Redebeitrag für den Ostermarsch in Krefeld am 21. April 2025

 

- Sperrfrist: 21.04., Redebeginn: ca. 12 Uhr -
- Es gilt das gesprochene Wort –

 

Kriegsdienstverweigerung statt „Kriegstüchtigkeit“

 

Liebe Zuhörende,

ich heiße Achim Schmitz und rede über Kriegsdienstverweigerung (KDV). Ermutigend finde ich das Buch eines jungen Podcasters, Ole Nymoen mit dem Titel „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde: Gegen die Kriegstüchtigkeit“: Die Behauptung, das Sicherheitsinteresse eines Staates falle mit dem seiner Bürger*innen zusammen, findet er absurd. Er will nicht auf andere Menschen schießen und fragt: Wer bestimmt eigentlich über einen „Waffengang“? Ist es wirklich die Bevölkerung?1

Auch wenn der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung beim sog. „Wehrdienst“ zunächst auf Freiwilligkeit setzt, werden in der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) und in der EAK (Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden) wieder Tipps für das KDV-Verfahren gegeben (inkl. der Empfehlung an Jugendliche bis 16 Jahren, der Weitergabe der Wohnadresse von den Meldebehörden an die Bundeswehr zu widersprechen).2

Empörend finde ich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16.01.2025, der lt. Connection e.V. das Grundrecht auf KDV angreift.3 Der BGH fasste auf Antrag des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden einen Beschluss (Beschluss 4 ARs 11/24) zur Frage, ob ein ukrainischer Staatsbürger ausgeliefert werden dürfe, obwohl er erklärt habe, Kriegsdienstverweigerer zu sein, und die Ukraine für den Kriegsfall das KDV-Recht ausgesetzt hat. Dem Verweigerer droht dort die Einberufung in den Krieg und bei einer Verweigerung eine jahrelange Haftstrafe. Die Auslieferung war jedoch von der Ukraine wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt beantragt worden.

Der BGH stellt lt. Connection e.V. fest, dass auch bei fehlendem KDV-Recht in die Ukraine ausgeliefert werden dürfe, die sich in einem Verteidigungskrieg befinde. Das Recht des Staates, sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg militärisch zu wehren, wird als höher erachtet als die KDV-Entscheidung eines Individuums. Diese Feststellung widerspricht einer BGH-Entscheidung von 1977 (BGH, Beschluss vom 24. Mai 1977 – 4 Ars/6/77: "Auslieferung eines Ausländers in sein Heimatland ist unzulässig, wenn er dort gegen sein Gewissen zum Wehrdienst an der Waffe herangezogen würde").

Connection e.V. zufolge hält der BGH es für nicht undenkbar, dass Wehrpflichtige in außerordentlicher Lage gehindert sein könnten, den Kriegsdienst an der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern. Dieser Einschätzung widerspricht die Juristin Kathrin Groh von der Bundeswehr-Universität München: „Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Art. 4 Abs. 3 GG ist auf den Kriegsfall zugeschnitten. Sein unantastbarer Kernbereich verlangt gerade für den Verteidigungsfall uneingeschränkte Geltung.4

Es gibt schockierende Informationen zum Umgang mit Kriegsdienstverweigerern während des verwerflichen Angriffskrieges des Putin-Regimes in Russland gegen die Ukraine:

Beamte des ukrainischen Rekrutierungsbüros folterten Kriegsdienstverweigerer. Sie werden wochen- oder monatelang festgehalten, um sie unter Druck setzen, der Mobilisierung zum Militär zuzustimmen.5

Aus Angst vor der Front flüchten ukrainische Männer unter großen Gefahren über den Grenzfluss Theiß ins Ausland. Wegen des verschärften Umgangs mit Kriegsdienstverweigerern nimmt die Zahl der Fluchtversuche aus dem Land zu.6 „Die Zahl der ukrainischen Männer, die 2024 illegal die Grenze nach Rumänien überquerten, hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht, berichtet Florin Coman von der rumänischen Grenzpolizei auf einer Pressekonferenz.“7

Die Repressalien sind erheblich: Ein in der Ukraine arbeitender Journalist teilte mir mit, dass die ukrainische Zeitung „New Voice“ unter Berufung auf die ukrainische Staatsanwaltschaft Anfang April dieses Jahres folgendes berichtet: „Laut offiziellen Daten wurden im Jahr 2024 nahezu 68.000 Strafverfahren wegen eigenmächtigen Verlassens der Truppe und über 23.000 wegen Desertion eingeleitet. Zum Vergleich: Laut Washington Post hat die Ukraine im selben Zeitraum etwa 200.000 neue Rekruten mobilisieren können.“8

Die nach Dezember 2022 eingeleitete verdeckte Mobilisierung in Russland wurde fortgesetzt. Besonders gefährdet sind Wehrpflichtige und Reservisten. Ihnen drohen Strafverfolgung und sogar körperliche Folter: „Oft werden sie nicht um ihre Zustimmung gebeten, sondern einfach darüber informiert, dass sie an Kampfhandlungen im Krieg Russlands gegen die Ukraine teilnehmen werden.“9 Soeben berichtet das der russischen Regierung nahestehende russische Portal lenta.ru über Desertion russischer Soldaten aus ihrer Einheit. In Krasnodar haben sich etwa 100 Soldaten unerlaubt von der Truppe entfernt.10

In Belarus drohen laut Strafgesetzbuch Kriegsdienstverweigerern Geld- und Haftstrafen sowie, in Extremfällen bei Desertion die Todesstrafe unter dem Vorwurf des „Hochverrats“. Kriegsdienstverweigerer können zu einer Haft von bis zu 5 Jahren verurteilt werden.11

Mehr als 20 Organisationen aus Deutschland rufen zu einer Aktionswoche zum Internationalen Tag der KDV (15. Mai) auf.12 Ich fordere Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer und Deserteure und damit das Recht, das Töten zu verweigern.

Die von mir verwendeten Quellen sind online beim Krefelder Friedensbündnis und beim Netzwerk Friedenskooperative nachzulesen. Zwei davon bekam ich vom o.g. Journalisten in der Landessprache.

Ich danke für Eure Aufmerksamkeit und wünsche Euch trotz allem noch einen schönen Ostermontag.

 

Anmerkungen:

 

Achim Schmitz ist aktiv bei der DFG-VK.