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Antikriegstag 2005

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag zur Antikriegstag-Kundegbung in Bremen am 1. September 2005

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Friedensfreunde,

Herbert Behrens (in Bremen)

Auch wenn es jedem der hier Anwesenden klar sein wird, so will ich doch daran erinnern.

Der 1. September, der Antikriegstag, ist ein Tag, an dem wir uns verneigen vor den Opfern des zweiten Weltkrieges, es ist ein Tag, dem wir erinnern an die vielen Kriegstoten der gewaltsamen Auseinandersetzungen, die es nach dem verheerenden Weltbrand zwischen 1939 und 1945 gegeben hat. An dem wir auf die Ursachen von Krieg hinweisen.

Es ist ein Tag, an dem wir uns noch einmal klar machen, was passieren wird, wenn Zivilcourage verloren gegangen ist, wenn uns der Mut verlassen hat, das zu tun, was uns unser Gewissen gebieten.

Dabei wissen wir, dass es am Vorabend des Überfalls deutscher Truppen auf Polen im Jahre 1939, kaum möglich gewesen wäre, die Kriegsmaschinerie zu stoppen.

Das Versagen der Deutschen lag mindestens sechs Jahre vorher. Mit der Machtübergabe an Adolf Hitler warn die Weichen auf Krieg gestellt.

Das hätten die Menschen damals wissen können; heute wissen wir es definitiv.

Dieses Wissen dürfen wir uns nicht nehmen lassen und wir müssen es weitergeben deshalb ist es notwendig, dass wir uns gegen jede Art der Relativierung der Kriegsschuld wehren



dass wir uns gegen die alten Nazis und neuen Nazis wehren



dass wir uns am Sonnabend gegen den Naziaufmarsch in Oldenburg zur Wehr setzen!


Der Antikriegstag ist seit vielen Jahren eine wichtige Veranstaltung für uns hier auf dem Marktplatz in Bremen. Aber seine Wirkung, sein Anspruch geht weit darüber hinaus.

Heute sind in vielen Städten des Landes Menschen zusammengekommen, um auch auf die kriegerischen Auseinandersetzungen heute hinzuweisen. Und um unsere Forderungen deutlich zu machen.

Ich nehme den Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf:

Darin heißt es unter anderem: Die Eskalation der Gewalt im Irak, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet, ist ein trauriges Beispiel dafür, dass militärische Interventionen ohne UN-Mandat keine Lösung darstellen. Der Aufbau einer friedlichen und demokratischen Gesellschaft im Irak ist nicht in Sicht.

Eine Friedensperspektive wird dieses Land erst dann haben, wenn die Besatzung beendet ist und das irakische Volk über seine politische Zukunft in freier Selbstbestimmung entscheiden kann.

Der Dachverband der deutschen Gewerkschaften fordert damit den Abzug aller fremden Truppen aus dem Irak, so will ich den Aufruf verstehen. Bleiben wir also beharrlich in dieser Frage, lassen wir uns nicht als Freunde Saddams verunglimpfen, wenn wir den Abzug fordern.

Dieses Beharrungsvermögen, ja diese Friedensstarrsinnigkeit, müssen wir auch aufbringen, wenn wir den drohenden Konflikt zwischen den USA, der EG und dem Iran betrachten. Hier wird mit gleichem Drehbuch wie im Jahre 2002 ein Krieg vorbereitet, so stellt es sich für mich dar. Die Fähigkeit zur Atomwaffenproduktion, keine demokratischen Strukturen nach westlichem Muster und eine Macht, die sich gegen westliche Einflussnahme abgrenzen. Dieses Szenario und der zielgerichtete Aufbau eines Feindbildes soll dazu herhalten, zu einem bestimmten Zeitpunkt die heiße Phase des Krieges, die Bombardements zu beginnen.

Lasst uns alles daran setzen, dass die Proteste gegen die Kriegsvorbereitungen gegen den Iran rechtzeitiger, massenhafter und letztlich erfolgreicher sind, als die gegen den Krieg gegen den Irak.

Wir wollen nicht Recht behalten, indem wir - wie das Elend im Irak zeigt - vielleicht wieder hier auf dem Marktplatz, daran erinnern müssten, dass mit dem Krieg kein Konflikt gelöst worden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die deutsche Friedensbewegung ist keine beispiellose Erfolgsgeschichte. Rückschläge und Niederlagen hat es immer wieder gegeben, seitdem sich die befreiten Buchenwaldhäftlinge geschworen hatten, "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!"

In jüngster Geschichte ist es ja nicht nur nicht gelungen, die humanitäre Katastrophe des Krieges im Irak zu verhindern. Es ist uns nicht einmal gelungen, in der Bundesrepublik ausreichend Widerstand gegen die deutsche Beteiligung am völkerrechtwidrigen Krieg gegen Jugoslawien zu entwickeln. Es zeichnet sich auch kein ausreichend großer Widerstand ab gegen den Umbau der Bundeswehr zur Out-of-Area-Truppe, die Krisenreaktionskräfte entziehen sich der demokratischen Kontrolle. Vieles läuft darauf hinaus, junge Frauen und Männer in aller Welt für den Schutz deutscher Interessen einsetzen zu können. Welcher Interessen, wessen Interessen? muss an dieser Stelle gefragt werden.

Ist es nun ritualisierte Pflicht, hier zu sein? Ist es lediglich ein Protest von romantisierenden Weltverbesserern, die es nicht gemerkt haben, dass es in einer globalisierten Welt inzwischen rauer zugeht?

Oder ist Beharrungsvermögen manchmal von Vielen, manchmal von Wenigen? Ist es das Wissen der Menschen, dass Entscheidungen menschengemachte Entscheidungen sind?

Die Antwort ist für uns schnell gefunden.

Wir, die wir hier stehen, haben in unserem Denken das Zeitalter der mythologischen Erklärungen überwunden. Wir wissen und wir können nachweisen, dass kriegerische Auseinandersetzungen reale Ursachen haben. Wir wissen und können nachweisen, dass es nicht ein mit Massenvernichtungswaffen drohender Irak gewesen ist, der die "Koalition der Willigen" unter der Führung der USA zum völkerrechtswidrigen Überfall verleitete. Es ging und geht um Einfluss im Nahen Ostern, es geht um die Vorherrschaft in der Region, es geht um Öl!

Das Wissen um die Dinge, liebe Kolleginnen und Kollegen, motiviert mich und uns, weiterzumachen im Kampf gegen Unterdrückung und Krieg.

Und ich meine, trotz der täglichen Horrormeldungen über Bombardement mit Flugzeugen aus der Luft und Bombardement durch Maschinenmenschen auf Marktplätzen die Zahl der Menschen wächst, die dieses Spiel der Mächtigen nicht mehr mitspielen wollen.

Ich spüre in den Betrieben auf Betriebsversammlungen und in Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen. Sie sind nicht mehr länger bereit, sich die Welt verklären zu lassen als mythologisches Etwas. Sie sind nicht länger bereit, sich Unternehmerwohl als Gemeinwohl verkaufen zulassen.

Und sie werden nicht bereit sein, sich Einsätze der Bundeswehr, in die auch ihre Söhne und Töchter geschickt werden können, wenn sie diese Einsätze erklärt bekommen als Kampf um Demokratie im eigenen Land.

Sie haben das Denkverbot überwunden. Nicht zuletzt vor der Bundestagswahl in gut zwei Wochen haben viele, viele Menschen erkannt, dass Alternativen möglich sind. Und das macht Mut.

Mut, der dazu führen kann, dass nicht nur die vorherrschenden ökonomischen Entscheidungsstrukturen aufgebrochen werden. Es wird auch Mut sein, der die militärische Logik knacken wird.

Den Menschen in der Bundesrepublik wird kein Verteidigungsminister mehr die Plattheit verkaufen können, wie es Struck und vor zwei Wochen noch sein Staatssekretär Kolbow in Osterholz-Scharmbeck tat. Er behauptete wiederholt, am Hindukush werde die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland verteidigt. Ja, wie für wie blöd hält uns dieser Mensch eigentlich??? Ich gebe zu, es macht mich wütend, wenn ich für dumm verkauft werde. Ich bin mir sicher, es wird anderen nicht anders gehen.

Was ist zu tun, um den keimenden Widerstand gegen die herrschende wirtschaftliche Doktrin auszuweiten in einen zivilgesellschaftlichen Widerstand?

Vielleicht besteht ja schon Gelegenheit morgen, am Freitag?

In Garlstedt, in der Anlage der einstigen Hell on Wheels, der amerikanischen Brigade, soll es gar lustig zugehen: Eine "dynamische Waffenschau" wird angekündigt. Aber nicht nur das:

Zitat: "Nach der Ansprache

Ich meine, eine weitere Gelegenheit zum Widerstand gegen eine Politik ohne Alternativen besteht am 18. September.

Eine weitere Gelegenheit ist die Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung und sogar die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan am 15. Oktober. Erhöhen wir den Druck auf jene, die vorgeblich aus weltpolitischer Verantwortung Entscheidungen treffen, mit deren Folgen sie nicht konfrontiert sind. Sie tauchen immer dann auf in Afghanistan, wenn die Luft rein ist.

Wir müssen jenen mit parlamentarischen und außerparlamentarischen Mitteln klar machen: Bundeswehr raus aus Afghanistan!

Wir müssen vielleicht auch selbst ein bisschen mutiger werden, Dinge fordern, die uns noch unmöglich scheinen, die aber notwendig sind. Lasst uns eine Bundesrepublik ohne Armee denken - und durchsetzen.



Herbert Behrens ist Gewerkschaftssekretär des ver.di Bezirk/Land Bremen für den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie.

E-Mail: herbert.behrens@verdi.de

Website: http://www.verdi-bremen.de
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