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Antikriegstag 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Mahnveranstaltung zum Antikriegstag am 28.08.2005, Esterwegen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dieter Knutz (in Esterwegen)

Wir haben uns heute zu einer Mahnveranstaltung im Jahre 2005 versammelt, im Jahr 60 nach der Befreiung vom Faschismus. Dieser Ort, an dem wir uns heute versammeln, ist zugleich Mahnung und Forderung an uns. Das Konzentrationslager Esterwegen war auch Lager für so genannte politische Schutzhäftlinge.

Nach kurzer Zeit gab es eine Lagerordnung, die die völlige Rechtlosigkeit der Häftlinge festschrieb und es den Wachleuten ermöglichte, diese Menschen völlig willkürlich zu terrorisieren und zu misshandeln.

Zunächst waren so genannte Schutzhäftlinge Kommunisten und Sozialdemokraten, bald darauf folgten Gewerkschafter, dan Mitglieder anderer Parteien, Intellektuelle, Juden und Zeugen Jehovas. Viele starben an den schlechten hygienischen Zständen und Arbeitsbedingungen. Auch Carl von Ossietzky, nach dem die Universität Oldenburg benannt ist, war bekanntermaßen Insasse dieses Lagers und starb an den Folgen der menschenunwürdigen Bedingungen.

Ob Dachau, Maidanek, Auschwitz, Sachsenhausen und die Unzahl der übrigen Konzentrationslager und Arbeitslager - die Geschehnisse machen uns auch heute noch betroffen.

Aber es ist nicht genug betroffen zu sein.

Es ist gleichzeitig notwendig nach den Ursachen zu fragen, wie die Schreckensherrschaft errichtet werden konnte und was zu tun ist, um derartiges Geschehen - politische Verfolgung, Terror, Massenmord und Vernichtungskrieg - zu verhindern und zu stoppen.

Ich selbst bin in meiner Schulzeit mit den Geschehnissen in den Konzentrationslagern durch ein Taschenbuch Walther Hofer "Dokumente des Nationalsozialismus" konfrontiert worden. Die darin enthaltenen Zeugenaussagen im Rahmen der Nürnberger Prozesse über die Konzentrationslagern haben mich tief erschüttert. Aber darüber, was in den Lagern in unmittelbarer Nähe meines damaligen Wohnortes Meppen geschah, wurde geschwiegen.

Der Kampf um eine Gedenkstätte an diesem Ort hat wegen der örtlichen Widerstände lange gedauert und als Mitte der 70er Jahre Studenten in Oldenburg den Namen Carl von Ossietzky an einem Gebäude der Universität angebracht hatten, wurden die Buchstaben mit großem Polizeieinsatz und unter Protest der Studenten wieder entfernt.

Vieles deutet darauf hin, dass der Umgang mit der Vergangenheit, mit den Verbrechen des Nationalsozialismus schwierig ist, dass die Gefahr des Verdrängens und Leugnens groß ist.

Es gibt immer weniger Zeitzeugen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns erinnern, mahnen und die nachfolgenden Generationen über die Geschehnisse vor allem im Unterricht aufklären.

Es war kein Zufall, dass nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zuerst die Führung der traditionellen Arbeiterparteien und Gewerkschaften in so genannte Schutzhaft genommen wurde und es war auch kein Zufall, dass Großindustrielle und Massenmedien mit einer quasi Monopolstellung den Aufstieg Hitlers begleiteten. Das Streben nach politischer und wirtschaftlicher Macht, die Erwartung hoher Profite u. a. aus der Rüstungsproduktion waren das Leitmotiv dieser Unterstützung der Faschisten.

Die gesellschaftliche Situation in Deutschland war durch große soziale Verwerfungen, durch Massenarmut und Massenarbeitslosigkeit gekennzeichnet.

Menschen in einer solchen Situation - das wissen wir - sind leicht politisch verführbar, zumal wenn sie keine politischen Alternativen sehen, die ihnen eine Lebensperspektive bieten.

Sie sind leicht verführbar für eine Ideologie, die Menschen über andere Menschen erhebt, die die Legitimation für Vernichtung und Krieg daraus unter anderem ableitet, dass es Menschen erster, zweiter und dritter Klasse gäbe.

Aus der Erinnerung heraus und der politischen Bewertung unserer Geschichte müssen wir entschieden handeln, wenn sich Menschen über andere erheben, Menschenwürde und Menschenrecht mit Füßen treten und demokratische Rechte außer Kraft setzen.

Das galt und gilt für My Lai, Guantanamo, den Irak, Tschetschenien, Afghanistan, Sudan und viele andere Regionen in der Welt.

Das Streben nach kultureller, wirtschaftlicher und politischer Vormachtstellung in der Welt hat soziale Konflikte und Kriege zur Folge. Wenn Aktienkurse Vorrang vor Arbeitsplätzen, wenn die Ausbeutung von Rohstoffen Vorrang vor Menschenleben, die Sicherung der Energiequellen für die Industriestaaten Vorrang vor der Selbstbestimmung der Völker haben, dann sind Kriege an der Tagesordnung und ein friedliches Zusammenleben der Menschen nicht möglich.

Frieden gibt es nicht ohne sozialen Frieden und ohne soziale Gerechtigkeit keine funktionierende Demokratie.

Das sollte all denen deutlich sein, die politische Verantwortung in diesem Land und in der ganzen Welt tragen.

Wenn verhindert werden soll, dass Menschen falschen Propheten folgen, die Terror, Völkermord und Krieg als Mittel zum Zweck sehen, dann müssen wir allen Menschen eine Lebensperspektive geben und ihnen deutlich machen -und da nehme ich das Motto der Gewerkschaften zum 1. Mai auf - "Wir brauchen dich!"

Wenn am 3. September die Rechten in Oldenburg zur Bühne für Ausländerhass, Nationalismus, Deutschtümelei machen wollen und dabei auf die Enttäuschungen der Menschen über die Politik setzen, sind wir als Gewerkschafter gefordert und werden gegen diese Unbelehrbaren, die sich nicht erinnern wollen, die verdrängen, die nicht aus der Geschichte lernen wollen, demonstrieren : ab 10.00 Uhr rund um den Hauptbahnhof.

Sich erinnern und nicht verdrängen, aufklären, Geschichtsbewusstsein schaffen, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Recht auf Arbeit:

das sind die gesellschaftlichen Grundlagen die Hass und Krieg den Boden entziehen.

Toleranz, Vertrauen, Solidarität können auf Dauer nur in einem sozial gerechten System wachsen, das zur Grundlage hat - und daran erinnert nachdrücklich der Ort, an dem wir stehen: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Niemand darf wegen seines Glaubens, seiner Herkunft, seines Geschlechtes benachteiligt werden.

Gegen Gewalt und Willkür - so wie es auf dem Gedenkstein an Carl von Ossietzky hier auf dem KZ Friedhof in Esterwegen steht: Daran wollen wir angesichts unserer gemeinsamen Geschichte und der Leiden der Menschen in Hunger- und Kriegsgebieten mehr als zuvor arbeiten. Dafür stehen die Gewerkschaften auch am Antikriegstag 2005.



Dieter Knutz ist Vorsitzender des GEW-Bezirk Weser-Ems.

E-Mail: DAKNTZ@aol.com
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