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Antikriegstag 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zum Antikriegstag in Oberhausen am 01.09.2005

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Albrecht-Mainz,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

Dieter Hillebrand (in Mülheim)

- Sperrfrist: Redebeginn, 1. September 2005, 11.30 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort -



liebe Kolleginnen und Kollegen,
und vor allem liebe Schülerinnen und Schüler

ich freue mich sehr, dass sie in diesem Jahr an der Gedenkveranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, hier in der Gedenkhalle des Schloss Oberhausen teilnehmen.

Ein besonderer Dank gilt der Stadt Oberhausen die auch in diesem Jahr unsere Veranstaltung begleitet. Frau Bürgermeisterin Albrecht-Mainz seien Sie uns herzlich willkommen.

Bedanken möchte ich mich bei Clemens Heinrichs, dem Leiter der Gedenkhalle für seine bereits langjährige Kooperationsbereitschaft, die Antikriegstagsveranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbund hier im Schloss in Oberhausen durchzuführen.

Besonders hervorheben möchte ich aber die Hauptakteure der heutigen Veranstaltung, die Schülerinnen und Schüler des Sophie-Scholl und des Bertha von Suttner Gymnasiums. Beide Schulen werden sich aktiv an dieser Gedenkveranstaltung beteiligen. Dafür meinen herzlichen Dank.

Für die musikalische Begleitung bedanke ich mich bei Gerd Schäfer.

Am 1. September 1939, also vor 66 Jahren, begann der national-sozialistische Angriffskrieg auf Polen, der mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8.Mai 1945 endete. Der 1. September steht für einen gnadenlosen Vernichtungskrieges mit mehr 60 Millionen Toten.

Der 8. Mai steht für das Ende der zwölfjährigen Nazidiktatur und des in der Geschichte wohl eines beispielslosen Massenvernichtung an den europäischen Juden. Mit dem Krieg endete die Verfolgung von Sinti und Roma, Homosexuellen, so genannter Asozialer, politisch Andersdenkender und Gewerkschafter.

Dieser Krieg allerdings, ist nicht vom Himmel gefallen oder aus dem NICHTS aufgetaucht. Dieser Krieg wurde von dem Naziregime von langer Hand vorbereitet. Eine Vorrausetzung dafür war es damals sicherlich, dass alle demokratische und zivilgesellschaftliche Strukturen der Weimarer Zeit zerschlagen wurden.

Jegliche Opposition im eigenen Land wurde mit brutalen und grausamen Mittel unterdrückt. Mit der Besetzung der Gewerkschaftshäuser am 2. Mai 1933, der Verschleppung und Ermordung von Gewerkschaftern, Sozialdemokraten und Kommunisten wurde eine menschenverachtende Phase eingeleitet, die letztendlich zu diesem brutalen Kriegsausbruch am 1.September 1939 geführt hat.

Menschen jüdischen Glaubens zählten ebenfalls zu den ersten Opfern des Naziregimes. Mit der Judenhetze in Hitlers Reden, in seinem Buch "Mein Kampf" und dem Nazipropagandablatt "Der Stürmer" wurde bereits zu Beginn des Naziregimes die Saat für eine antijüdische Stimmung gelegt.

Mit den Nürnberger Gesetzen von 1935, mit der Reichpogromnacht am 9. November 1938 und den dann einsetzenden industriellen Massenmord an den europäischen Juden wurde der Weltöffentlichkeit, das menschenverachtende Wirken der Nationalsozialisten aufgezeigt. Insgesamt wurde 5,7 Millionen Menschen jüdischen Glaubens ermordet.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund sind der 1. September und der 8. Mai daher Mahnung und Verpflichtung zugleich: Rechtextremistische Ideologie und Gewalt muss daher auf allen Ebenen, mit den Mitteln unseres demokratischen Rechtstaates entgegen getreten werden.

Welche Auswirkungen dieser barbarische Krieg auch in Oberhausen hatte, war im Stadtbild nicht zu übersehen. Rund 1991 Menschen wurden Opfer von Bombenangriffen. Von den rund 17.800 Wohnungen zu Beginn des Krieges waren mehr als 10.200 Wohnungen zerstört oder beschädigt.

Die Straßen in Oberhausen waren übersäht mit 1.412 Bombentrichter. Mit dem Einzug der Amerikaner am 11. April 1945, war dann der Krieg für die Stadt Oberhausen und seine Menschen beendet.

Sehr verehrte Anwesende, diese geschichtlichen Erfahrungen, die viele von uns gottlob nicht miterleben mussten, basierten auf einer rechtextremistischen und nationalistischen Ideologie, für die mehr als 60 Millionen Menschen gestorben sind.

Deshalb sage ich hier deutlich. Eine nachträgliche Verfälschung der Geschichte oder eine Glättung dieser historischen Tatbestände, kommt daher einer Verhöhnung der Opfer des nationalsozialistischen Terrors gleich. Und das dürfen und werden wir nicht zulassen. Daran besteht für uns Gewerkschafter kein Zweifel.

Sehr verehrte Anwesende, ich möchte an dieser Stelle den ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft, unseren Kollegen Kurt van Haaren zitieren, der leider vor einigen Wochen gestorben ist.

Die Deutsche Postgewerkschaft hatte Mitte der 80 Jahre ein Buch herausgegeben, was sich mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte, sprich der Geschichte der Postler im Dritten Reich, beschäftigte.

Dazu schrieb Kurt van Haaren damals einige interessante Aspekte die ich hier auszugsweise wiedergeben möchte. Zitat Anfang

"Wenn man aus der Geschichte lernen will, muss man sie ganz und gar aufarbeiten, sich bewusst an schwierige und belastende Abschnitte erinnern. Man darf historische Epochen nicht aus seinem Bewusstsein ausklammern oder verdrängen. Die gilt erst recht für die Zeit der Terrorherrschaft der Nazis. Wir können und wir dürfen uns die "Gnade des Vergessens" nicht leisten."

"Doch reicht eine Erinnerung an den offensichtlichen Terror nicht aus. Mit der Herrschaft der Nazis verbindet sich auch die Erinnerung an eine völlige Umgestaltung des Alltages der Menschen in Deutschland. Die faschistische Ideologie zielte auf eine umfassende Veränderung der Wertevorstellungen. Die Nazis entwickelten neue Methoden zur Gängelung der Massen und zu ihrer bürokratischen Erfassung, zur Terrorisierung und teilweisen Vernichtung aller Andersdenkenden oder auch zur Erzeugung eines Überlegenheitsgefühls des "Deutschen Herrenmenschen".

... und ein letztes:

Mit dem heranwachsen neuer Generationen, verblassen die Erinnerungen an Opfer und Täter, an Motive und Methoden, an politische und ökonomische Bedingungsfaktoren für das Aufkommen des deutschen Faschismus. - Zitat Ende

Sehr verehrte Anwesende, wenn es uns nicht gelingt, den Menschen und insbesondere den jungen Menschen deutlich zu machen, das Faschismus keine Meinung sondern ein Verbrechen ist, tragen wir allesamt mit dazu bei, dass sich auch heute wieder antidemokratische Strömungen in Deutschland entwickeln können, die meines Erachtens auf den Müll der Geschichte gehören.

Und was heute geschieht können wir alle erleben. Sie marschieren wieder. Die ewig gestrigen und die Jungen Nazis. Und was sie wollen, sagen sie deutlich - ein zurück ins Dritte Reich.

Sehr verehrte Anwesende, Krieg und Terrorismus sind direkte Angriffe auf die Würde und die Rechte von Menschen. Sie müssen daher international geächtet werden. Die Vermeidung bewaffneter Konflikte durch eine präventive Friedenspolitik ist die Kernaufgabe der Vereinten Nationen, deren Rechtsrahmen alle Mitgliedsstaaten zu respektieren haben.

Die Bundesrepublik Deutschland muss innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft die Ächtung aller Massenvernichtungswaffen - von Landminen bis zur Atomtechnologie - durchsetzen.

Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebieten sind nicht nur unmoralisch und gewissenlos, sondern tragen aktiv zu den entsprechenden Kriegsgeschehen bei. Aus meiner Sicht sind bereits diese Waffenlieferungen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb sage ich deutlich, nicht nur Kriegsverbrecher gehören vor den Internationale Gerichtshof, sondern auch die Biedermänner der Waffenlieferanten. Damit der Internationale Gerichtshof auch seine Aufgaben durchführen kann, sind alle Staaten aufgefordert, ihn auch anzuerkennen.

Die Eskalation der Gewalt im Irak, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet, ist ein trauriges Beispiel dafür, dass militärische Interventionen ohne UN-Mandat keine Lösung darstellen. Der Aufbau einer friedlichen, einer demokratischen Gesellschaft im Irak ist nicht in Sicht.

Eine Friedensperspektive wird dieses Land erst dann haben, wenn die Besatzung beendet ist und das irakische Volk über seine politische Zukunft in freier Selbstbestimmung entscheiden kann.

Sehr verehrte Anwesende, lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich machen, dass ich die Haltung der Rot/Grünen Bundesregierung und auch die klare und deutliche Positionierung von Gerhard Schröder gegen eine deutsche Beteiligung im Irakkrieg voll und ganz unterstützt habe und auch heute noch unterstütze. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine andere, eine konservative Bundesregierung eine anderen, aus meiner Sicht einen fatalen Weg eingeschlagen hätte.

Ich will hier deshalb nicht verhehlen, dass ich es sehr begrüße, dass Gerhard Schröder unmissverständlich klar gemacht hat, dass er eine militärische Option, um den derzeitigen Konflikt um das Iranische Atomprogramm für hochgradig gefährlich hält.

Nicht das ich missverstanden werde. Ich halte das Vorgehen der Iranischen Regierung, eigene Atomwaffen zu produzieren, für ebenso gefährlich. Die Bedrohung die von einem fundamentalistischen Gottesstaates für die internationale Staatengemeinschaft ausgehen kann, ist sicherlich nicht zu unterschätzen und muss daher sehr ernst genommen werden.

Ich kann Gerhard Schröder nur auffordern, bleiben Sie bei Ihrem konsequenten Nein. Die möglichen Auswirkungen eines Angriffkrieges auf den Iran, sind auch für die Bundesrepublik Deutschland nicht abzusehen.

Wenn ich dann allerdings die Aussage des CDU-Außenpolitikers Wolfgang Schäuble lese; ich zitiere aus der WAZ vom 15.8.05:

"Der Bundeskanzler erwecke in Teheran den Eindruck, dass die Weltgemeinschaft nicht mehr geschlossen. Damit nimmt er in Kauf, dass die Gefahr einer iranischen Atombombe wächst. - und weiter: Eine militärische Option liegt nicht auf dem Tisch."

dann sträuben sich mir alle Nackenhaare. Bereits im Vorfeld des Irakkrieges haben die USA deutlich gemacht, wer für Sie, vielleicht sollte man auch sagen, für ihre wirtschaftlichen Interessen, zur Achse des Bösen gehörte. Und das, sehr verehrte Anwesende, war damals unter anderem auch der Iran.

Die Auswirkungen des internationalen Terrors, ich erinnere an den Anschlag auf die Twin Towers in New York, auf die Bombenattentate von Madrid und London sind abscheulich und menschenverachtend. Ohne Frage.

Allerdings kann ich nur davor warnen, diesen Terror zu verengen. Kriegerische Auseinandersetzungen oder Terrorismus auf einen "Kampf der Kulturen" zu reduzieren ist das gefährlichste was wir machen können und außerdem der falsche Erklärungsansatz.

Er verhindert eine mittel- und langfristige friedenspolitische Strategie die wir für ein friedliches Zusammenleben bitter benötigen. Statt militärische Konflikte zu ideologisieren, müssen Kriegsursachen bei ihren Namen genannt, aufgedeckt und vorbeugend bekämpft werden.

Daher ist die Überwindung von Armut, sozialer Ausbeutung, politischer, kultureller, religiöser und sexueller Diskriminierung die Grundlage ziviler Konfliktlösung.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund engagiert sich daher auch in Zukunft für eine nachhaltige Friedenspolitik - denn Krieg ist keine Alternative.



Dieter Hillebrand ist kommiss. DGB-Regionsvorsitzender Mülheim-Essen-Oberhausen.

E-Mail: dieter.hillebrand@dgb.de

Website: www.dgb-meo.de
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