Friedensclub John Lennon

von Barbora Kasparová

Der Friedensclub John Lennon ist eine apolitische Organisation, die noch zur Zeit des Totalitarismus im November 1988 gegründet wurde. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Herman Chromy und Ota Veverka.

Aber von Anfang an waren in diesem Club auch die Mitglieder der Charta 77 sehr engagiert und selbstverständlich auch bislang nicht engagierte Menschen, die fühlten, daß es in diesem Club nicht nur um Lennon und die Beatles geht, sondern um eine Philosophie. Ich denke, es ist auch wichtig zu erwähnen, daß diese Mitglieder verfolgt und eingesperrt wurden, daß sie große Probleme hatten, die eigentlich aus der Realität des damaligen Regimes resultierten, eines Regimes, welches die Bürger vergewaltigte, und das alles noch im Jahre 1988. Einer von Lennons Grundtexten spricht allerdings von Entschuldigung, von Verzeihung.

Auf dem Universitätsgelände in Prag ist eine Mauer. Sie werden sagen, was ist denn da besonderes dran? Aber als Lennon 1980 ermordet wurde, ist jemandem eingefallen, sein Portrait auf diese Mauer zu zeichnen und einen Blumenstrauß hinzulegen. Das war der Anfang. Die Menschen gingen daran vorbei, sie schrieben und malten auf diese Mauer, bis aus dieser Mauer "die Mauer" geworden ist. Diese Mauer gegenüber der französischen Botschaft wurde zu einem Freiheitssymbol, zum Symbol der Wünsche, der Sehnsüchte von jungen Menschen im Land. Die Kommunisten schickten damals Polizisten. Diese haben alle Umherstehenden festgenommen, und dann kam ein Anstreicher, und die Wünsche, die Träume und die Sehnsüchte wurden von ihm übertüncht. Diejenigen, die den Anstreicher schickten, dachten wohl, daß er auch die Gedanken übertünchen würde, sie haben sich getäuscht. Die Jungen und Mädchen dieser Zeit haben immer einen Moment gefunden, als sich die Polizisten entfernten, und haben Bilder und Losungen immer wieder auf die Mauer gemalt. Das hat sich wiederholt bis der November 1989 kam. Dann hat keiner mehr die Zeichnungen und die Losungen vernichtet. Und was kam dann weiter?

Wir saßen so nach einer Novemberdemonstration beim Bier, als der Kamerad Milosch sagte: Die Menschen haben riskiert, daß sie eingesperrt werden und was jetzt? Und ich erwiderte: Denkst Du, daß sie Lennon noch interessieren wird, wenn ihre Sehnsüchte und ihre Träume von der Freiheit und der Liebe Realität werden? Ein paar Tage später saß ich bei einem großen Haufen von Blättern und Papieren mit Adressen und mit Nachrichten. Dies alles zu verarbeiten dauerte ein ganzes Jahr. Auf der ersten Generalversammlung des Friedensclubs war der Saal zum Platzen voll. Einige fuhren durch die halbe Republik aus Neugier, einige aus Euphorie, aber ganz viele kamen aus purem Interesse. Ich habe die Anwesenheitsliste überflogen und zusammengezählt, und es waren 1587 Menschen, wobei sich die Saalkapazität auf 800 Plätze belief. Nun schreibt man das Jahr 1997, und einiges hat sich verändert. Der Club funktioniert so, wie es sich die damaligen Zeichner vorgestellt haben. Er hat 45 Abteilungen über die ganze ehemalige Tschechoslowakei. Für die Erleichterung der Arbeit hat jede Abteilung einen kleinen Chef, der Enisar genannt wird. Dieser ist in Verbindung mit Prag, er schreibt die Rechnungsunterlagen und fordert die Finanzierung für das nächste Jahr an. Jede Abteilung tut das, worauf sich die Mitglieder einigen und bietet Vorlesungen, Ausstellungen und verschiedene Bälle an. Der Freiheit sind keine Grenzen gesetzt. Wir sind kein Fanclub der Beatles. Das Hauptproblem ist Geld, wie überall auf der Welt, aber die Sponsoren schütteln sich manchmal wie der Dukatenesel im Märchen, und so lebt der Club weiter. Bislang!

Sehr geehrte Leser, wenn Sie mal nach Prag kommen, versuchen Sie mal neben der Burg, der Karlsbücke und der Uhr auf dem Eischetnerring, auch einen kleiner Abstecher auf den Campus zu machen. Wortwörtlich ein paar Schritte davon ist die besagte Mauer. Außer Freude über die schöne Umgebung können Sie sich bei diesem beschrifteten Stück von einer Ziegelsteinmauer mit den Aktivisten des Friedensclubs treffen. Fast immer können Sie dort am frühen Abend Gitarre hören. Und sicher hören Sie dazu: "Imagine!"

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Barbora Kasparová ist Vorsitzende des John Lennons Friedensclub.