Rüstungsgut - Normalgut

von Andrea Kollig
Schwerpunkt
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Erfolg für die Rüstungsindustrie: Die FAZ vom 10.7.96 gibt unter Bezug auf den Bund Deutscher Industrie (BDI) bekannt, daß Rüstungsexporte zukünftig erleichtert werden. Bereits am 23. April hat der Bundessicher­heitsrat, als oberstes Entscheidungsgremium für Rüstungsexporte, be­schlossen, daß die Entscheidung über den Export künftig bei der Re­gierung des Landes liegt, in dem der Hauptauftragnehmer des Rü­stungsgeschäftes sitzt. Bisher war eine Einigung mit den Partnerlän­dern notwendig. Der BDI spricht von einem "Schritt in die richtige Richtung". Eine der Letzen Hemmschwellen ist abgebaut. Wo bleibt die viel beschworene Restriktivität deutscher Rüstungsexportrichtlinien? Die­ser Schritt bedeutet konkret, daß Waffen mit deutschen Teilen fast überall hin geliefert werden können. Bisher durften deutsche Zuliefe­rungen nur erfolgen, wenn das Importland auf einer Liste festgelegt, wohin die Waffen nicht exportiert werden. Eine politische Entscheidung findet hier nicht mehr statt. Die Verantwortung wird abgegeben. Entscheidend neu ist, daß das Wirtschafts-, das Verteidigungsministe­rium und das Auswärtige Amt eine sog. Genehmigungsvermutung nach den neuen Rahmenbedingungen einvernehmlich untersagen müssen. Das Veto eines Ministeriums ist passé. Restriktivität steht jedoch weiter­hin auf der deutschen Fahne, denn Fahnen sind groß, da passt viel drauf.

Mitte Juni 96 gab das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI seine ersten Statistiken der Waf­fenexporte für das vergangene Jahr be­kannt. Deutschland ist nicht mehr auf Platz zwei der Waffenexporteure, son­dern nur noch auf Platz drei. Abzuwar­ten bleibt, wo Deutschland nach dem UN-Register stehen wird. Nach diesem Register lag die BRD 1994 ebenfalls auf Platz zwei. Spitzenreiter ist und bleibt die USA!

Deutschland zählt weiterhin dauerhaft zu den führenden Nationen im interna­tionalen Waffengeschäft.

Dabei zählt SIPRI nur die Großwaffen: Panzer, Schiffe, Flugzeuge etc.. Der ge­samte Bereich der Kleinwaffen, wie be­stimmte Minen oder der Lizenz- und Exportschlager von Heckler und Koch, das G-3-Gewehr, werden bei SIPRI nicht gezählt. Und auch der Bereich der Rüstungselektronik taucht in den Stati­stiken von SIPRI und im UN-Waffenre­gister nicht auf.

Die Grundlage des deutschen Rüstungs­exports sind die Richtlinien aus dem Jahr 1982. Für den Export außerhalb der NATO heißt es dort schwammig: Der Export von Kriegswaffen werde nicht genehmigt, es sei denn, daß "...vitale Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bündnispartner für eine ausnahmsweise Genehmigung sprechen".

Eindeutig hingegen ist das Grundgesetz, wo es in Artikel 26 heißt: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines An­griffskrieges vorzubereiten, sind verfas­sungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."

Als offizielle Linie für den deutschen Rüstungsexport propagiert man eine re­striktive Handhabung. Doch wenn die Rüstungsexportpraxis tatsächlich re­striktiv gehandhabt würde, wäre es kaum möglich, daß Deutschland nach den SIPRI-Zahlen aktuell auf Platz drei und nach dem UN-Waffenregister auf Platz zwei der Waffenexporteure liegt.

Die NVA hinterließ 2400 Kampfpanzer und über 7500 andere Panzerfahrzeuge, mehr als 5000 Artilleriegeschütze, 440 Kampfflugzeuge, 5500 Raketen, 190 Kampfschiffe, 51.000 Kraftfahrzeuge aller Art, 1,2 Mill. Handfeuerwaffen und 300.000 Tonnen Munition. Der an­fänglich geäußerte Plan, die Waffen zu verschrotten, wurde teilweise fallenge­lassen, denn man witterte bessere Mög­lichkeiten. "Schrottig" waren die Waf­fen des ehemaligen NATO-Feindes kei­neswegs, rechtfertigten sie doch die jah­relange Hochrüstung des Westens. Man entschied sich für einen beispiellosen Ausverkauf und es ist abzusehen, daß die dann folgende massenhafte Ver­schleuderung dieser Waffen eine nach­haltige und verheerende Wirkung auf die allgemeine Haltung in Bezug auf  Rüstungsexporte hat.

Die Tatsache, daß - wie auf einem Basar - eine Unmenge von Waffen billig bis umsonst abgegeben wurde, hat die Zu­rückhaltung bei Waffenkäufen vollends untergraben und für die deutsche Rü­stungsindustrie Zeichen gesetzt.

Nach dem 2.Golfkrieg, in den Jahren 1991-1993, hielt man sich noch etwas bedeckter! Die internationalen Inspekto­ren stellten bekanntlich eine Fülle von bundesdeutschen Zulieferungen für Saddam Husseins Aufrüstungspro­gramm fest. Die deutschen Giftgaskom­ponentenlieferungen an den Irak sind hinlänglich bekannt. Damals begann eine Debatte um die Verschärfung der Exportlieferungen und Intensivierung der Kontrollen. Wie scheinheilig, dar­aufhin einen solchen Waffenbasar zu veranstalten!

Der größte Nutznießer war zweifellos die Türkei. Die Türkei unterhält nach der Zahl der Soldaten mit 500.000 Mann die zweitgrößte NATO-Armee nach den USA. Doch die Bundesrepublik Deutschland bediente sie aus Beständen der NVA, als müsste sie eine völlig neue Armee aufbauen.

Z.B. 5.000 Maschinengewehre mit meh­reren hundert Millionen Schuss Muni­tion, dazu 5.000 Panzerfäuste RPG 7 mit 250.000 Granaten ...und und und

Oder:  Ein Geschenk von mehr als 250.000 Kalaschnikows.

Zur Rechtfertigung der Exportgenehmi­gung hieß es, die türkischen Streitkräfte nutzen die Gewehre vom Typ Kalasch­nikow selbst. Indes, die türkische Armee ist komplett mit dem deutschen G3-Ge­wehr ausgestattet und fertigt diese nach einer Lizenz des deutschen Herstellers Heckler und Koch selbst. Wozu dann einen zweiten Gewehrtyp? Keine Armee der Welt führt ohne Not einen zweiten Gewehrtyp ein. Das bringt nur unnötige Probleme im Hinblick auf die Logistik, Munition, Ausbildung etc. Ein Teil der Gewehre wurde für die Bewaffnung der "Dorfschützer" im kurdischen Kriegs­gebiet eingesetzt, ein anderer Teil ist auf der muslimischen Seite unter Bruch des UN-Embargos in Bosnien zum Einsatz gekommen.

Griechenland beklagte sich über die Aufrüstung des lokalen Rivalen Türkei. Doch statt die Lieferungen an die Türkei zu begrenzen, lieferte die Bundesregie­rung auch an Griechenland: 200 Schüt­zenpanzer, 9 Millionen Schuss Munition, eine Batterie Fla-Raketen und 1.000 Kraftfahrzeuge, getreu dem Motto: es ist genug für alle da.

Die NVA-Waffen katapultierten Deutschland in der SIPRI-Statistik nach vorne, weil SIPRI bei dem NVA-Mate­rial  40% des Neupreises rechnet. Die erklärte deutsche Restriktivität jedoch gibt es, auch ohne das NVA-Gerät, nur auf dem Papier. Denn genehmigt wird fast alles. Der Bundessicherheitsrat ist das oberste Entscheidungsgremium für Rüstungsexporte. Er entscheidet nach dem Konsensprinzip und unterliegt kei­ner parlamentarischen Kontrolle. Die fünf Mitglieder (Wirtschafts-, Finanz-, Verteidigungs-, Innen-, und Außenmini­ster) dieses Ausschusses setzen sich bei brisanten, strittigen Anträgen zusam­men. Vorsitzender ist der Kanzler. Bei einem Nein des Auswärtigen Amtes aufgrund außenpolitischer Bedenken kann das Geschäft nicht laufen.

Im Februar dieses Jahres propagierte Bundesaußenminister Klaus Kinkel vor Vertretern des "Arbeitskreises Wehr­technik der Industrie in Schleswig-Hol­stein" annähernd ungehinderten Rü­stungsexport. Ein Signal: "In der Rela­tion ist das minimal, was nicht laufen kann." sagte er. "Es gibt ein paar Gren­zen," erklärte Kinkel (Bonner Gene­ralanzeiger vom 13.2.96) und nannte als Beispiel den geplanten Verkauf von U-Booten an Taiwan.

Die U-Boote nach Taiwan wurden vom Bundessicherheitsrat nicht genehmigt. Zum Veto gegen das Rüstungsgeschäft kam es aufgrund chinesischer Ein­wände. Es ist kein Geheimnis, daß gute Beziehungen zur VR China für Deutschland sehr wichtig sind. China hat im UNO-Sicherheitsrat ein Veto-Recht bezüglich der Aufnahme neuer Mitglieder und der Bundesregierung ist sehr an einer Mitgliedschaft gelegen. Somit verweigerte der Bundessicher­heitsrat bereits 1992 die U-Boot-Liefe­rung nach Taiwan. Sehr zum Ärger der deutschen Rüstungsindustrie, die diesen Beschluß nicht akzeptiert und seitdem penetrant Vorstöße unternimmt, den Be­schluß umzustoßen, um doch noch lie­fern zu können. Unterstützt von hoch­rangigen und einflussreichen Politikern, wie dem niedersächsischen Ministerprä­sidenten Schröder und seinem ehemali­gen Bremer Amtskollegen Klaus We­demeier, die aus ihrer Haltung "Pro-Ma­rinerüstungsexport" keinen Hehl ma­chen.

Offiziell schreibt man sich jedoch wei­terhin die restriktive Linie auf die Fah­nen. So erklärt das Auswärtige Amt nach den zitierten Pressemeldungen und den damit einhergehenden Irritationen, auf meine Anfrage zur aktuellen außen­politischen Position der Bundesregie­rung in Fragen des Rüstungsexportes, daß "Herr Kinkel weiterhin die bewährte restriktive Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung vertritt". Und "die Kontrolle der Ausfuhr sensitiver Güter stellt einen wichtigen Beitrag zur Frie­denssicherung dar. Die Politik konnte nach Beendigung des Ost-West-Kon­fliktes in verschiedenen Punkten den veränderten Gegebenheiten angepaßt werden."

Etwas deutlicher zeigt sich die Haltung der Bundesregierung auf die Forderung von kirchlichen Vertretern nach einer weitergehenden Restriktivität in der Rü­stungsexportpolitik auf nationaler und europäischer Ebene. Man gibt zu be­denken, "daß die zur Wahrnehmung vi­taler Interessen nötigen Handlungsspiel­räume nicht beseitigt werden dürften" (Reaktionen der Dialogpartner aus der Darstellung des Dialogprogrammes der GKKE (Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung) des Schwerpunktes: Rüstungsexportpolitik auf nationaler und europäischer Ebene, zur Auswer­tungsfachtagung vom 12.-15.3.96).

Rüstungsexporte sind also ein bedeu­tendes außenpolitisches Instrumenta­rium, das man auch als solches aus­schöpfen will. Die erklärte Restriktivität existiert nur in offiziellen Verlautbarun­gen. In der praktischen Politik wird sie unterlaufen und ausgehöhlt.

Ende 1994 hieß es: Bonn beschränkt Sonderkontrollen für Rüstungsexport. Die Bundesregierung reduzierte die Zahl der Länder, die besonders strengen Rüstungsexportkontrollen unterliegen, drastisch. Die "Länderliste H" - das ist die Liste mit Staaten - die auch keine DUAL-USE-Güter erhalten sollen, wurde von 32 Staaten auf 16 reduziert. Und danach wurde nochmal kräftig ge­strichen. 1996 sind nur noch sechs Län­der übrig: Kuba, Afghanistan, Iran, Irak, Libyen und Nordkorea. Dual-Use-Güter sind rüstungsrelevante Güter, die sowohl militärisch als auch zivil ver­wendet werden können. Sie machen den Löwenanteil deutscher Rüstungsexporte aus. Das sind z.B. Werkzeugmaschinen zur Bearbeitung von Geschoßrohren, elektronische Geräte zur Zielerfassung und Kommunikationssysteme. Be­rühmtes Beispiel ist die Lieferung einer deutschen Giftgasanlage nach Libyen, die als Chemiefabik für Schädlingsbe­kämpfung exportiert wurde. Länder wie China, Indien, Pakistan, oder auch Saudi-Arabien, Südafrika, Taiwan und Vietnam dürfen nun beliefert werden.

Kurzhinweis

Nur eine Frage des Standpunktes!

Hier wieder aus der laufenden Rubrik "Wir lesen die Bundeswehrpresse" ein schönes Fundstück:

"Kritik an SIPRI - Verteidigungsau­schuß: Statistik mit falschem Eindruck

(Bonn) Kritik an Berechnung des Stockholmer Friedensforschungsinsti­tius SIPRI, nach denen Deutschland im vergangenen Jahr an dritter Stelle der waffenexpotierenden Länder stand, hat der Verteidigungsausschuß geübt. Die Abgeordneten wandten sich am Mitt­woch vergangener Woche gegen den durch die SIPRI-Statistiken erweckten Eindruck, als leiste die deutsche Ex­portwirtschaft durch ihre Rüstungsaus­fuhr einen "erheblichen Beitrag zur weltweiten Hochrüstung". Die bei den Berechnungen berücksichtigten deut­schen Rüstungsexporte beträfen nahezu ausschließlich gebrauchtes Material aus Beständen der Bundeswehr bezie­hungsweise der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA). Damit hebe sich die Bundesregierung von fast allen Staaten ab, die neue Rüstungsgüter aus­geführt haben."

aus: "Bundeswehr aktuell 4.Juli 1996"

Ein aktuelles Beispiel deutscher Rü­stungsexportpraxis unter dem Deck­mantel der Restriktivtät ist der kürzlich genehmigte Export des Panzers "Wisel" nach Indonesien. Seit Sommer 1995 versucht die zur Frima Rheinmetall ge­hörende Kiler MaK-Systemgesellschaft eine Exportgenehmigung für ihre Klein-Panzer nach Indonesien zu be­kommen. Von einem 100-Millionen-DM-Geschäft ist die Rede. Keine Be­denken gegen den Export hat das Wirt­schafts- und Verteidigungsministeriums. Das Auswärtige Amt blockierte interes­santerweise aufgrund der Menschen­rechtsverletzungen in Ost-Timor. Nun wurden die Klein-Panzer doch geneh­migt, trotz massiver Proteste einer großen Anzahl von Nicht-Regierungs-Organisationen. Anläßlich des EU-Asien-Gipfeltreffens Anfang März 1996 forderten sie in einem offenen Brief die Bundesregierung auf, die Genehmigung nicht zu erteilen und sich dem von der Westeuropäischen Union ausgespro­chenen Waffenembargo anzuschließen.

Sieben Panzer der Kieler MaK System­gesellschaft dürfen als sog. Truppenver­suchsmuster nach Indonesien geliefert werden. Sie gelten als Vorläufer einer größeren Lieferung. Der Wiesel-Panzer, flexibel im Inneren einsetzbar, eignet sich besonders für die Aufstandsbe­kämpfung im Dschungel und im Stra­ßenkampf. Die Panzer "light-Version" der Bundeswehr wiegt gefechtsbereit vier Tonnen und ist absolut geländegän­gig, sowohl für extrem bergiges Terrain, als auch in der Wüste. Nur schwimmen kann er nicht! Der Panzer im Porsche-Design kann an einem Fallschirm vom Hubschrauber herabschweben. In Indo­nesien kann er mit den aus Deutschland gelieferten Transall-Transportflugzeu­gen oder mit den gelieferten NVA- Landungsschiffen verlegt werden.

1970 erteilte die neu gebildete sozial­demokratische Bundesregierung den Auftrag zur Entwicklung eines leicht gepanzerten, lufttransportfähigen Waf­fenträgers. Nach der Auslieferung der ersten Prototypen 1986 wurden mit Be­ginn der Serienfertigung seit 1992 343 Stück an die Bundeswehr geliefert.

Zwei Wiesel passen in einen Bundes­wehr-Transporthubschrauber. Die Kieler Panzer eignen sich für den "out of area"-Einsatz und sind ein wichtiger Bestand­teil der Krisenreaktionskräfte. Und was der Bundeswehr recht ist, könnte der in­donesischen Armee billig sein, denn ge­rade baut Jakarta eine schnelle Ein­greiftruppe auf.

Die Bundesregierung verteidigt das heikle Geschäft hingegen mit der Be­gründung: Für "Einsätze gegen aufstän­dische Gruppen" sei das Kettenfahrzeug "nicht geeignet". Getestet wurden die Wiesel bereits in Somalia, auch nach Bosnien kam der Mehrzweckpanzer mit - bestückt mit Maschinenkanonen und Panzerabwehrraketen. Das Verteidi­gungsministerium begründete dies mit der Notwendigkeit, die deutschen Sol­daten gegen "bewaffnete Banden" schützen zu müssen.

Damit die Wiese-Panzer nicht eingesetzt werden, wie jüngst englische Stützen­panzer in Ujungpandang auf Sulawesi, als StudentInnen gegen eine Fahrpreiser­höhung protestierten, werden wir mit weiteren Aktionen versuchen, die Liefe­rung zu verhindern!

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Andrea Kollig ist Mitarbeierin der BUKO-Kampagne: "Stoppt den Rü-stungsexport!" in Bremen.