärischer Tiefflug nicht länger erforderlich." Wenn Hagena bei noch gültigen NATO-Strategien Tiefflug als nicht vollständig sinnlos aber drastisch reduzierbar einschätzt, allerdings immer noch für risikoreich hält, so meinte Nassauer dagegen: "Tiefflug kann heute, wo niemand mehr im Osten droht, sofort aufgegeben werden. Wenn man es politisch will."

Wie der Remscheider Generalanzeiger schreibt, gab es "größere Tiefflugkatastrophen. Doch erst Remscheid hat mit der bundesweiten Mahnung und der weltweiten Publizität die Menschen stark sensibilisiert und betroffen gemacht."

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