Antikriegstag 2007


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Antikriegstag 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 1. September 2007 in der Aula Carolina, Aachen

Liebe Freundinnen und Freunde,

Friedensgemeinde San José de Apartadó

- Es gilt das gesprochene Wort! -

- Sperrfrist: 01.09.2007, 19.00 Uhr -

Seit zehn Jahren entwickelt sich unser Prozess, schreitet der Versuch täglich voran, Würde zu säen, eine Würde, die wir als solche bezeichnen können.

Wir haben es Würde genannt, Tag für Tag dazu in der Lage zu sein, diesen Prozess aufzubauen, das, was wir tagtäglich tun, um leben zu können. Deswegen sind alle Aktionen, die wir in diesen Jahren durchführen konnten, Teil dieses Würde schaffenden Prozesses.

Deshalb nennen wir Würde, dass wir unser Land nicht verlassen, damit es nicht von Paramilitärs geraubt wird, dass wir nicht einen Zentimeter zurückweichen angesichts dieser Ungerechtigkeit, und ihnen nicht die Natur überlassen, die uns allen zukommt, nicht nur uns alleine, sondern der gesamten Menschheit.

Die Erinnerung an unsere Märtyrer über diese zehn Jahre zu bewahren, die weitgehend von Paramilitärs und dem Staat ermordet wurden, uns ihrer Lehren zu erinnern, Gerechtigkeit zu fordern und uns nicht mit der Straffreiheit zufrieden zu geben, das bedeutet Würde für uns.

Tagtäglich die Hoffnung aufrecht zu erhalten, und trotz der Widrigkeiten, des Todes, all der Bedrohungen, der Ermordeten und Massakrierten nicht zu verstummen, sondern diese Barbareien hinaus in die Welt zu schreien, damit die Welt weiß, was wir Würde nennen.

Wenn wir vorankommen darin, als Essenz unseres Prozesses die Wahrheit auszusprechen und uns transparent zu zeigen, wenn wir nichts verleugnen, sondern das leben und zeigen, was wir sind, ohne uns an die Seite eines bewaffneten Akteurs zu stellen, und wenn wir ihnen ohne Angst ihre Willkür und ihre Tod bringenden Machenschaften vor Augen halten, dann nennen wir das Würde.

Würde ist für uns, unseren Lebensraum ohne einen bewaffneten Akteur erhalten zu können, ohne diesen weder von ihnen betreten zu lassen, noch uns von ihnen und all ihren Ungerechtigkeiten kontrollieren zu lassen.

Jeden Tag bauen wir in Gemeinschaft auf, arbeiten in Gemeinschaft und in Gruppen als Alternative zum gegebenen isolierenden Krieg, in dem jeder nur noch rettet, was er kann. Wir leben alle gemeinsam, verdienen gemeinsam, bauen auf und arbeiten gemeinsam in der Gemeinde - das nennen wir Würde.

Uns bewusst sein dessen, was wir tun, und in Einklang damit sowie unverfälscht zu handeln, das ist unbezahlbar angesichts eines Staates, der das Bewusstsein aufkaufen möchte, um so diese Gesellschaft des Terrors errichten zu können, die der Paramilitarismus ist - das nennen wir Würde.

Eine andere Bildung, die unseren Kindern die Liebe für das Leben, für die Natur, für den Nächsten vermittelt, und nicht, dass ich mich alleine retten muss oder verlassen leiden muss, eine Bildung, die zeigt, dass wir nicht `ICH`sondern Gemeinschaft sind und somit die Suche nach Respekt vor dem Leben aller - das nennen wir Würde.

Eine Gemeinschaft, die gemeinsam entscheidet, in der die Möglichkeit des Dialogs, des Teilnehmens und des unter allen Entscheidens das Wesen des Schaffens ist, eine solche Gemeinschaft nennen wir Würde.

Wenn wir alle gemeinsam säen in dem Wissen, dass dieser Samen Nahrung für den Aufbau ist, für den Widerstand, um die Natur zu bewahren vor dieser Geißel, die der Paramilitarismus ist, der vom Staat eingesetzt wurde und unser Land zerstört und untergräbt - das nennen wir Würde.

Die täglichen Bemühungen darum, dass die Menschheit über diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit richtet, die gegen uns begangen worden sind, um uns aufzuhalten dabei, das Leben trotz des Todes, der uns umgibt, voller Hoffnung zu betrachten, ist die Würde, von der wir sprechen.

Es ist dieses tägliche Leben, das wir mit Fortschritten und Rückschlägen, mit Erfolg und Irrtümern gestalten, die Gesamtheit unseres täglichen Lebens, das wir alle mitgestalten, indem wir das Leben schützen, wie ein Recht nicht nur für uns, sondern für die gesamte Menschheit, was wir letzten Endes Würde nennen.

Wir sind eine kleine Erfahrung in unserem Land, wo wir täglich den Fluss des Blutes sehen, wo die Stille und der Tod regieren und versucht wird, sie wie eine Lebensform zu erhalten. Wir leben in einem Land, wo sie die Mörder als die Eigentümer des Lebens sehen möchten, und wo das Schicksal aller sein soll, alles tägliche Geschehen zu kontrollieren. Trotz allem widersetzen wir Winzigen uns mit diesen Taten der Würde.

Urabá ist eine Region, wo der Paramilitarismus das Modell geschaffen hat, das er will: täglich wird gemordet, es wird zum Schweigen gebracht, geraubt, man stirbt und das Schweigen ist absolut, schreien und weinen sind verboten. Dazu verwenden sie die abartigsten Methoden, die Institutionen des Staates.

Trotz dieser enormen Dunkelheit wird die Würde sie weiterhin in Frage stellen und ihnen den Triumph des Todes über das Leben verbieten. Die Vernichtung vieler Menschen unseres Prozesses ist deutlich. Der Antrieb jedoch, diesen Prozess weiter voranzubringen, wird aufrecht erhalten und wird sicherlich auch aufrecht erhalten werden.

Das aber, was wir als das Wesen der Würde beschrieben haben und was uns dazu anhält, zivilen Widerstand zu leisten, so wie wir es täglich tun, könnte nicht weiterbestehen, ohne dass es genährt würde durch das, was Sie uns geben - Hoffnung.

Dieser Preis bedeutet, dass es Menschen wie Sie gibt, die an uns glauben, die uns sagen, dass diese Suche nach der Würde es wert ist. Es zeigt uns, dass wir nicht alleine sind. Sie können uns zerstören und auslöschen, aber großmütige Menschen wie Sie werden da sein und der Menschheit zeigen, dass es möglich ist, in einer anderen Welt zu leben, in der das Leben und der Respekt vor dem menschlichen Wesen das ist, was zählt.

Weiterhin ist dieser Preis eine Art und Weise, die Erinnerung zu bewahren. So werden Sie vielen Menschen die Geschichte weitererzählen können von den Bemühungen all derer, die gefallen sind und die unter uns noch fallen werden. Dieser Preis zeigt der Welt, dass Frieden nur durch Taten des Lebens geschaffen wird und dass Sie gesehen haben, das dies genau das ist, was wir tun.

Dank dieser Auszeichnung machen Sie alle sich, ohne dass wir uns näher kennen, zu einem Teil unseres Prozesses und begleiten ihn. Wir fühlen, dass Sie nicht mehr irgendwelche Fremden sind, sondern diejenigen, die unsere Erinnerung und unsere Hoffnung bewahren. Unsere Führer hören auf die unsrigen zu sein, um zu Ihren Führern zu werden, und sie beginnen ihre Lehren, mit Ihnen zu teilen. Deshalb spüren wir, dass Sie beginnen gemeinsam mit uns diesen Weg zu beschreiten.

Dieser Preis ist eine Anerkennung des Blutes und Schweißes nicht nur unseres Prozesses, sondern aller Gemeinden, die in unserem Land weiterhin Alternativen inmitten des Krieges schaffen. Deshalb danken wir Ihnen im Namen dieser unserer gesamten Gemeinde. Ihre Solidarität ist eine bedeutende Unterstützung auf diesem Weg der Würde und der Hoffnung.

Die Mörder und die Ungerechtigkeiten werden weiter Bestand haben, aber solche Momente wie diese, und dass Sie gemeinsam mit uns diesen Weg beschreiten, geben uns Kraft und Mut diesen Weg des Respekts und des Friedens weiter zu gehen, einen Frieden, den wir so sehr brauchen in all den verschiedenen Gemeinden.

Dieser Preis ist eine große Ehre für unsere Gemeinde, und sie wird uns immer zeigen, dass ihre Solidarität eine wahre Tat der Würde ist.

Vielen Dank

Friedensgemeinde San José de Apartadó"

(Übersetzung: Roland Büth, pbi Deutscher Zweig e.V.)



Gildardo Tuberquia ist aktiv bei der Friedensgemeinde San José de Apartadó, Koblumbien,

Website: www.aachener-friedenspreis.de
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