Antikriegstag 2007


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Antikriegstag 2007

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Rede zum Antikriegstag 1. September 2007 in Esslingen am Neckar

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Bernd Köster (in Esslingen)

- Es gilt das gesprochene Wort -

als der Deutsche Gewerkschaftsbund am 1. September 1957, also auf den Tag genau, heute vor 50 Jahren erstmals den Antikriegstag beging, waren die Eindrücke und Erinnerungen an das Grauen und die unsäglichen Verbrechen und Leiden die der Faschismus und der aus ihm resultierende 2. Weltkrieg über die Völker Europas brachten noch allgegenwärtig.

Am 1. September 1939 überfiel Nazi-Deutschland Polen. Dies war der Auftakt zum furchtbarsten Krieg des zwanzigsten Jahrhunderts und der Menschheitsgeschichte. 55 Millionen Menschen wurden Opfer dieses wahnsinnigen Krieges. 6 Millionen Juden wurden durch die perverse industrielle Menschenvernichtungs-Maschinerie der Nazis ermordet. Neben den Juden mordeten die Nazis zu vielen Hunderttausenden Sinti und Roma, Homosexuelle, Behinderte, Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter, Christen, Zeugen Jehovas u. a. Menschen, die dem nationalsozialistischen Menschenbild nicht entsprachen oder politisch dagegenstanden, in den Konzentrationslagern.

Mit dem Aufruf "Nie wieder Krieg" versammelt der Antikriegstag seit 1957 all Jene zu Friedens-Kundgebungen, die aus der furchtbaren Geschichte ihre Lehren gezogen haben:

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,



Solche Barbarei darf niemals mehr Menschen durch Menschen angetan werden.



Der Krieg ist die allerschlimmste Geißel der Menschheit, er ist aber keine Naturkatastrophe, die wie ein Hurrikan über die Welt hereinbricht.



Er kann vermieden werden, wenn die Menschen nur dafür kämpfen.


Angesichts der beiden von deutschem Boden entfesselten Weltkriege, gibt es über die Frage, wer Opfer und wer Täter war, keine Zweifel. Zweifel streuen nur jene, die Geschichte klittern wollen, die wider besseres Wissen historische Lügen verbreiten.

Wie Ministerpräsident Günter Oettinger auf die Idee kommen konnte, am Sarg des Alt-Ministerpräsidenten und furchtbaren Juristen Filbinger diesen postum zum Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus verklären zu wollen, wird wohl sein ewiges Geheimnis bleiben. Filbinger war kurz vor Kriegsende als Marinerichter aktiv an Todesurteilen gegen Deserteure beteiligt und rechtfertigte dies später mit den Worten: "Was damals recht war, kann heute kein Unrecht sein." Er musste 1978 als Ministerpräsident Baden-Württembergs unter dem Druck der Öffentlichkeit zurücktreten. Dass Filbinger in den Jahrzehnten danach in der von ihm gegründeten Akademie Weikersheim weiterhin rechtsextremem Gedankengut freien Lauf ließ und geradezu versuchte, dieses dadurch zu relativieren, indem ihm viele Edelnazis vom rechten Flügel seiner Partei Pate standen, verdeutlicht, dass Filbinger ein unverbesserlicher Ewiggestriger war.

Oettinger dachte bei seiner Rede wohl an den so unlogischen wie unsinnigen moralisierenden Grundsatz mancher, "über Tote nur Gutes". Man kann`s drehen und wenden, wie man will, aber aus einem Filbinger mit brauner, unrechtsstaatlicher und mörderischer Vergangenheit wird durch den Tod kein Demokrat Filbinger in weißer Weste!

Auch jene, die unser Land gerade vor wenigen Tagen wieder in widerlichster Weise weltweit diskreditierten, zwingen die Mehrheit der Anständigen in diesem Lande dazu, auch weiterhin wachsam zu bleiben. Vor 2 Wochen überfielen Rassisten im rheinland-pfälzischen Guntersblum 2 Afrikaner (,wir machen die Neger platt"). Zeitgleich wurden im sächsischen Mügeln 8 Mitbürger indischer Herkunft angriffen. Wenige Tage später hetzte in Magdeburg ein Neonazi seinen Hund auf einen Iraker und griff ihn zudem mit einem Baseballschläger an. In allen Fällen wurden die Opfer schwer verletzt.

Dass sich der Bürgermeister von Mügeln nach peinlichen Versuchen des Bagatellisierens auch noch zu dem Satz hinreißen ließ «Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen» (gemeint ist "Ausländer raus") verdeutlicht, wie manch politischer Verantwortliche in diesem Lande mit rechter Gewalt umgeht. Derselbe Bürgermeister ließ vor 2 Tagen die Maske des Biedermannes fallen, als er in einem Interview der Leib- und Magenzeitung der alten und neuen Nazis in unserem Lande, der "Jungen Freiheit" den Satz äußerte: "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein." Die FDP, der dieser rechte Provinzdepp angehört, sollte hier schleunigst für klare Verhältnisse sorgen und sich eines solchen Mitglieds entledigen.

Übrigens: Ein rechtsextremer Hintergrund wurde in Sachsen zunächst sowohl vom MP Milbradt, wie auch vom sächsischen Innenminister in Zweifel gezogen, während Kurt Beck in Rheinland-Pfalz sofort das schlimme Geschehen in den richtigen Zusammenhang stellte.

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

ums klar zu sagen, Neofaschismus und aus ihm resultierende Gewaltexzesse sind kein ostdeutsches Spezifikum, auch wenn sie dort offenbar besser Fuß fassen konnten und immer noch können als im Westen.

All jene haben m. E. allerdings vollkommen recht, wenn sie Menschen mit dunkler Haut davor warnen, sich in No-Go-Areas in Ostdeutschland zu begeben. Derzeit ist es nun einmal der Osten, in dem es bereits ausländerfreie oder national befreite Zonen, in denen es also rechtsfreie Räume gibt und in denen das von Politik und Justiz leider viel zu häufig stillschweigend hingenommen wird. Und es sind auch ostdeutsche Bundesländer, die bei rechten Gewalttaten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl deutlich die Nase vorn haben. Und das bei einem Ausländeranteil von gerade mal knapp 2 %.

Mit dieser Aussage meine ich nicht, dass wir in Westdeutschland uns selbstzufrieden zurücklehnen sollen oder nichts mehr im Kampf gegen den Rechtsextremismus tun müssten. Ganz und gar nicht. Guntersblum in der Pfalz, aber auch die Nazi-Aufmärsche in Göppingen und Tübingen direkt vor unserer Haustür, ständig wiederkehrende Nazi-Aktivitäten in Friedrichshafen und auch andere Ereignisse -Solingen und Mölln liegen bekanntlich im Westen- haben uns immer wieder das Gegenteil gelehrt.

Wachsamkeit ist geboten, hier und anderswo.

Gerade vor dem Hintergrund von Guntersblum, Magdeburg und Mügeln wird klar deutlich, dass Ursula von der Leyen als die zuständige Ministerin die dringend notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen muss, um antifaschistischen Initiativen in den Problemgebieten die dringend notwendige Aufklärungsarbeit gegen rechts zu ermöglichen.

Von der Polizei und Justiz -vor allem im Osten- wünsche ich mir, dass sie ihre Arbeit im Umgang mit dem Neofaschismus endlich mit mehr Ernsthaftigkeit versehen und gegen rechte Brüllaffen und deren Vordenker und Einflüsterer konsequent und knallhart zur Sache gehen.

Außerdem fordere ich die politisch Verantwortlichen eindringlichst dazu auf, das Rumeiern einzustellen und endlich das NPD-Verbot durchzusetzen.

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

lasst mich kurz daran erinnern, dass die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschisten dieses Jahr ihren 60. Geburtstag feiert. Sie leistet neben anderen Aktivitäten seit geraumer Zeit mit ihrer Initiative "NO NPD", die von vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaften unterstützt wird, aktive Arbeit für ein NPD-Verbot.

Auch für uns als DGB-Region ist die Erinnerungsarbeit ein sehr wichtiges Anliegen, von daher freue ich mich, Euch mitteilen zu können, dass wir den "Zug der Erinnerung" unterstützen. Ihn findet ihr auf der Internetseite
http://www.zug-der-erinnerung.eu.

Faschismus ist keine Meinung - Faschismus ist ein Verbrechen!

Vom franz. Schriftsteller, Philosophen und Literatur-nobelpreisträger Albert Camus stammt folgender Satz: "Es ehrt unsere Zeit, dass sie genügend Mut aufbringt, Angst vor dem Krieg zu haben." Auch ca. 50 Jahre, nachdem er dies sagte, haben wir eine Welt, die keinen Frieden findet. Leider gibt es in vielen Regionen unseres Erdballs kriegerische Auseinandersetzungen mit schlimmen Folgen für jene Menschen, die dort leben müssen.

Ich möchte hier stellvertretend für derzeit weltweit ca. 26 Kriege und Konflikte zwei herausgreifen, weil durch sie deutlich wird, dass Kriege nicht zu Problemlösungen führen.

Zum einen ist da der von den USA herbeigeführte und der sog. Koalition der Willigen geführte Krieg im Irak. Dieser Krieg wurde vom US-Präsidenten Bush durch die Erfindung von irakischen Massenvernichtungswaffen, von denen bis zum heutigen Tag keine einzige gefunden wurde, vom Zaun gebrochen. Bush ist nicht nur ein Wahlbetrüger, er ist auch ein schlimmer Lügner.

Sicher, das Herrschaftssystem des Saddam Hussein war geprägt von Menschenrechtsverletzungen, von Barbarei, von Folter und Unterdrückung. Und mit Sicherheit wird es auch nur wenige Demokraten auf diesem Erdball geben, die das Ende dieses Regimes wirklich bedauerten.

Für mich stellt sich allerdings die entscheidende Frage danach, ob sich im Irak für die Menschen die Situation nachhaltig verbessert hat, nachdem nun andere, demokratisch gewählte Kräfte, das Ruder übernahmen. Diese Kräfte sind willfährige Palladine der USA und sorgen nun dafür, dass die irakischen Ölquellen den Ölmultis vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung stehen. Das war schließlich auch das Hauptziel von Bush, Rumsfeld und all den anderen Gaunern der US-Administration.

Fakt ist, dass der Irak fast täglich von verheerenden Bombenanschlägen mit unzähligen Toten und zerfetzen Menschen heimgesucht wird.

Fakt scheint auch, dass die USA und ihre Verbündeten, die im Laufe der Dauer des Krieges erfreulicherweise immer weniger wurden, diesen Krieg kaum gewinnen werden können. Ob man es will oder nicht. Die Mehrheit der Menschen im Irak will keine Lebensverhältnisse westlicher Prägung. Sie entstammen vollkommen anderen Traditionen und Wertvorstellungen und lassen sich nicht mal so eben eine neue Staatsform überstülpen.

Besonders entscheidend in diesem Konflikt erscheint mir die Unglaubwürdigkeit der USA, die vor über 2 Jahrzehnten den Kriegsherrn Saddam Hussein im Kampf gegen den Iran mit Waffen massivst unterstützt haben. Auch Unternehmen der Bundesrepublik sorgten durch entsprechende Unterstützung Saddams dafür, dass er das Know how zur Herstellung von Giftgas erlangen konnte, mit dem er Ende der 80er Jahre tausende von Kurden ermorden konnte.

Diese Doppelmoral wird von den meisten Meinungsmachern und unseren Politikern bewusst verschwiegen.

Von ähnlicher Doppelmoral ist die Situation um den Krieg in Afghanistan. Hier wurden -ebenfalls von den USA- vor über 20 Jahren sog. Volksmudschaheddin, Freischärler oder auch Befreiungskämpfer im Kampf gegen die kommunistische UdSSR mit allen Mitteln, vor allem Waffen unterstützt. Ja, Amerika nährte die Schlange an seiner Brust.

Heute richten sich nämlich diese Waffen gegen die USA selbst. Nur sind es heute keine Befreiungskämpfer mehr, sondern Taliban und Terroristen.

In der Vermutung, den Terrorexporteur Osama Bin Laden in den Bergen Afghanistans zu finden und mit ihm seine Getreuen, wird ein Krieg geführt, der ebenfalls kaum zu gewinnen sein wird.

Humanitäre Beteiligung Deutschlands, wie im Norden Afghanistans geleistet, ist m. E. nicht mit Bausch und Bogen abzulehnen. Hier muß differenziert werden. Der bewaffnete Kampfeinsatz deutscher Truppen jedoch sollte nicht unsere Sache sein und ist deshalb klar abzulehnen. Dazu zählt der Einsatz von Tornados genauso wie der Einsatz von Kommando-Spezial-Kräften.

Wie im Irak-Krieg gilt auch hier: Die Politik des US-Präsidenten Bush nach dem Prinzip "Ich setze meine Ideologie mit Flamme und Schwert und ohne Rücksicht auf menschliche Verluste durch" ist keine Politik mit Zukunft. Sie führt nur zu noch tieferem Hass und noch mehr Gewalt. Das beweisen Kriege in der Neuzeit, wie die Kreuzzüge des finsteren Mittelalters.

Aus diesem Grunde muss aus meiner Sicht ein tragfähiges Rückzugsszenario für die Bundeswehr in Afghanistan entwickelt und umgesetzt werden, anstatt, wie teilweise geplant, das dortige Kontingent zu erweitern.

Anstatt durch Kriege Gewalt in die Welt hinein zu exportieren, muss die internationale Gemeinschaft alles menschenmögliche dafür tun, Despoten auf dieser Welt das Handwerk zu legen.

Dazu gehört eine konsequentere Kontrolle des internationalen Waffenhandels, an dem gerade auch die westlichen Industrienationen nicht unwesentlich verdienen. Auch muß die Lieferung von Waffen in Krisenregionen ohne wenn und aber unterbunden werden, da sie unmoralisch und menschenverachtend sind.

Die Vermeidung von bewaffneten Konflikten durch präventive Friedenspolitik muß absolute Priorität haben. Um dies erreichen zu können, müssen sich alle Staaten an Beschlüsse und Regeln der UN halten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert daher vor allem die Europäische Union auf, ihre friedenspolitische Verantwortung wahrzunehmen und den Aufbau friedlicher, zivilgesellschaftlicher Strukturen in Konfliktgebieten - wie dem

Irak, Afghanistan, Palästina, dem Sudan oder andernorts - verstärkt zu unterstützen.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.



Bernd Köster ist DGB-Regionssekretär in der DGB-Region Stuttgart.

E-Mail: esslingen (at) dgb (Punkt) de
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