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 Der Kaukasus

Eine Sicherheitsorganisation mit beschränkten Mitteln

Die OSZE im Kaukasus

Silvia Stöber

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) war während der bald 20 Jahre seit dem Ende der Sowjetunion im Kaukasus aktiv. Sowohl im russischen Nordkaukasus als auch in den drei Südkaukasusstaaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan bot und bietet sich ein breites Aufgabenspektrum für eine Sicherheitsorganisation, die sich als Forum für politischen Dialog versteht. Nicht nur mussten demokratische und rechtsstaatliche Strukturen geschaffen werden. Es brachen auch Konflikte auf. Mehrere Ethnien wie die Tschetschenen im Nordkaukasus, die Südosseten und Abchasen in Georgien sowie die Armenier im zu Aserbaidschan gehörenden Berg-Karabach forderten ihr Selbstbestimmungsrecht ein. Dies kollidierte mit dem Anspruch Russlands, Georgiens und Aserbaidschans auf territoriale Integrität und widersprach deren teils starken nationalistischen Bestrebungen besonders in Georgien.

So wurde die OSZE im Jahr 1992 auf Bitten Georgiens im Südkaukasus aktiv, um bei der Beilegung des Konfliktes zwischen Georgien und dem abtrünnigen Südossetien zu helfen. Bis heute ist die Sicherheitsorganisation als Vermittler im Konflikt um die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende und von Armenien besetzte Region Berg-Karabach aktiv. Daneben gab es von 1995 bis 2002 eine Unterstützungsgruppe für Tschetschenien und von 2000 bis 2004 eine Beobachtungsmission für die georgisch-russische Grenze. Die OSZE unterstützte die Forderung Georgiens nach dem Abzug der russischen Truppen von seinem Territorium. Das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte, ODIHR, führt regelmäßig Wahlbeobachtungen durch.

Die OSZE kann jedoch wie andere internationale Organisationen nur in dem Maße Wirkung entfalten, wie es die Mitgliedsstaaten zulassen und sich engagieren. Entscheidungen werden im Konsens auf einer politischen, nicht jedoch rechtlich bindenden Basis getroffen. Die engagierte Arbeit von OSZE-Mitarbeitern war und ist immer wieder durch schwierige Ausgangsbedingungen eingeschränkt. Die OSZE wird in einem Mitgliedsland auf dessen Einladung tätig und kann beispielsweise nur begrenzt gegen dessen Willen Menschenrechtsverletzungen nachgehen oder Waffenstillstandsvereinbarungen kontrollieren.



Tschetschenien

1995, inmitten des ersten Tschetschenienkrieges (1994 - 1996), entsandte die OSZE eine Unterstützungsgruppe nach Tschetschenien. Zu ihrem Mandat zählte die Vermittlung zwischen den Konfliktparteien und Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen. Je mehr aber die russischen Truppen nach Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges 1999 die Lage unter Kontrolle bekamen, desto strikter bestand die Regierung in Moskau darauf, dass sich die Unterstützungsgruppe auf den humanitären Aspekt ihres Mandats beschränkte. Dies führte soweit, dass sich Russland mit den anderen OSZE-Staaten nicht mehr auf die Form des Mandats einigen konnte und die Mission deshalb Ende 2002 auslief.

Das Ende der OSZE-Unterstützungsgruppe löste bei den tschetschenischen Rebellen und auch bei Nichtregierungsorganisationen keinen oder wenig Protest hervor. Die OSZE wurde als kaum sichtbar und wenig aktiv angesehen. Das hatte mehrere Gründe. So waren die internationalen OSZE-Mitarbeiter wegen Entführungsgefahr immer in Begleitung von Spezialeinsatzkräften des russischen Justizministeriums unterwegs. Ende 1998 verließ das OSZE-Personal aus Sicherheitsgründen Grosny und konnte später nur noch nach Nordtschetschenien zurückkehren. Hinzu kam, dass lediglich sechs internationale OSZE-Mitarbeiter und weitere lokale Mitarbeiter für die Erfüllung des breit gefassten Mandats zuständig waren. Auch beruhte das Mandat auf der Grundlage, dass die OSZE die territoriale Integrität Russlands anerkannte, was den Unabhängigkeitsbestrebungen der tschetschenischen Konfliktpartei zuwiderlief.



Georgien

Die beiden letzteren Aspekte wurden auch für die OSZE-Mission in Georgien zum Problem, die ab 1992 aktiv war und deren Schwerpunkt auf der Unterstützung bei der Beilegung des Konfliktes zwischen Georgien und dem abtrünnigen Südossetien lag. Die südossetische Führung ging so weit, vermittelt über eine Medienagentur, Stimmung gegen die OSZE zu machen. Als sich der Konflikt im Frühjahr 2008 immer stärker zuspitzte und es häufiger zu Zwischenfällen mit Verletzten und Toten kam, wurde auch eine OSZE-Patrouille Ziel einer Attacke. Allerdings wurde nicht geklärt, wer die Angreifer waren. Nur acht OSZE-Mitarbeiter durften an der georgisch-südossetischen Grenzlinie Patrouillen fahren. Zwischenfälle konnten sie erst dann untersuchen, wenn sie dazu von der Friedenstruppe, die zu gleichen Teilen aus Russen, Osseten und Georgiern zusammengesetzt war, gerufen wurden. Die Friedenstruppe ebenso wie eine gemeinsame Kontrollgruppe waren 1992 bei einem von Russland vermittelten Waffenstillstand vereinbart worden. Die OSZE kam erst Monate später hinzu und war nie ganz in die Strukturen eingebunden. Dies erschwerte die Vermittlungsversuche der OSZE. Die Mission konnte nicht verhindern, dass unter den Augen russischer Friedenssoldaten ossetische Milizen und georgische Innenministeriumstruppen nach 2004 immer mehr Waffen in die Konfliktzone brachten und dort eigene Kontrollposten errichteten.

Als sich die Lage zum August 2008 zuspitzte, zeigte sich die Machtlosigkeit der OSZE-Mission. Die Warnungen der OSZE-Beobachter vor einer militärischen Eskalation des Konfliktes erreichten die Mitgliedsländer sehr spät, so dass Europa vom Ausbruch des Krieges am 8. August 2008 überrascht wurde. Bei den Waffenstillstandsverhandlungen spielte die EU die Hauptrolle. Russland bestand nach dem Krieg auf einer getrennten Mission für Südossetien, das es als unabhängig anerkannt hatte. Dies stieß in der OSZE auf Widerstand, so dass Ende 2008 auch das Mandat der Mission für Georgien auslief. Derzeit ist die OSZE mit der UNO und der EU an den Genfer Gesprächen beteiligt, bei denen bislang erfolglos über eine endgültige Lösung der Konflikte Georgiens mit den abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien verhandelt wird.

Ein weiteres Mal sorgte Russland für das Ende einer OSZE-Mission im Kaukasus. Vor allem während des zweiten Tschetschenienkrieges suchten viele Flüchtlinge auf der georgischen Seite Unterschlupf. Russland machte Georgien massive Vorwürfe, es gewähre tschetschenischen Rebellen und Extremisten Unterschlupf. 2002 bombardierte Russland das Pankisi-Tal in Georgien. Auf Bitten Georgiens begann die OSZE 1999 mit einer Grenzkontrolloperation am georgisch-tschetschenischen Grenzabschnitt, die später auf den inguschetischen und dagestanischen Abschnitt der russischen Grenze erweitert wurde. Der OSZE-Mission gelang es, viele Vorwürfe Russlands zu entkräften. Nach einem Veto Russlands musste die Mission allerdings Ende 2004 ihre Arbeit einstellen und führte bis 2007 nur noch Trainingsprogramme für die georgische Grenztruppen und die Grenzpolizei durch.



Berg-Karabach

Noch aktiv ist die OSZE derzeit bei der Vermittlung im Konflikt um das Gebiet Berg-Karabach, das sich innerhalb der international anerkannten Grenzen Aserbaidschans befindet. Die Bergregion und sieben angrenzende Bezirke werden seit einem Krieg Anfang der neunziger Jahre von Armenien kontrolliert. 1994 hatte Russland einen Waffenstillstand vermittelt. Doch immer wieder kommt es zu Zwischenfällen an der Frontlinie, an der sich beide Seiten direkt gegenüberstehen. Die OSZE ist mit der "Minsker Gruppe" in die Verhandlungen involviert, die von Russland, den USA und Frankreich geleitet wird. Nachdem es zu Beginn zwischen den vermittelnden Ländern zu Unstimmigkeiten gekommen war, verfolgten diese später gemeinsam das Ziel, den Konflikt nicht wieder zu einem Krieg eskalieren zu lassen. Sowohl Russland als auch die USA wollen es vermeiden, sich im Falle einer Eskalation für eine Konfliktpartei entscheiden zu müssen.

Über die Jahre verhandelte die "Minsker Gruppe" hinter verschlossenen Türen mit den Präsidenten beider Länder. Dies führte dazu, dass die Präsidenten ihren eigenen Regierungen und der Bevölkerung Verhandlungslösungen ohne Vorbereitung präsentierten. Es gelang den Präsidenten nicht, die unvorbereitete Öffentlichkeit von Kompromissen zu überzeugen. Die wenigen zivilgesellschaftlichen Initiativen für eine Annäherung von Armeniern und Aserbaidschanern kommen kaum gegen die feindliche Propaganda der Medien beider Seiten an.

Nach 17 Jahren erfolgloser Verhandlungen befindet sich der Vermittlungsprozess in einer Sackgasse. Forcierte Anstrengungen Russlands in den vergangenen beiden Jahren zeitigten nur geringe Ergebnisse. So wurde der Austausch von Gefangenen und Getöteten vereinbart. Doch internationale Forderungen zum Beispiel zum Rückzug von Heckenschützen von der Frontlinie werden nicht befolgt. Die OSZE darf zur Aufklärung der immer wieder vorkommenden Zwischenfälle nach Absprache mit Armenien und Aserbaidschan sechs Beobachter an die 170 Kilometer lange Fronlinie schicken. Eine grundlegende Aufklärung ist da nicht möglich.

Es besteht die Gefahr, dass mit dem Streit um Berg-Karabach erneut ein Konflikt im Kaukasus eskaliert und Europa wieder überrascht wird. Um dies zu verhindern, wären internationale Aufmerksamkeit und Engagement nötig. Die OSZE als Sicherheitsorganisation könnte dafür nach wie vor ein Forum bieten. Doch müsste Russland, das den Südkaukasus nach wie vor als seine Einflusszone betrachtet, ernst genommen und nötigenfalls auch unter Druck gesetzt werden.





Silvia Stöber ist freie Journalistin in Hamburg und ist auf den Südkaukasus spezialisiert, den sie oft bereist.
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