Antikriegstag 2007


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Antikriegstag 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede aus Anlass des Antikriegstags 2007 in der Gedenkstätte Aegidienkirche in Hannover am 1. September 2007

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Andreas Rister (in Hannover)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

- Spreedrist: 1.9.2007, Redebeginn: 12 Uhr -

ich danke Ihnen im Namen des entwicklungspolitischen Kinderhilfswerks terre des hommes ganz herzlich für die Einladung und damit die Möglichkeit, eines der drängendsten, und trotzdem nur wenig bekannten Probleme des humanitären Schutzes der Menschen in Kriegs- und Krisengebieten nahezubringen - das Schicksal der intern Vertriebenen.

Anlass ist der Antikriegstag, und Vertreibungen waren schon oft die bittere Konsequenz des Krieges. Trotzdem ist wenig - zu wenig bekannt, dass auch und gerade heute Millionen Menschen Opfer von absichtlich mit verbrecherischen Methoden durchgeführten Vertreibungsaktionen werden.

terre des hommes ist gegründet worden, um Kindern im Krieg zu helfen. 1959 war der Anlass der Algerienkrieg und das Elend der verwaisten und kriegsverletzten Kinder, die unseren Gründer Edmond Kayser bewog, aktiv zu werden. In Deutschland bewirkten die Bilder aus Vietnam, dass unser deutscher Gründer Lutz Beisel beschloss, diesen Kindern zu helfen.

Seitdem ist terre des hommes Deutschland stetig gewachsen, inzwischen arbeiten wir in 28 Ländern in 6 Regionen. Und noch immer sind wir auch in Kriegs- und Krisengebieten aktiv.

Zunächst einmal möchte ich Ihnen von Andres berichten. Andres war zwölf Jahre alt, als ich ihn in einem von uns geförderten Projekt für jugendliche Vertriebene kennenlernte - er war ist ein rechter Sonnyboy. Eigentlich hatte seine Familie auf dem Land eine kleine Finca in der Kaffeeanbauzone, von der man gerade so leben konnte. Aber Kolumbien ist ein Land im Bürgerkrieg - und der tobt auf dem Land, die Regierung hat nur etwas ein Drittel des Territoriums unter Kontrolle. Es ist der älteste bewaffnete Konflikt Lateinamerikas, die Fortsetzung einer Gewalttradition, die mit der Kolonialzeit, der Ausrottung der indianischen Bevölkerung und dem "Import" der Sklaven aus Afrika begann. Noch immer sind die Großgrundbesitzer die heimlichen Herrscher des Landes, und Gewalt gegen die Landbevölkerung war und ist ein Mittel der Interessensdurchsetzung. Mit der Entstehung von mehreren linken Guerillaorganisationen Mitte der 60er Jahre begann die jetzt noch andauernde Phase des Bürgerkriegs, ohne feste Fronten, aber Drohungen, Erpressung Mord, Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern sind an der Tagesordnung. Die kleine Oberschicht reagierte mit aller Härte - da der Staat versagte, entwickelten sich aus ihren Leibwächtern paramilitärische Gruppen, die bald zu eigenen Armeen wurden. Sie gehen mit großer Brutalität gegen jeden vor, der ihnen quer kommt - schätzungsweise 80 Prozent aller Gewalttaten gehen inzwischen auf das Konto der Paramilitärs. Finanziert wird das alles durch Drogengelder - die führenden Paramilitärs stehen auf den Fahndunglisten der US- Behörden, obwohl sie ihnen ideologisch als Kommunistenfresser eigentlich nahe stehen.

Andres geriet in diese Auseinandersetzung - seine Familie wurde vertrieben, als er sechs Jahre alt war. Wer genau und warum? Die Vertriebenen haben gelernt, darüber zu schweigen, das gilt auch für halbe Kinder wie Andres. Wahrscheinlich wollte jemand das Land, um dort Drogen anzubauen, zur Finanzierung des Kriegs. Denn - in Kolumbien sind die Vertreibungen nicht etwa Folge des Krieges, sondern es gibt Krieg, damit man die Menschen vertreiben kann.

In den letzten Jahren hat sich zudem eine neue Entwicklung ergeben - nicht mehr Rauschgift wird angebaut, sondern die afrikanische Ölpalme. Die Paramilitärs suchten wohl nach Alternativen, auf dass sie nicht immer auf den Fahndungslisten der amerikanischen Drogenbehörde DEA landeten.

Diese afrikanische Palme benötigt kaum Pflege und wirft nach 8 bis 10 Jahren gute Ernten ölreicher Früchte ab: als Grundstoff für die chemische Industrie, aber auch zur Herstellung von Biodiesel, der dann exportiert werden kann. Derzeit wird über die schädlichen Auswirkungen dieser Monokultur wenig berichtet, und wenn, dann sind Malaysia und Indonesien im Gespräch, sie waren früher am Markt und rodeten ihre Regenwälder für die Palma africana. In Kolumbien aber führt der Ölhunger jetzt zur Vertreibung von Menschen, die sich schon viele Generationen auf diesem Land siedelten.

Die Endstation für die Familie von Andres war Altos de Cazuca, ein Vorort von Bogotá, die größte Ansiedlung von intern Vertriebenen in Kolumbien. Zehntausende entwurzelte Bauernfamilien leben dort in fast 3000 m Höhe in einer steinigen Einöde, in der fast nichts wächst. Es gibt keine Arbeit, kaum Schulen, Wasser wird teuer per Tankwagen angeliefert. Täglich kommen neuen Opfer der Vertreibungen in Altos de Cazuca an, einige engagierte Nichtregierungsor-ganisationen kümmern sich mit Beratung und Unterstützung um die Neuankömmlinge.

Andres erzählte mir aber, dass trotz allem Cazuca jetzt seine Heimat ist. Er ist stolz und glücklich, dass er in unserem Projekt die Möglichkeit gefunden hat, seine Talente - er rappt und tanzt und moderiert eine Radiosendung - einzubringen. So habe ich ihn erlebt - ein echter Sympathieträger, der einfach durch seine Präsenz gute Laune verbreitet.

Und dann plötzlich wird er ganz ernst und er flüstert das Wort von der "Limpieza social", der sozialen Säuberung. Hunderte von Jugendlichen in Altos des Cazuca sind in den letzten Jahren auf offener Straße hingerichtet worden - es gab regelrechte Massaker, wo sich vier, fünf Jungs auf den Boden legen mussten und mit Genickschüssen ermordet wurden. Warum? Die Behörden reden von Bandenkriegen unter Drogenhändlern. Aber eine Untersuchung der Universität Bogotá hat die Biografien der Jugendlichen ermittelt - ein großer Teil war gut in der Schule, fleißig und integriert, keine Spur von Drogenhandel.

Tatsache ist: in Altos de Cazuca haben die Paramilitärs das Sagen - zumindest geduldet, wenn nicht gefördert von Armee, Polizei und Geheimdienst. Sie stellen die männlichen Jugendlichen vor die Wahl - entweder ihr macht bei uns mit, oder "Limpieza". Andres hat Angst, dass auch er den Mördern zum Opfer fällt, nur weil er friedlich leben will.

Ich habe das Schicksal von Andres deshalb so ausführlich geschildert, weil sich solche und ähnliche Geschichten in Kolumbien und anderen Ländern millionenfach ereignen - völlig außerhalb der Wahrnehmung der Medien und der Öffentlichkeit.

So unbeachtet, dass selbst der Begriff für diese Form der massiven Menschenrechtsverletzung in der Regel nur Menschenrechtsaktivisten bekannt ist: interne Vertreibung, manchmal findet man auch Binnenvertreibung oder Binnenflüchtlinge.

Dabei geht es um schätzungsweise 23 bis 25 Millionen Menschen, die aktuell in mindestens 52 Ländern weltweit in ihrem eigenen Land auf der Flucht sind vor Krieg und Menschenrechtsverletzungen. Diese Zahl ist mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Flüchtlinge.

Oft werden beide Begriffe - Flüchtlinge und Vertriebene - synonym gebraucht, als ob es sich um das Gleiche handelt. Dem ist aber nicht so. Ein Flüchtling ist per definition jemand, der eine internationale Grenze überquert hat, für ihn gelten dann die Schutznormen der Genfer Flüchtlingskonvention, zuständig für deren Durchsetzung ist der Hohe Flüchtlingskommissar in Genf.

Für intern Vertriebene hingegen gibt es keinen internationalen Schutzvertrag und auch keine internationale Organisation, die das völkerrechtliche Mandat für sie hat- wenn sich auch der UNHCR in den letzten Jahren zunehmend mit Erlaubnis der UN- Generalversammlung sich in manchen Ländern auch dieser Gruppe annehmen konnte.

Um nicht falsch verstanden zu werden: es geht hier nicht um makabre Vergleiche, ob es den intern Vertriebenen schlechter geht als den Flüchtlingen dieser Welt. Alle, die sich mit der Situation der Flüchtlinge in Deutschland etwas auskennen, wissen, wie belastend und schwierig die Lebenssituation von Menschen ist, die hier bei uns Zuflucht suchen. In der übergroßen Mehrheit aller Fälle wird ihnen diese Zuflucht sogar verweigert in dem Land, dass sich nach dem 2. Weltkrieg, der Millionen Deutsche zu Flüchtlingen gemacht, auf Grund dieser historischen Erfahrung ein mustergültiges Asylrecht gegeben hatte - und es dann erst in einen juristischen Irrgarten verwandelte und danach faktisch abschaffte. Dabei wird oft vergessen, dass die allermeisten Flüchtlinge in Ländern leben, bei denen die Einheimischen selbst kaum überleben können.

Also- nicht um Relativierung des Flüchtlingselends geht es, sondern um eine zusätzliche, bisher kaum wahrgenommene Dimension von Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen. Allein die Gesamtzahl ist erschreckend: fast 25 Millionen Menschen gibt es weltweit, die gewaltsam aus ihren Häusern, ihren Dörfern und Städten vertrieben wurden, die ihre wirtschaftliche Existenz verloren haben und für die es keine Instanz gibt, die ihnen Entschädigung leistet - im Gegenteil, viele von ihnen müssen ständig schutzlos um Leib und Leben fürchten - und es gibt noch nicht einmal eine internationale Konvention, die diese ständigen Menschenrechtsverletzungen ächtet.

Einige Zahlen und Fakten zur internen Vertreibung. Ich stütze mich dabei auf die Arbeit des Internal Displacement Monitoring Center in Genf, einer kleinen NGO, die das Mandat der UN hat, Statistiken über Vertreibungen zu veröffentlichen.

Die Länder mit den meisten intern Vertriebenen:

Sudan: (etwa 5 Millionen)

Kolumbien (bis zu 3,8 Millionen)

Irak (1,7 Millionen)

Uganda (1,7 Millionen)

Kongo (1,1 Millionen)

Die Zahl der intern Vertriebenen, die ständig Gefährdungen an Leib und Leben ausgesetzt sind, wird auf 15.6 Millionen geschätzt.

Die Länder, in denen intern Vertriebene am schlimmsten bedroht sind: Burma, zentralafrikanische Republik, Tschad, Kolumbien, Elfenbeinküste, Kongo, Irak, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Uganda. Eines der wichtigsten Kriterien für diese Einstufung ist das Verhalten des jeweiligen Staates: kümmert er sich um die Vertriebenen, lässt er wenigstens internationale Hilfe zu - oder ist die Regierung im Gegenteil selbst treibende Kraft hinter den Verbrechen, missbraucht das Gewaltmonopol und die Gewaltmittel des Staates, um die eigene Bevölkerung zu vertreiben und ins Verderben zu stürzen " missachtet dabei alle völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte - und verbittet sich jede Kritik aus dem Ausland unter missbräuchlicher Berufung auf die staatliche Souveränität? Schätzungsweise 6 Millionen Vertriebene sind einem Staat ausgesetzt, der ihrem Schicksal entweder indifferent gegenübersteht - oder ihnen direkt feindlich gesinnt ist.

70 bis 80 % der intern Vertriebenen sind Frauen und Kinder. Warum? Nun, eine der effektivsten Methoden, um eine Vertreibung in Gang zu setzen, ist es, einige Menschen zu ermorden: vorzugsweise sind dies die Männer, die Sprecher der Gemeinden, die Bürgermeister, der Lehrer oder der Priester - alle, die für das Funktionieren einer Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielen oder - diejenigen, die Widerstand effektiv organisieren könnten. Frauen und Kinder sind da in der Regel ungefährlicher, sie bekommen eine Drohung und eine Viertelstunde Zeit - und fliehen in Panik und Angst.

Was wird zur Hilfe für diese Menschen getan? Wo gibt es Hoffnung?

Ich habe auf die dramatische Situation der intern Vertriebenen hingewiesen. Es wäre aber falsch, wenn jetzt der Eindruck entstünde, man könne ja doch nichts tun. Das Gegenteil ist richtig: es ist notwendig sowohl auf der Ebene der praktischen Unterstützung wie auch der politischen Veränderung dafür zu sorgen, dass Vertreibungen international geächtet werden und als das begriffen und bekannt werden, was sie sind: systematische massive Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ja manchmal sogar Völkermord.

Zunächst einmal: die Berichterstattung über die zahlreichen Krisen und Konflikte sollte mit klareren Begriffen und ausführlicher über die intern Vertriebenen berichten, auch die Hintergründe beleuchten und die Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen. Solche Informationen sind leicht im Internet erhältlich, zum Beispiel auf unserer website www.tdh.de oder dem IDMC [
http://www.internal-displacement.org]

Wichtig wäre es auch, über die zahlreichen engagierten und mutigen Menschen zu berichten, die den intern Vertriebenen beistehen oder die sich der Gewalt entgegenstellen. In Kolumbien, im thailändisch burmesischen Grenzgebiet oder auf den Philippinen unterstützt terre des hommes zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die intern Vertriebenen helfen:



die den Jugendlichen wie Andres in den Elendsvierteln die Möglichkeit geben, ihren Schmerz und ihr Trauma zu überwinden,



die dafür sorgen, dass es in den Lagern Kindergärten, Schulen und Gesundheitsstationen gibt,



die für die von Vertreibung bedrohten Gemeinden Beratung, Rechtsbeistand und internationale Aufmerksamkeit organisieren.


Es gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben einer Kinderhilfsorganisation wie terre des hommes, Kindern in solch bedrohter Situation beizustehen, und zwar materiell wie auch psychologisch. Wir dürfen sie nicht allein lassen. Diese Projekte werden aus den Spenden finanziert, die wir sammeln.

Ich freue mich übrigens sehr - und deshalb erwähne ich das aus diesem Anlass- dass der diesjährige Aachener Friedenspreis heute am Antikriegstag an die Friedensgemeinde San Jose de Apartado in Kolumbien verliehen wird. Sie haben vor vielen Jahren entschieden, dass sie keine bewaffneten Kräfte auf ihrem Gebiet dulden werden, weder von Seiten der Guerilla, noch von Seiten des Staates und der Paramilitärs. Sie zahlen einen hohen Preis dafür, immer wieder kommt es zu Massakern an ihren Sprechern. Aber sie geben nicht auf - und sie lassen sich nicht vertreiben. Es gibt eine ganze Reihe solcher Friedensgemeinden in Kolumbien, San Jose de Apartadó ist sicherlich die Bekannteste. Es ist sehr wichtig, dass ihre Ziele, ihre Bedrängnis, aber auch der Mut dieser Pazifisten in einem Meer von Gewalt einer breiteren solidarischen Öffentlichkeit bekannt wird.

Solche Zeichen, solche Projekte sind wichtig, weil sie zeigen, dass der Weg der Gewalt nicht alternativlos ist, aber immer unweigerlich neues Leid, neues Elend erzeugt. Aber leider - mit Zeichen, mit Projekten sind die Ursachen für das massenhafte Unrecht der Vertreibung nicht zu bekämpfen. Denn, wie ich ja schon dargestellt habe, in vielen Ländern sind Vertreibungen Konsequenz staatlichen Versagens - oder noch schlimmer, Teil einer verbrecherischen staatlichen Politik.

Und jetzt komme ich zu einer besonders schwierigen Frage. Ich habe ja bereits die fehlende internationale Aufmerksamkeit - auch der Medien - beklagt. Noch nicht einmal die Begriffe interne Vertreibung und interne Vertriebene sind Allgemeingut. Ebenso unverständlich erscheint es auf den ersten Blick, dass ein Großteil der Mittel für humanitäre Unterstützung, die von den großen nationalen, europäischen und internationalen Hilfsinstitutionen ausgegeben werden, für intern Vertriebene verwendet wird - und kaum ein Wort wird darüber verloren.

Wie kommt dieses Missverhältnis zustande? Ist es Zufall, liegt es an der Komplexität der Materie, sind die deutschen Assoziationen beim Wort "Vertreibung" so übermächtig, dass sie alles und jedes zudecken - oder gibt es für dieses "schwarze Loch der öffentlichen Wahrnehmung" eine andere Erklärung? Wer hat ein Interesse an dem Schweigen über Vertreibungen in der heutigen Zeit?

Die für mich schlüssigste These ist: kaum eine Regierung der Welt hat Interesse an einer wirklichen, den ständig stattfindenden Verbrechen angemessenen Auseinandersetzung mit aktuell stattfindenden Vertreibungen- man müsste ja eine Regierung kritisieren, mit der man eigentlich gut Geschäfte machen will. So wird selten offiziell über das Thema gesprochen.

Die meisten Regierungen der betroffenen Länder - ob nur machtlos oder sogar mitbeteiligt - halten jede Einmischung, auch die humanitäre Hilfe - für eine Einmischung in ihre nationale Souveränität. Und die Regierungen der westlichen Welt mit ihrer Rhetorik von Humanität, Demokratie und Menschenrechten - auch sie sind mehr an Handelsbeziehungen, Rohstoffen und daran interessiert, dass die Menschen in ihren Ländern bleiben und nicht als Flüchtlinge und Asylbewerber zu uns kommen wollen - auch sie haben Interesse am Schweigen, nicht an der ungeschönten Darstellung des Elends.

Übrigens - selbst eine so wichtige humanitäre Institution wie der Hohe Flüchtlingskommissar wird durch die Situation der intern Vertriebenen mit einem Dilemma konfrontiert: Wenn er sich erfolgreich um intern Vertriebene kümmert, läuft er Gefahr, den Grundpfeiler des Flüchtlingsschutzes, die Genfer Konvention auszuhöhlen. Denn sobald seine Hilfsmaßnahmen greifen, könnten die Aufnahmeländer für Flüchtlinge sagen, dass sie sie gefahrlos zurückschieben können.

Natürlich waren es wieder einmal deutsche Juristen, die diese Möglichkeit besonders konsequent formuliert haben: sie erfanden das Konstrukt der "innerstaatlichen Fluchtalternative". Bildlich gesprochen: solange es noch ein Fleckchen in einem Land gibt, von dem man in einer deutschen Amtsstube vermuten kann, dass die intern Vertriebenen nicht bedroht sind - solange kann niemand aus diesem Land in Deutschland Asyl bekommen. Man kann ihn ja in diese "innerstaatliche Fluchtalternative" zurückschieben.

Zu Recht also befürchtet der Hohe Flüchtlingskommissar, dass der Flüchtlingsschutz bedroht ist.

Bleiben die Medien, Presse, Rundfunk, Fernsehen. So recht habe ich bisher nicht verstanden, dass interne Vertreibungen darin kaum vorkommen, und wenn, dann meist in Zusammenhang mit einer Handvoll Ländern: Sudan, Irak, Afghanistan, manchmal Tschetschenien.

Und noch ein Phänomen: selbst auf dem deutschen Buchmarkt, wo zehntausende Titel im Jahr neu erscheinen, gibt es kaum eine Publikation, die sich diesem Thema insgesamt widmet.

Zumindest diesen Mangel haben wir letztes Jahr behoben, mit dem Start unserer Aktion "Vertreibung von Kindern verhindern!". Sie besteht zur Zeit aus diesem gleichnamigen Buch und einer Plakatausstellung. Die Aktion soll Aufmerksamkeit für das Thema Vertreibung erzeugen.

Wichtigste Forderung ist, dass ein neues Menschenrecht geschaffen wird: das Menschenrecht auf Schutz vor Vertreibung. Sie erhalten das Buch und weitere Informationen an unserem Infostand.

Noch ein Wort zur Ausstellung: sie besteht aus zwanzig Plakaten, wir haben 300 Exemplare gedruckt und geben sie gegen einen geringen Betrag an diejenigen ab, die sie zeigen können: in Schulen, Volkshochschulen, der Uni, dem Rathaus der Staatskanzlei oder allen anderen geeigneten Orten. Ich würde mich freuen, wenn sie demnächst hier in Hannover zu sehen wäre.

Wir haben uns heute hier versammelt, um den Antikriegstag zu begehen, daran zu erinnern, dass Krieg die schlimmste aller Menschenrechtsverletzungen darstellt. Ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie mir heute die Möglichkeit gegeben haben, auf die zahlreichen Kriege hinzuweisen, die aktuell Leib und Leben der Menschen, die Sicherheit und Zukunftschancen und die Entwicklungsmöglichkeiten von Millionen Kindern bedrohen. Und ich wünsche mir, dass auch Andres und seine Freunde eines Tages ihren Weg aus dem Elendsviertel Altos de Cazuca herausfinden und ein neues, friedliches und besseres Kolumbien aufbauen können. terre des hommes will dazu beitragen - helfen auch Sie mit.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit



Andreas Rister ist Leiter des Referates "Verein, Kinder- und Jugendprogramm, Globales Lernen" bei terres des hommes in Osnabrück.

E-Mail: a (Punkt) rister (at) tdh (Punkt) de

Website: www.tdh.de
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