Redebeitrag für den Ostermarsch Kassel am 22. April 2019

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

beim Kampf  zum Erhalt unserer einen Welt. Wir haben nur diese eine Welt. Und wir wollen, dass alle Menschen gut und sicher leben können und nicht nur eine sehr kleine Minderheit, die auf Kosten der Vielen mit immer neuen Tricks alles an sich raffen will. Zerstörung des Klimas, Zerstörung durch Kriege, Zerstörung durch Ausbeutung von Menschen und Rohstoffen sind für sie lediglich Kollateralschäden. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen deutlicher  und lauter werden!

Eine Folge dieser Ungerechtigkeiten, dieser Verbrechen sind die vielen, vor dem Elend fliehenden Menschen.

Ich betone, Flüchtlinge sind eine Folge davon. Die Politik in Europa bekämpft aber immer mehr die Flüchtlinge statt die Fluchtursachen. Damit werden dann Stimmungen gemacht, rechtsextreme Parteien bekommen mehr Zulauf. Vom rechten Rand bewegen sie sich immer stärker in die Mitte der konservativen Parteien. Oder ist es umgekehrt? Bewegt sich die Mitte schon hin zum rechten Rand?

Die Auswirkungen für die Flüchtlinge sind jedenfalls lebensbedrohlich!!!

Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer. Warum? Die “Festung Europa” wird immer stärker ausgebaut, damit die Flüchtlinge unsere Grenzen nicht erreichen. Wenn sie in die schon überfüllten Lager auf griechischen Inseln oder in Italien oder in Spanien ankommen, sofern sie es überhaupt bis dahin schaffen, sind sie für deutsche Regierungen unsichtbar. Auch die Medien berichten kaum darüber. Es scheint nicht unser Problem zu sein, wenn sie ertrinken. Ständig steigen die Zahlen der im Mittelmeer ertrinkenden Menschen. Das Mittelmeer wird zum Massengrab.

Aber es gibt auch unabhängige Rettungsorganisationen, die nicht wegschauen, die helfen wollen, die mit Menschlichkeit reagieren, die flüchtende Menschen mit ihren Schiffen vor dem Ertrinken im Mittelmeer retten wollen. Sie befinden sich im Einklang mit der “Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte”, wie sie am 10. Dez.1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen unter dem Eindruck des 2. Weltkriegs verkündet wurden und die natürlich auch für Deutschland gelten.

Der 1. Satz von Artikel 1 heißt:

“Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.”

Dieser Satz gilt offensichtlich für viele Regierenden nicht mehr. Denn es geht fast nur noch um Abschottung und nicht um Rettung. Die EU-Marine-Mission “Sophia” wurde vor kurzem eingestellt. Die zivile Seenotrettung wird vor allem aus Italien massiv behindert.

Und die Helfer von den Rettungsschiffen werden kriminalisiert und bedroht.

Auf Videos sehen wir die Realität, die Flüchtlingstragödien vor der libyschen Küste. Konkretes Beispiel: Die Helfer vom Rettungsschiff “Sea Watch 2” werden von der Besatzung libyscher  Küstenwachschiffe massiv  bedroht, weil sie Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten wollten.  Die Besatzung der Küstenwachschiffe aber retten nicht etwa die Menschen vor dem Ertrinken, sondern man kann auf dem Video sehen, dass sie die Hilfesuchenden sogar vom Schiff wegstoßen. Das ist Mord!

Wir wollen uns damit nicht abfinden. Denn nicht die Flüchtlinge sind das Problem, sondern die Verursacher für dieses Elend. Wir können es alle wissen. Afrikanische Länder werden ausgeplündert oder ihre Wirtschaft wird durch europäische Exporte zerstört. Korrupte Politiker, die dem Westen genehm sind, werden finanziell unterstützt. Und zur Machtsicherung verkauft der Westen Waffen aller Art. Seit Jahrzehnten auch von Kassel aus,  Krauss-Maffei Wegmann, Rheinmetall und  die Kampfpanzer Leopard II. sind einige Stichworte dafür. Und seit Jahrzehnten kämpfen wir hier gegen das Morden, das von Kassel ausgeht. Und wir werden auch nicht aufhören!

Denn das Morden hält immer noch an.

Wir wissen also das alles, kennen die Zusammenhänge, die weltweit zu dem Elend so vieler Menschen führen. Menschen, die unter Krieg und Zerstörung leiden, denen die Existenzgrundlagen weggenommen wird. Durchs Internet können sie sich informieren, sie sehen, wie Menschen in anderen Ländern recht friedlich und gesichert leben können. Es ist doch nicht verwunderlich, dass sie dorthin kommen wollen!

Dazu kommen die Konsequenzen der Klimakatastrophe, von denen mein Vorredner gerade eindringlich gesprochen hat. Die Klimakatastrophe ist ja ein Teil der Zerstörung unserer Welt.

Ich finde, unsere Proteste gegen die herrschenden Zustände, mit denen wir uns nicht abfinden werden, gehören zusammen!

Wir können von der Bewegung “Friday for future” lernen. Ihre neuen Formen, ihre Kreativität, ihre große Ernsthaftigkeit, verbunden mit viel Spontanietät, haben Menschen wachgerüttelt.

Vielleicht schaffen wir es, gemeinsam etwas weiter zu entwickeln, für eine andere Klimapolitik, für eine Friedenspolitik statt ständiger zerstörerischer Aufrüstung, für eine gerechtere, solidarische Welt.

Dann müssten die Menschen auch nicht mehr millionenfach fliehen. Solange sie aber noch fliehen müssen, ist es unsere verdammte Pflicht, sie aufzunehmen und ihnen Asyl zu gewähren. Und nicht, wie der Innenminister Seehofer über den Abschiebeknast nachzudenken!

Wir unterstützen deshalb die “Seebrücke” und fordern, dass auch Kassel zu einem “Sicheren Hafen” wird!

Zum Schluss erinnere ich nochmals an die “Erklärung der Menschenrechte”. Der Artikel 14 sagt eindeutig: “Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen.”

Und wir sagen:

“Kein Mensch ist illegal”

Grenzen auf für Flüchtlinge, Grenzen zu für den Waffenhandel!

Lasst uns gemeinsam, jung und alt, für eine bessere Zukunft, für eine lebenswerte Welt kämpfen!

 

Dr. Marlis Wilde-Stockmeyer  ist ehrenamtliche Stadträtin der Stadt Kassel.