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Antikriegstag 2005

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Rede zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 1. September 2005 in der Aula Carolina, Aachen

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Roy Bourgeois (in Aachen)

es ist mir eine Ehre und eine Freude mit gleichgesinnten Friedensaktivisten zusammen zu sein. Ihr gebt mir Hoffnungim Kampf für Frieden. Ich nehme diesen Preis stellvertretend für all jene in meinem Land, die sich für Frieden undGerechtigkeit einsetzen an.

Jeder hat eine eigene Geschichte die sein Leben formt. Mein Leben hat sich mit dem Leben der Armen in Lateinamerikaverknüpft durch meine eigenen Erfahrungen in dieser Region der Welt in den 70er und 80er Jahren. Meine Erfahrungenin Vietnam und Lateinamerika, wo Menschen seit Jahrhunderten für grundlegende Menschenrechte und einenordentlichen Lebensstandard kämpfen, haben mich so tief berührt, dass ich beschlossen habe, dafür zu arbeiten,die ungerechte Politik meines Landes zu verändern. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert habe ich mich daraufkonzentriert, das US-Militär davon abzuhalten, lateinamerikanisches Militärpersonal auszubilden, damit dieses gegenseine eigenen Leute Krieg führen kann. Ich habe mich als junger Mann dafür entschieden, ein Friedensstifter zusein, indem ich mich und mein Volk für die Ungerechtigkeiten, die die US-Regierung an unschuldigen Menschen inLateinamerika und anderen Ländern verübt, verantwortlich halte.

Lateinamerika hat eine lange Geschichte von Kolonialismus, ökonomischer Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Fast dieHälfte aller Menschen in Lateinamerika leben in Armut - eine Statistik die man sich in Industrienationen nicht vorstellenkann. Armut und Unterdrückung in Lateinamerika haben tiefe historische Wurzeln.Die Eroberung Lateinamerikas geht in der Form weiter, dass multinationale Unternehmen dessen Menschen undRessourcen ausbeuten. Und die brauchen das Militär, die bewaffneten Männer, um ihren Reichtum und ihre Macht zuschützen. Da kommt die "School of the Americas" ins Spiel.

Die in Fort Benning ansässige "School of the Americas (SOA), im Jahre 2001 umbenannt in "Western HemisphereInstitute for Security Cooperation (WHINSEC), produziert seit 1946 Mörder, Diktatoren und Anführer vonTodesschwadronen für die Drecksarbeit in Lateinamerika.

Am 16. November 1989 wurden sechs Jesuitenpriester, deren Mitarbeiterin und deren Tochter in El Salvador ermordet.

Eine Kommission des US-Kongresses berichtete, dass diejenigen, die dafür verantwortlich waren, in der US-Armeeschule,School of the Americas" in Fort Benning, Georgia, ausgebildet worden waren.Im Jahre 1990 begann unsere Gruppe SOA Watch ihre Arbeit in einem kleinen Appartement gegenüber desHaupteinganges von Fort Benning. Zunächst ?ngen wir mit einer Gruppe von Geistlichen an, aber schnell wurde dasWissen und die Erfahrung von vielen in den USA hinzugezogen, die mit Menschen in Lateinamerika in den 70er und80er Jahren zusammengearbeitet hatten. Seitdem haben viele Spuren von scheußlichen Menschenrechtsverstößen, diegegen die Menschen in Lateinamerika begangen wurden, zu denen geführt, die in der SOA ausgebildet worden sind.Die SOA, häu?g auch als "Schule der Mörder" bezeichnet, hat eine Spur von Blut und Elend in den Ländernhinterlassen, in die deren Absolventen zurückgegangen sind.

Die SOA / WHINSEC hat über 64.000 lateinamerikanische Soldaten in Kursen wie Aufstandsbekämpfung, psychologischeKriegsführung, militärische Geheimdienstoperationen und Verhörtaktiken ausgebildet. Absolventen der Schule sinddurchweg mit Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung von Volksbewegungen verbunden.

Unter denen, die von SOA-Absolventen angegriffen werden, be?nden sich Lehrer, Gewerkschafter, kirchliche Mitarbeiter,Studentenvertreter und andere, die sich für die Rechte der Armen einsetzen. Hunderttausende von Lateinamerikanernsind gefoltert, vergewaltigt, erschossen, beseitigt oder massakriert worden und in die Obhut jener getrieben worden,die in der Schule der Mörder ausgebildet wurden. SOA-Absolventen unterstützen rechtsgerichtete Regierungen undTodesschwadronen, indem sie manchmal sogar Leute ausbilden, die dann demokratisch gewählte Regierungenumstürzen. Insgesamt hat diese Schule mindestens elf lateinamerikanische Diktatoren produziert.

Im Jahre 1996 musste das Pentagon Ausbildungsbroschüren, die in der "School of the Americas" verwendet wurden,herausgeben. In diesen Broschüren wurde der Gebrauch von Folter, Nötigung sowie Exekution befürwortet. Die New York Times berichtete: "Amerika kann jetzt für sich manche der schädlichen Unterrichtseinheiten, die die US-Armee tausenden Lateinamerikanern gegeben hat, nachlesen." Die SOA-Ausbildungsbroschüren befürworten, jene anzugreifen,



die die Bildung von Gewerkschaften und deren Mitgliederwerbung unterstützen



die Agitationsmaterial im Interesse der Arbeiter verteilen



die mit Streiks und Demonstrationen sympathisieren



die die Regierung beschuldigen, nicht die elementaren Bedürfnisse des Volkes zu wahren


Die Länder mit den schlechtesten Menschenrechtsstatistiken haben beständig Soldaten geschickt, damit diese an der SOA ausgebildet würden. Zum Beispiel Bolivien während der Schreckensherrschaft von General Banzer, Nicaragua während der Diktatur des Somoza-Clans, El Salvador während der Periode der blutigsten Unterdrückung und zurzeit Kolumbien.

Während SOA- und Pentagon-Vertreter wollen, dass die Öffentlichkeit glaubt, diese Gräueltaten seien nur von ein paar SOA-Absolventen ausgeführt worden, sind in Wirklichkeit die große Mehrheit der Of?ziere, die die schrecklichsten Menschenrechtsverletzungen in ganz Lateinamerika begehen, ehemalige Soldaten, die ihre Ausbildung in der SOA erhalten haben.

Als die Wahrheit über die SOA in der amerikanischen Öffentlichkeit bekannt wurde, entstand eine Protestbewegung mit dem Ziel, die Schule zu schließen. Unzählige Aktionen haben in den Vereinigten Staaten, Chile, Kolumbien, Honduras, Mexiko, Nicaragua, El Salvador, Österreich, Frankreich und Deutschland, sowie in anderen Ländern, stattgefunden.

Besorgte Bürger setzten ihr Leben ein, um die Terroristenausbildung zu beenden. Über 180 Gefangene des Gewissens haben zusammen 81 Jahre in Staatsgefängnissen in den ganzen USA für Protestaktionen gegen die SOA verbringen müssen. Deren Strafen, die zwischen einem Monat und zwei Jahren Gefängnis betragen, sind ein Versuch, jene ruhig zu stellen, die versuchen die SOA zu schließen und andere vom Protest abzuhalten.

Im Jahre 1999, nach einer starken, von der Basis ausgehenden Lobby-Kampagne, stimmte der US-Kongress einer Kürzung der Mittel für die SOA zu, aber diese Initiative verlor mit nur einer Stimme im Vermittlungsausschuss. Auf nationaler Ebene setzen sich weiterhin hunderte von Universitäten, Redaktionen, öffentliche Körperschaften, Veteranen und Kirchengruppen (mit der Beteiligung von über 300 Bischöfen) für die Schließung der Schule ein.

Vom Kongress unter Druck gesetzt und vom öffentlichen Aufschrei berührt, reagierte das Pentagon 1999 mit einem Trick und änderte den Namen, um die Schule am laufen zu halten. Eine Gesetzesinitiative - die die Schule für immer geschlossen und eine Untersuchungskommission des Kongresses installiert hätte, um die Verbindung von Menschenrechtsverletzungen in Latein Amerika und der Ausbildung bei der SOA zu untersuchen - wurde mit 214 gegen 204 Stimmen abgelehnt.

Eine neue Gesetzesinitiative um die SOA zu schließen, hat im Repräsentantenhaus begonnen. Eine Abstimmung im Kongress wird 2006 statt?nden. Innerhalb von sechs Wochen nach Vorstellung des neuen Gesetzentwurfes zur Schließung der SOA im Kongress, unterstützten 100 Abgeordnete, darunter Barbara Lee, Aachener Friedenspreisträgerin im Jahr 2002, die Gesetzesinitiative des Abgeordneten James P. McGovern, die eine Untersuchung der SOA ermöglichen würde. Jetzt sind wir in der besten Ausgangslage seit der Abstimmung im Repräsentantenhaus 1999, diese Schule zu schließen.

Am 19. und 20. November werden wir erneut in Fort Benning zusammentreffen, um der Ungerechtigkeit entgegenzutreten und um uns gegen die unterdrückerische US-Außenpolitik auszusprechen. Dies ist eine Zeit der Veränderung. Gerechtigkeit ist in Reichweite, wenn wir so zahlreich darstehen, dass wir nicht länger ignoriert werden können.

Wir werden diese Schule, die so viel Tod und Elend gebracht hat, schließen.

Eine wachsende Zahl von Bürgern realisiert, dass die US-amerikanische Politik nicht ihre eigenen Werte und Vorstellungen von Frieden re?ektiert. Mehr und mehr Menschen fangen an, die amerikanische Außenpolitik, so wie sie sich in der SOA zeigt, zu hinterfragen. Die Bewegung für Gerechtigkeit wird immer stärker und die Ungerechtigkeit kann nur solange fortbestehen, wie wir sie lassen.

Der Widerstand gegen die Militarisierung, Ausbeutung und die eklatante Verachtung menschlichen Lebens weitet sich aus. Aktivisten der Zivilgesellschaft in Nord- und Südamerika weigern sich, still zu halten; sie weigern sich den Status quo aufrechtzuerhalten, in dem so viele ausgebeutet werden für den Gewinn von Wenigen. Indem wir aufstehen und zusammenstehen, können wir jede Ungerechtigkeit beseitigen. Indem wir aufstehen und zusammenstehen, können wir die Welt verändern!



Roy Bourgeois ist katholischer Priester, Foltergegner, Friedensaktivist.

Website: www.aachener-friedenspreis.de/preistraeger/2005/bourgeois.html
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