Antikriegstag 2007


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Antikriegstag 2007

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für die Antikriegstagveranstaltung am 1. September 2007 in Dortmund

Liebe Friedensfreundinnen und Friedenfreunde!

Helmuth Prieß (in Dortmund)

Es ist ein Trauerspiel, dass wir und viele Gleichgesinnte bundesweit uns heute zum Antikriegstag treffen müssen,



1.weil Deutschland, unser Land, am 1.September 1939, mit dem verbrecherischen Überfall auf Polen ein weltweites Gemetzel in Gang setzte, dem mehr als 50 Millionen zivile Bürgerinnen und Bürger und Soldaten und außerdem 6 Millionen ermordete Juden zum Opfer fielen. Als Deutsche schämen wir uns dafür!



2.ist es traurig, dass an dieses deutsche Kriegsverbrechen erinnert werden muss, weil es trotz aller Fakten immer noch eine Minderheit in unserem Volk gibt, die die Kriegsschuld und die damit verbundenen Verbrechen leugnet, und



3.ist es eine besondere Tragik, dass die meisten deutschen Politiker nicht ausreichend ihre Erfahrungen aus alledem gezogen haben.


Bereits 1936 hat die deutsche Wehrmacht mit der Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg den Faschisten Franco unterstützt und mit dem Terror-Luftangriff auf die baskische Stadt Guernika das Startsignal für alle folgenden Bombardierungen im 2. Weltkrieg gegeben.

Nach der gewaltsamen Besetzung Österreichs und mit einem in München ergaunerten Abkommen besetzte die Hitlerwehrmacht die Tschechoslowakei und am 1. September 1939 löste Deutschland mit dem Überfall auf Polen den 2. Weltkrieg aus. Unsere Väter und Großväter überfielen viele Länder innerhalb und außerhalb Europas, unterdrückten, mordeten und hinterließen verbrannte Erde. Im Gegenzug erging es den Deutschen dann ebenso. "Das deutsche Volk hat es nicht anders verdient", erklärte der größte Verbrecher der deutschen Geschichte wenige Tage vor seinem Tod.

Wer diese Fakten leugnet ist nicht nur ein Narr, er ist unmenschlich! Auch aus Unwissenheit lassen sich viele junge Menschen ideologisch verführen. Mit manchen kann man nicht reden. Aber es ist wichtig, mit den Wankelmütigen das ruhige, besonne Gespräch zu suchen: im Elternhaus, im Freundes- und Bekanntenkreis, in der Schule, im Verein. Ich selbst komme aus einem sehr konservativen, antisemitisch geprägten Elternhaus - habe als Jüngling viel dummes Zeug nachgequatscht. Zahlreiche Lernimpulse, besonders Ende der 60er Jahre, haben mich nachdenklich gemacht und vorhandene Klischees zusammenfallen lassen. Also, sprechen wir mit denen, die mit sich sprechen lassen!

"Nie wieder Krieg", hieß es 1945. Und was nun? Bis 1990 galt der Satz: "Der Frieden ist der Ernstfall". Nach der Wiedervereinigung erklärte der damalige Verteidigungsminister Rühe. "Der Krieg ist zu uns als Mittel der Politik zurückgekehrt" und beim 1. verfassungs- widrigen Bundeswehr-Auslandseinsatz in Kambodscha tönte Generalinspekteur Naumann selbstbewusst, "erstmals seit 46 Jahren verbringen deutsche Soldaten Weihnachten wieder im Feld". Diese "Herren", und die, die sie unterstützten, haben mit Salamitaktik Deutschland immer schneller und tiefer in Auslandseinsätze hineingezogen. Mein Urteil darüber ist: "Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich Kotzen möchte"!

Es heißt: Seit der Wiedervereinigung muss Deutschland wieder mehr Verantwortung übernehmen. Stimmt! Aber müssen wir an nahezu jeder Militäraktion weltweit teilnehmen? Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten deutschen Geschichte, an die wir heute schmerzlich erinnern, gibt es nur eine Antwort: NEIN, wir müssen nicht!

Ich sage dies alles auch als Sprecher des Arbeitskreises DARMSTÄDTER SIGNAL, eines seit 1983 bestehenden Zusammenschlusses kritischer Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr. Wir fordern u.a.:



1.riedliche Konfliktlösungen müssen absoluten Vorrang vor militärischen Einsätzen haben. Die Teilnahme an Beobachtermissionen oder friedenserhaltenden Einsätzen auf der Grundlage einer UN-Resolution und unter Beachtung unserer Verfassung schließen wir nicht aus, wie z.B. in Georgien, in Eritrea, im Kongo und in Sudan. Friedenerzwingende Kampfeinsätze lehnen wir grundsätzlich ab, denn - "Frieden oder Demokratie mit Waffen erzwingen zu wollen, ist eine gefährliche Illusion!"



2.Wir fordern die Verkleinerung der Bundeswehr auf ca. 120000 und die Abschaffung der Wehrpflicht!



3.Wir fordern den sofortigen Abzug des US-Atomsprengkörper in Büchel.



4.Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab und fordern den Stop der Rüstungsexporte!


Ich füge hinzu: Terrorismus kann man militärisch nicht bekämpfen! Die besten "Waffen" gegen den Terrorismus sind eine gerechte Weltwirtschaft, sind Solidarität mit den Schwachen - und Toleranz!

Die militärische Beteiligung Deutschlands am rechtswidrigen Luftkrieg gegen Jugoslawien, die Unterstützung der USA bei ihrem verbrecherischen Krieg gegen den Irak und unsere Beteiligung mit KSK-Truppe an rechtswidrigen Aktionen der USA, wie z.B. deren Kampf gegen die Taliban im Süden und Südosten Afghanistans sind genug! Das alles muss jetzt ein Ende haben!

Deshalb bitten wir alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages nachdrücklich, bei der anstehenden Entscheidung der Verlängerung des Einsatzes der KSK-Bodentruppe, nicht zuzustimmen!

Deshalb fordere ich alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, dem weiteren Einsatz der Tornados in Afghanistan, die im Wesentlichen die rechtswidrigen Militäreinsätze der US-Armee in Afghanistan unterstützen, nicht zuzustimmen!

Seit 2002 beteiligt sich Deutschland, inzwischen mit 3600 Soldaten, auf der Grundlage des Petersberg-Abkommens an dem Versuch, Afghanistan politisch zu stabilisieren und den Wiederaufbau zu schützen. Diesem Einsatz fehlte - wie anderen Einsätzen auch - eine klare Analyse der Einsatzbedingungen und ein darauf fußendes Gesamtkonzept. Das traurige Ergebnis dafür liegt vor:



Viele Kenner sprechen von einer Irakisierung der Lage;



für alle Helfer nehmen die Gefahren im ganzen Land zu, wie es ein weiterer Anschlag auf deutsche Soldaten vor 2 Tagen deutlich macht;



der Opiumanbau erzielt schwindelnde Höhen,



der Einfluss der Taliban weitet sich aus,



die Hoffnung bei der Bevölkerung auf eine bessere Zukunft nimmt rapide ab.


Die Ursache dafür liegt in dem unerträglichen Verhältnis zwischen der Bereitstellung von Mitteln für den zivilen Wiederaufbau und den Kosten für`s Militär, nämlich 1 : 5 für Militärausgaben. Und mehr Soldaten schaffen nur mehr Destabilisierung

Die vielleicht noch bestehende Hoffnung auf eine friedliche, dem Lande entsprechende demokratische Entwicklung besteht nur, statt Militärkontingente aufzustocken, endlich und sofort eine "Großoffensive ziviler Hilfe" einzuleiten.

Die sich daraus ergebende Chance der Stabilisierung und des friedlichen Wiederaufbaus ermöglicht, alle in Afghanistan befindlichen Truppen abzubauen. Damit muss jetzt angefangen werden.

Wenn die Bundesregierung die Kraft zu einem radikalen Kurswechsel nicht aufbringen will, dann sollte der Bundestag beschließen, den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan einzuleiten. Denn es ist unverantwortlich, dass deutsche Soldaten für eine falsche Militärpolitik zunehmend in`s Fadenkreuz der Taliban geraten und für diese verfehlte Politik töten und getötet werden!

Verteidigungsminister Jung sieht das natürlich ganz anders. Anscheinend weinselig plant er, noch in diesem Jahr ein Ehrenmal für im Dienst umgekommene Soldaten der Bundeswehr zu errichten: 4o m breit, 10 m hoch, mit Erkennungsmarken beklebt. Ein Monstrum!: Da entsteht eine "bronzeeloxierte Großwartehalle", eine "Kranzabwurfstelle" des Ministers - natürlich bei laufender Kamera! Naja, falls die von ihm vertretene Politik fortgesetzt wird, werden wir ihn dort immer häufiger sehen! Und das wollen wir nicht! Wir brauchen kein Ehrenmal, wir brauchen eine bessere Politik!

Es ist an der Zeit, dass besonders die einflussreichen Länder dieser Welt, also auch viele europäische Länder und Deutschland sich der aggressiven Politik der USA entgegenstellen.

Wem ist erlaubt ganze Völker - früher Libyen - jetzt Nord-Korea oder der Iran als die Schurkenländer unsere Welt zu bezeichnen und mit Krieg zu bedrohen? Besondere Vertreter für Völkerverständigung sind deren Regierungen wohl nicht. Ich werde nicht, wie Präsident Bush, ein Volk pauschal beschimpfen und deshalb sage ich: Die z.Zt. größte Schurkenbande auf der Welt ist ist US-Regierung und auch die, die sie wählen. Hoffentlich sind die bald abgewählt!

Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde, der Kampf für mehr Frieden auf unserer einen Welt braucht einen langen Atem und viel Stehvermögen. Beides wünsche ich Ihnen!!



Helmuth Prieß ist Sprecher des AK Darmstädter Signales.

E-Mail: helmuthpriess (at) darmstaedter-signal (Punkt) de

Website: www.darmstaedter-signal.de
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