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EU-Verfassung - teuflisches Blendwerk!
vonDie Bevölkerung von Frankreich und Holland hat die EU-Verfassung abgelehnt. Nach demokratischen Grundsätzen müsste die Verfassung unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger neu erarbeitet werden. Doch die Ablehnung wird nur als ein Vermittlungsproblem angesehen. Und dieses soll mit einem "Plan D" behoben werden.
Der "Plan D" wird von der "Deutschen Gesellschaft e.V." ausgeführt, (http://www.deutsche-gesellschaft-ev.de) mit millionenschwerer Unterstützung von der Europäischen Kommission, in Kooperation mit dem Informationsnetzwerk Europe Direct, dem Deutschlandfunk und dem fünftgrößten Medienkonzern der Welt, Bertelsmann.
Die Auftaktveranstaltung unter dem Motto "Unsere Botschaft an Europa" fand am 7.2.2007 um 19 Uhr im Loft der Urania in Berlin statt. Spitzenpolitiker der EU waren anwesend:
Dr. Gerhard Sabathil, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, der Bundestagsabgeordnete Kurt Bodewig, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Dragoljuba Bencina, Botschafterin der Republik Slowenien und Peter Altmaier, Mitglied des Bundestages, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern und Präsident der Europa Union Deutschland e.V., moderiert von Herrn Apelt von der Deutschen Gesellschaft e.V..
Vertreter der Zivilgesellschaft fehlten auf dem Podium ebenso wie Vertreter der noch Steuern zahlenden und Lehrlinge ausbildenden mittelständischen Unternehmen. Kurt Bodewig lobte das kürzlich erlassene Gesetz über den freien Dienstleistungsverkehr, das durchaus noch Züge der Bolkestein-Richtlinien trägt. Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass Herr Bodewig u.a. eine Nebentätigkeit als Berater bei Bearing Point inne hat, einer Gesellschaft, die zu den führenden Unternehmens- und IT-Beratungsgesellschaften der Welt gehört. Yvonne Kaufmann wies auf die Segnungen der sozialen Marktwirtschaft hin, wohl wissend, dass der Begriff der sozialen Marktwirtschaft nur in den Zielen der EU-Verfassung vorkommt, während in den nachfolgenden, verbindlichen Bestimmungen des Artikel III nur noch der Begriff einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verwendet wird und das gleich viermal hintereinander. Viel gesprochen wurde von der Seele Europas und einem demokratischen, friedlichen und wohlhabenden Europa.
Eine über Vorwort und Zielformulierungen hinausgehende Analyse des Verfassungstextes zeigt aber:
Ziel der EU-Verfassung ist die Weiterentwicklung und Festschreibung einer Wirtschafts- und Eigentumsordnung, die schon jetzt bewirkt, dass 1% der Weltbevölkerung über 40% des Weltreichtums verfügt. Diese Ordnung wird militärisch nach außen und polizeistaatlich nach innen abgesichert. Bürgerliche Freiheiten werden eingeschränkt.
Mit konzerngesteuerten Medien wird verhindert, dass Zusammenhänge zwischen Politik, Wirtschaft, Geheimdiensten und Militär bekannt werden. Wissenschaftler an noch nicht privatisierten Universitäten könnten mit ihren Analysen Abhilfe schaffen. Um auch diese Lücke zu schließen, soll die bisher im Grundgesetz gewährleistete Freiheit der Wissenschaft und Lehre gem. Art.II-73 EU-Verfassung nur noch als akademische Freiheit "geachtet" werden. Frei sollen nur Kunst und Forschung bleiben. Damit sich keine alternativen Medien etablieren können, soll an Stelle der grundgesetzlich gewährleisteten Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film die Freiheit der Medien und ihre Pluralität gem. Art.II-71 der EU-Verfassung ebenfalls nur noch "geachtet" werden.
Die bisherige Formulierung "Eigentum verpflichtet" fällt ersatzlos weg. Neu geschaffen wird das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit, Art.II-76.
Ist überhaupt eine atomare Abrüstung vorgesehen?
Die zur Herstellung von Atomwaffen erforderlichen Anlagen von den nuklearen Forschungsstätten bis zu Urananreicherungsanlagen genießen gem. Protokoll Nr. 36 zum EU-Verfassungsvertrag besondere Förderung durch die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom). Sie sind vom freien Wettbewerb ausgenommen und werden subventioniert.
Nach Artikel II des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1.7.1968 (Atomwaffensperrvertrag) ist jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen.
Unter Bruch des Atomwaffensperrvertrages und Verstoß gegen das Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag vom Juli 1996 über die Ächtung von Atomwaffen hält Deutschland lt. Weißbuch der Bundeswehr "zur glaubhaften Abschreckungsfähigkeit" an der nuklearen Teilhabe der NATO fest und verfügt in Garching und Gronau über Kapazitäten zur industriellen Anreicherung waffenfähigen Urans. In einem Aufsatz des Koordinators für Sicherheitspolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, Karl-Heinz Kamp, in der Neuen Zürcher Zeitung vom 13.1.2006, S. 7, heißt es: "Der Besitz von Atomwaffen vergrößert das Spektrum politischer und militärischer Optionen eines Landes."(1) "In Strategiepapieren der Europäischen Union, wie dem "European Defence Paper", finden sich Überlegungen, Atomwaffen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) einzusetzen."(2) Mit dem Konstrukt des militärischen Kerneuropa gem. Artikel 1-41(6) der EU-Verfassung über die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" der am meisten hochgerüsteten Mitgliedsländer hat sich Deutschland auch die angestrebte nukleare Teilhabe im Rahmen der ESVP gesichert.
Wie soll mit dieser Verfassung das propagierte demokratische, friedliche und wohlhabende Europa möglich werden?
Kommt es wegen schreiender Ungerechtigkeiten zu Aufständen, greift Titel I Artikel 2 der Erläuterungen zur Charta der Grundrechte. Danach ist eine Tötung nicht als Verletzung des Rechts auf Leben anzusehen, wenn sie "unbedingt erforderlich ist ... um einen Aufruhr oder einen Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen." Bei unmittelbarer Kriegsgefahr kann nach diesen Erläuterungen die Regierung - wie bei allen anderen Angelegenheiten der inneren oder äußeren Sicherheit - ohne Beteiligung des Parlaments die Todesstrafe wieder einführen.
Gemäß der Solidaritätsklausel des Artikels I-16 können zur Aufstandsbekämpfung EU-Battle Groups, Rapid Deployable Police Elements (schnell verlegbare Polizeigruppen) und die paramilitärische European Gendarmerie Force aus Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, und Griechenland zum Einsatz kommen.
Wird bei einer "Mission" zur Aufstandsbekämpfung das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt, so ist dem betroffenen EU-Bürger gem. Art. III-376 und 377 der Weg zum EU-Gerichtshof versperrt. Bereiche der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie Maßnahmen der Polizei oder anderer Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit sind ausdrücklich vom Einspruchsrecht der Bürger als Aufgaben des EU-Gerichtshofs ausgenommen. Um einer "falschen" Gerichtsentscheidung vorzubeugen, werden die Richter nicht vom Parlament gewählt, sondern von den Regierungen bestimmt (Sie erhalten ein monatliches Grundgehalt von 17.000 Euro.).
Fazit
Schon heute ist Europa ein Eldorado für große Kapitalgesellschaften und internationale Konzerne, insbesondere der Rüstungsindustrie.
Die vorgeschlagene EU-Verfassung würde diesen Zustand nach Artikel IV-446 für unbegrenzte Zeit zementieren. Eine Änderung ist dann nur noch mit Zustimmung aller (wirklich aller) Mitglieder möglich, vergleiche Artikel IV-443 (3). Der jetzige Entwurf verstößt allein schon durch die für alle Unionsländer verbindliche Hochrüstung zum Zweck der Interventionsfähigkeit (mit der Möglichkeit, Kriege auch präventiv führen zu können!) gegen elementare Bestimmungen des Völkerrechts und des Grundgesetzes: Kriegsgegner wären Verfassungs- und Staatsfeinde und könnten verfolgt werden. Selbst soziale Bewegungen könnten als verfassungsfeindlich verboten werden, weil sie die garantierte Unternehmer- und Kapitalfreiheit behindern.
Seit 1983 treffen sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit maßgeblicher Beteiligung des Bertelsmannkonzerns die Vertreter weiterer 47 Großkonzerne beim European Round Table (ERT). Was sich als eine Erfolgsgeschichte für die Wahrnehmung der Wirtschaftsinteressen erwiesen hat, sollte Vorbild für die Bevölkerung sein. Darum die Forderung: Viele runde Tische zur Entwicklung einer wirklich demokratischen Verfassung mit echter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger als Voraussetzung für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit, Frieden und ökologische Nachhaltigkeit!
Anmerkungen:
- Hans Heinz Holz: Nukleardoktrin für Europa, in: junge Welt 24./25. Juni 2006.
- Tobias Pflüger, Martin Hantke: Zum Militärprogramm der Deutschen Ratspräsidentschaft, in: Materialien gegen Krieg, Repression und für andere Verhältnisse, Heft 1, November 2006, S. 7, Vertrieb: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. Tübingen