Antikriegstag 2007


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Antikriegstag 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede zur Kranzniederlegung am Samstag, 01.09.07, 11.00 Uhr, Luisental

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kolleginnen und Kollegen
, lieber Herr Dörr,

Dagmar Mühlenfeld (in Mülheim)

- Es gilt das gesproche Wort -

- Sperrfrist: 01.09.2007, 11 Uhr -

während wir hier im Luisental gemeinsam der Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus gedenken, tobt um uns herum das Leben. Das Drachenboot-Festival hat wieder tausende BesucherInnen an die Ruhr gezogen.



Ich befürchte, viele von ihnen werden nicht wissen oder zumindest nicht darüber nachdenken, dass heute vor 68 Jahren, am 1. September 1939, mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begann.

Ich danke Ihnen sehr, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns gemeinsam an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu erinnern. Herrn Dörr und dem DGB danke ich für die Ausrichtung der Veranstaltung und der Einladung, als Vertreterin der Stadt einige Worte zu sprechen.

"Nie wieder Krieg", so lautete das Motto des ersten Antikriegstags, zu dem der DGB am 1. September 1957 aufgerufen hatte. Wenn ich mir die aktuelle Entwicklung im Irak und in Afghanistan, in Pakistan und dem Iran, Nordkorea und vielen Staaten Afrikas ansehe, dann weiß ich, dass wir diesen Antikriegstag leider noch lange brauchen werden. Von Frieden in der Welt sind wir trotz aller grausamer Erfahrungen immer noch weit entfernt.

Wenn ich am Antikriegstag Völkerverständigung, friedliches Zusammenleben und die Achtung der Rechte des Einzelnen fordere " wird mir mit Blick auf die erstarkenden rechtsradikalen Kräfte in Teilen unserer Gesellschaft Angst und Bange. Voller Sorge um die demokratische, rechtsstaatliche und freiheitliche Ordnung in Deutschland lese ich die Berichterstattung über die Hetzjagd von Deutschen auf Inder im sächsischen Mügeln. Dort wurden Menschen verfolgt, weil sie eine andere Hautfarbe, einen anderen kulturellen Hintergrund als die einheimische Bevölkerung haben.

Sie wurden von einem Pulk betrunkener Deutscher gejagt, und viele andere sahen zu, ohne einzugreifen oder zumindest Hilfe zu holen.

Der Zentralrat der Juden spricht von "No-Go-Areas" im Osten Deutschlands und warnt: "Gestern Farbige, heute Ausländer, morgen Schwule und Lesben oder vielleicht Juden."

Vor Mölln, vor Solingen, Mülheim 1999 und Müglen 2007 gab es eine Zeit, da war ich sicher " so etwas nie wieder in unseren Zeitungen lesen zu müssen. Ich war in dem Glauben, wir hätten endlich aus unserer Geschichte gelernt.

Anrede

Am 1. September 1939 begann der nationalsozialistische Angriffskrieg der Deutschen auf Polen und damit der II. Weltkrieg. Diesem gnadenlosen Vernichtungskrieg, der von deutschem Boden ausging, fielen mehr als 60 Millionen Menschen zum Opfer.

Erst mit der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten endete am 8. Mai 1945 die beispiellose und unfassbare Massenvernichtung an europäischen Juden, die Verfolgung von Sinti und Roma, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden - und auch Gewerkschaftern.

Wir brauchen Gedenktage wie diesen, um uns immer wieder die Schrecken und das Grauen des Krieges in Erinnerung zu rufen. Mit dem Wissen um die Verantwortung der Deutschen für den blutigsten Krieg, den es je gab, müssen wir heute konsequent den fremdenfeindlichen und rechtsextremistischen Tendenzen in unserer Gesellschaft entgegentreten.

"Krieg ist ein Winterschlaf der Kultur" - dieses Bild von Friedrich Nietzsche verlangt von uns zu handeln, wann und wo immer die Barbarei die Zivilisation bedroht.

Sonst könnte sogar das Versöhnungsprojekt Europa, das es für uns möglich gemacht hat, über 60 Jahre in Frieden mit unseren Nachbarn zu leben, gefährdet sein.

Für die meisten Menschen ist dieses Europa eine Oase des Friedens und der Menschenrechte. Und es ist ein Ort, der in gemeinsamer Anstrengung aller Länder, die dieses Europa in den letzten 60 Jahren gebaut haben, befreit wurde vom Gefühl der Feindseligkeit und des historischen Revanchismus. In diesen Tagen müssen wir die europäische Idee erstmals gegen ein Mitglied verteidigen.

Es schmerzt, an einem 1. September von den polnischen Freunden in Europa fordern zu müssen, das europäische Einigungswerk nicht zu gefährden, nur weil sie 50 Jahre lang davon ausgeschlossen waren.

Damit auch die kommenden Generationen in Europa in Frieden und Freiheit leben können " müssen wir alle Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen.

"Nie wieder Krieg", das Motto des ersten Antikriegstags, soll uns Ansporn dazu sein.

Dass wir handeln, damit die Kultur keinen Winterschlaf halten muss, sind wir den Toten, Versehrten und Vertriebenen aller Kriege, den Opfern von Barbarei und Völkermord schuldig.

Ich verneige mich vor den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und ich fordere Sie auf, sich weiterhin aktiv für Frieden und Freiheit einzusetzen.



Dagmar Mühlenfeld ist Oberbürgermeisterin der Stadt Mülheim ander Ruhr.

E-Mail: Claudia (Punkt) Roos (at) stadt-mh (Punkt) de

Website: www.muelheim-ruhr.de
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