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Nachruf

Abschied von Christian Wellmann
25.08.1948 - 13.11.2013

Martina Fischer

Am 13. November 2013 verstarb völlig unerwartet in Belapais (Nordzypern) Dr. Christian Wellmann. Er ist vielen LeserInnen dieser Zeitschrift bekannt als Friedensforscher, Friedensaktivist und Mitherausgeber friedenspolitischer Schriften.

Christian Wellmann hatte zusammen mit Hanne Birckenbach 1971 in Frankfurt die Zeitschrift "antimilitarismus-information (kurz: "ami") gegründet und bald darauf den Weg in die Friedensforschung eingeschlagen. Unsere Zusammenarbeit begann Anfang der 1980er Jahre, als beide in einem praxisorientierten Seminar an der Freien Universität Berlin Studierenden publizistisches Arbeiten und friedenspolitisches Denken vermittelten. Ich war eine der Teilnehmerinnen und wurde bald darauf Redakteurin der "ami", die sich in der (damals noch geteilten) Stadt fest etabliert hatte, als friedenspolitischer Informationsdienst, der gegen den Rüstungswahn des Ost-West-Konflikts anschrieb und ein Forum für die Diskussion friedenspolitischer Alternativen bot.

Die "ami" war unser gemeinsames Ding über sechzehn intensive Jahre. Woche für Woche haben wir die monatlichen Ausgaben diskutiert und über unzählige Artikel konstruktiv gestritten, bis sie unseren Ansprüchen genügten. In der ami mitzutun erforderte Fleiß und eine klare Vision: die Vorstellung, dass eine Welt ohne Krieg möglich ist, dass Frieden mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, und dass eine friedliche Gesellschaft aktiv und mit viel Phantasie gestaltet werden muss. Diese Vision hat Christian Wellmann gelebt und ausgestrahlt, gemeinsam mit Hanne Birckenbach, mit der er seit 1970 zusammenlebte und seit 1984 verheiratet war.

Christian wurde am 28. November in seiner Geburtsstadt und langjährigen Wahlheimat Hamburg beigesetzt. Hanne Birckenbach hat für die Trauerfeier unter anderem das Lied "Der Deserteur"
(1) ausgewählt. Dieses Lied steht für Christian, den Friedensaktivisten, der am Ende seiner Schulzeit den Kriegsdienst verweigerte und sich in der Friedensbewegung engagierte, und der das, was den Frieden gefährdete, nicht nur kritisierte, sondern als Friedensforscher auch gründlich analysierte.

Nach seinem Soziologiestudium in Frankfurt war Christian Wellmann wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektverbund der Berghof Stiftung in Berlin (1977 bis 1981), und von 1979 bis 1987 forschte und lehrte er am Fachbereich Politikwissenschaften der FU Berlin, wo er auch promovierte. 1988 ging er nach Frankfurt und war dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Redakteur der Buchzeitschrift Friedensanalysen an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung tätig. Von 1989 bis 1996 war er außerdem - zusammen mit Hanne Birckenbach und Uli Jäger - Mitherausgeber des "Jahrbuch Frieden", von dem insgesamt acht Bände im C. H. Beck-Verlag erschienen. Seit Anfang der 1990er Jahre betrieb Christian Wellmann erfolgreich den Aufbau des Schleswig-Holsteinischen Instituts für Friedenswissenschaften in Kiel, wo er bis 2010 als stellvertretender Direktor und Forschungskoordinator tätig war und sich für Krisenprävention und friedliche Streitbeilegung im Ostseeraum engagierte.

Mit Zielstrebigkeit und Akribie hat er die Strukturen aufgedeckt, die Unsicherheit in die Welt bringen. Vor allem die Rüstungswirtschaft hatte er im Blick und in einer Genauigkeit analysiert, die Expertinnen im In- und Ausland große Bewunderung abverlangte. Genauigkeit und Beharrlichkeit hat er auch in seiner meisterhaften Doktorarbeit bewiesen.
(2) Dass Frieden nicht mit der Anhäufung von Waffen vereinbar ist und dass die Produktion von zivilen Gütern das Wirtschaften prägen sollte, war sein politisches Credo, das er auch zu seinem beruflichen Anliegen machte.

Ich selbst - wie einige der früheren ami-KollegInnen - verdanke Christian Wellmann viel: politisches Denken, viele Kontakte und ein überzeugendes Vorbild, das mit dazu beitrug, dass ich selbst Friedensforscherin wurde. Ich denke nun an die gemeinsamen Tage bei der Konferenz der "European Peace Research Association" (EuPRA) Anfang November in Famagusta (Nordzypern) zurück. Diese Tagung wurde von Christian maßgeblich mit konzipiert. Sie widmete sich Konflikten in Europa und den daran angrenzenden Regionen und brachte FriedensforscherInnen von Skandinavien bis zum Nahen Osten zusammen. Sie war ein großer Erfolg. Am Rande des Treffens haben wir unsere Pläne für die Zukunft ausgetauscht, und davon hatte Christian - der im August seinen 65. Geburtstag gefeiert hatte und erst kürzlich von der Kieler Universität in den Ruhestand verabschiedet worden war - eine Menge. Vor allem war es ihm ein Herzensanliegen, die EuPRA alsbald nach Deutschland zu bringen. Jetzt müssen sich andere auf den Weg machen, dieses Vorhaben umzusetzen.

Wir werden ihn sehr vermissen, in seiner freundlichen und jungenhaften Art, und in seiner Beharrlichkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen und den Frieden mit Taten und Argumenten zu erstreiten.

Aus Finnland schrieb ein Kollege: "Ich werde Christian so in Erinnerung behalten, wie ich ihn in Zypern - und nicht nur dort - erlebt habe: voller Energie, Leidenschaft und wohlmeinender Kritik." So haben viele ihn wahrgenommen. Alles, was er betrieb, hat er gründlich und mit voller Kraft, mit Herz, Verstand und Zuversicht angepackt, aber eben auch mit viel Humor und Lebenslust. Sowohl die Forschung als auch die Friedensbewegung haben mit Christian Wellmann einen wichtigen und verlässlichen Mitstreiter verloren.



Anmerkungen



1Dieses Lied schrieb Boris Vian Mitte der 1950er Jahre in Paris unter dem Eindruck der Indochina-Kriege, an denen sich der französische Staat mit seiner Kolonialarmee beteiligt hatte.



2Christian Wellmann (1989): "Abrüstung und Beschäftigung - ein Zielkonflikt? Eine empirische Analyse finanzieller und ökonomischer Ausgangsbedingungen für Konversion in der Bundesrepublik Deutschland"; Campus-Verlag, Frankfurt a.M.




Dr. Martina Fischer ist Programmdirektorin für Südosteuropa der Berghof-Stiftung und Mitherausgeberin des Berghof Handbook for Conflict Transformation.

E-Mail: martina (Punkt) fischer (at) berghof-center (Punkt) org
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