Redebeitrag für den Ostermarsch Ingolstadt am 8. April 2023

 

- Sperrfrist: 8. April 2023, Redebeginn: 10 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Ingolstädter und Ingolstädterinnen, liebe Friedensfreunde,

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit - dies ist ein Wort von Papst Franziskus. Gibt es irgendetwas, was höher steht als Menschlichkeit? Nationalgefühl, Ehre, staatliche Souveränität? Täglich sterben Menschen auf die grausamste Art und Weise, Frauen und Männer, Greise und Kinder, zerrissen, verschüttet, durchschossen. Wie viele es sind wird – kriegstypisch – immer nur für die Gegenseite angegeben. Ein Land liegt in Trümmern, seine Fluren sind vermint, seine Böden mit Blut getränkt. Man richtet sich mit viel klarer Einsicht und vorausschauender Planung darauf ein, dass all dies noch Jahre andauert. Was wird am Ende gewonnen sein?

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit. Das gilt auch im geistigen und seelischen Bereich. Die fundamentalen Gesetze der Moral werden schlichtweg umgedreht. Wer am meisten tötet, ist der Beste. Wir wissen, welche psychischen Schäden das anrichtet. Ein Gleiches gilt aber auch für den Anblick von Grausamkeit, dem Zivilisten tagtäglich ausgesetzt sind. Die Bilder, die Geräusche, die Angst werden sie lebenslang belasten und nicht nur sie, sondern noch die nachfolgenden Generationen. All das wissen wir, die Psychologie legt uns die Beweise vor.

Ungeachtet dessen glauben wir an die Erlösung durch Krieg und Gewalt und wir glauben daran felsenfest, wider alle Vernunft. Zitierte ich den Papst mit dem Satz: Krieg ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit? Der Satz müsste heißen: Krieg ist der Ausverkauf, ist die Niederlage, das Ende der Menschlichkeit. Gewalt entwürdigt uns als Menschen, denn wir sprechen dem Gegner die Menschenwürde und das Lebensrecht ab. Die Toten der Gegenseite taugen für Erfolgsmeldungen. Die eigenen Toten werden verschwiegen. Die Würde der Gegenseite gibt es nicht, aber die eigene Würde geht über alles.

Krieg ist würdelos und macht würdelos. Der kräftigste Beweis ist dafür ist das vielberufene Konstrukt vom Kampf des Lichtes gegen die Finsternis, vom Guten gegen das Böse. Als könnte etwas gut sein, das solche Verheerung anrichtet, als wäre dieser Krieg nicht ebenso wie jeder andere auch ein Produkt von Habgier und zynischer Spekulation. Besonders schlimm trifft es mich, wenn diese Lügen von Licht und Finsternis aus dem Mund von Kirchenleuten kommen, ganz gleich welcher Seite.

Doch kehren wir vor unserer eigenen Tür. Nicht erst Krieg und tätige Brutalität sind das Ende der Menschlichkeit, sondern jede Gewalt im Denken und Sprechen. Wie viel Unduldsamkeit hat sich in unserem Leben, Reden und Denken eingeschlichen. Wer nicht meiner Meinung ist, hat keinen Verstand oder gleich gar kein Gewissen! Das ist eine Denkungsart, die nicht weiter um sich greifen darf. Jeder, und sei seine Haltung noch so unbegreiflich, hat das Recht und die Würde, dass man ihm zuhört, ihn ernst nimmt. Es ist ein Unding, im Gespräch nur auf das Niedermachen des Gegners zu zielen. Wer so verfährt, zeigt, dass er Elementares nicht gelernt hat.

Konflikte wird es immer geben. Konflikte zwischen Personen, Konflikte zwischen Völkern. Sie lassen sich nicht eliminieren. Frieden ist nicht die Ausrottung des Feindes. Es gilt, Konflikte früh zu erkennen – und mögen doch die Regierungen ihr Geld dafür verwenden! Und es gilt, sie friedlich und schiedlich zu lösen, statt mit Gewalt. Gewaltfreiheit wirkt besser und nachhaltiger (nehmen sie sich einen der pax christi Flyer mit!). Gewalt ist ein Irrweg, der dadurch nicht besser wird, dass die Menschheit auf ihm wieder und wieder in den Abgrund taumelt.

Eine ukrainische Friedensaktivistin schreibt: Beide Seiten erklären, dass die Souveränität auf dem Spiel stehe. Aber was ich heute sagen muss: Heute steht etwas Wichtigeres auf dem Spiel als die Souveränität. Unsere Menschlichkeit steht auf dem Spiel. Die Fähigkeit der Menschheit, in Frieden zu leben und Konflikte ohne Gewalt zu lösen, steht auf dem Spiel.

Ja, Krieg ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit und noch mehr: Er ist das Ende der Menschlichkeit.

Vielen Dank.

 

Irmgard Scheitler ist aktiv bei der kath. Friedensbewegung Pax Christi.