Antikriegstag 2008


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Antikriegstag 2008

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Rede zum Antikriegstag am 1. September 2008 in Freiburg

Liebe Friedensfreunde,

Max Heinke (in Freiburg)

am heutigen Antikriegstag erinnern wir an den faschistischen Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September vor 69 Jahren. "Seit 5Uhr 45 wird zurückgeschossen", so lautete die verlogene Kriegspropaganda Hitlers. Der Krieg kam schon nach wenigen Jahren an seinen Ausgangsort zurück. 60 Millionen Tote, darunter 6 Millionen ermordete Juden, 600.000 ermordete Sinti und Roma, und 25 Millionen sowjetischer Bürger verloren ihr Leben, dazu unzählige zerstörte Städte und Dörfer in ganz Europa. Ein unvergleichbares Verbrechen das auch heute nichts von seinem Schrecken verloren hat.

Die überlebenden Häftlinge von Buchenwald schworen auf dem Appellplatz, "Nie wieder Faschismus nie wieder Krieg". Sie drückten mit dieser Losung die Friedenssehnsucht des größten Teils der Menschheit aus.

Wir müssen dies immer wieder in Erinnerung bringen und für künftige Generationen wach halten - gegen die Kräfte, die das allzu gerne vergessen machen wollen. Wie war es möglich, dass sich Rassenwahn, Militarismus und Staatsterror im deutschen Volk - gegen geringen inneren Widerstand - durchsetzen konnten. Über die Ursachen scheiden sich heute noch die Geister.

Keine 10 Jahre nach der Kapitulation standen die deutschen Bürger mit der Gründung der Bundeswehr wieder in den Militärstiefeln. Was in den Fünfziger Jahren mit Restauration und Remilitarisierung durch die Adenauer-Regierung seinen Anfang nahm, findet in der heutigen extremen Aufrüstung und den völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen im Ausland seine Fortsetzung.

Wir sind wieder wer, wir sind wieder dabei. Damals wie heute ist Größenwahn im Spiel.

Der industriell militärische Komplex hat die Welt in eine Waffenkammer verwandelt. Ca 1,4 Billionen Dollar, oder 900 Milliarden Euro, werden jährlich weltweit für Waffen verschwendet. Der Irakkrieg kostet die US-Bürger12 Milliarden Dollar monatlich. Insgesamt geben die USA 600 Milliarden Dollar im Jahr für Waffen aus und der Irakkrieg hat bisher 3 Billionen Dollar verschlungen. Das Zentrum dieses Wahnsinns liegt also jenseits des Atlantiks. Millionen Menschen wurden durch die Kriege im Irak, Afghanistan und Afrika getötet. 14 Kriege gibt es z. Zt. in der Welt. Elend, und Krankheiten breiten sich weiter aus. Das Millenniumsziel, den Hunger zu halbieren, wurde nicht erreicht. Zu dem Kampf um Öl und Gas, kommt zunehmend der um Wasser. Im Nahen Osten sind das zusätzliche Konflikte. Wasser wird zum kostbarsten Gut. Für sauberes Wasser, Gesundheit und Bildung für alle Menschen zu sichern, wird zu wenig getan, dagegen wird unvermindert gerüstet.

Ein perfektes System der Überwachung wird unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung, nach dem Vorbild der USA, bei uns und in immer mehr Staaten eingerichtet. "Big brother is watching you" ist heute bittere Realität. Dazu werden neue Feindbilder benötigt: Sind jetzt Russen, Chinesen und Islamisten die neuen Feinde, wie es früher die Kommunisten waren?

Auch die Flüchtlinge werden wie Feinde behandelt. Die EU richtet mit viel Geld High-Tech, -Mauern um Europa auf. Flüchtlinge sollen so von der Wohlstandsfestung Europa abgehalten werden. Das Mittelmeer ist zu einem Massengrab für Flüchtlinge geworden. Über 10.000 Menschen mussten in den letzten 10 Jahren auf der Flucht übers Mittelmeer ihr Leben lassen. Statt diesen Menschen zu helfen, militarisieren wir die Grenzen der EU. Dieses Unrecht verstösst eklatante gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

Seit dem Ende des sozialistischen Wirtschaftsblocks und der Auflösung des Warschauer Paktes, expandiert die Nato immer weiter nach Osten. Der Krieg gilt wieder als probates Mittel zur Lösung politischer Probleme.

Die Kriege im Irak, im ehemaligen Jugoslawien und Afghanistan wurden von den USA diktiert und von westlichen Natostaaten unterstützt.

Die Ukraine und Georgien, also unmittelbare Nachbarn Russlands, sollen so schnell wie möglich in die Nato integriert werden. Um was geht es? Es geht um Öl, Gas, Transportwege, geostrategische Positionen, um militärische und wirtschaftliche Dominanz auf den Weltmärkten, um die unter den kapitalistischen Großmächten hart konkurriert wird.

Um Vorherrschaft und Vormachtstellung zu erlangen, sind alle Mittel recht. Menschen und Massen werden ideologisch verblendet, ethnische Konflikte geschürt, Völker und Ethnien gegeneinander ausgespielt. Waffenlieferungen an die jeweils gegnerische Seite und das Verbreiten von Lügen und Halbwahrheiten sind gängige Praxis.

Der Kaukasuskonflikt hat uns erschreckend vor Augen geführt, wohin die imperiale Politik der Nato führen kann: Nämlich an den Rand eines nicht mehr kontrollierbaren Krieges.

Wurde ein junger, machthungriger " in den USA ausgebildeter Präsident verführt, gedrängt den Konflikt mit Ossetien und Abchasien durch ein militärisches Abenteuer zu lösen? Die Gebiete um den Kaukasus sind ein Pulverfass. Wer hier das Streichholz an die Lunte legt, spielt mit dem Feuer. Die Russen werden jetzt einseitig zum Aggressor erklärt und des völkerrechtswidrigen Handelns bezichtigt. Wie viel Heuchelei steckt in diesem schmutzigen Spiel! Das Völkerrecht kümmerte diese Kreise bisher wenig.

Dennoch, Völkerrechtsbruch durch die Kriege der Nato und die Anerkennung des Kosovo, darf nicht wieder mit Völkerrechtsbruch beantwortet werden. Die Kanzlerin verspricht die schnelle Aufnahme Georgiens in die Nato. Von kluger Zurückhaltung keine Spur. Verspricht Sie sich damit mehr Chancen für Deutschland um einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat?

Deutschland liefert alles von High-Tech-Waffen, U-Boote z. B. an Israel, auch Millionen Kleinwaffen an fast jeden Staat. Es rangiert an dritter Stelle des weltweiten Rüstungsexports, trotz des Exportverbots in Spannungsgebiete. Auch an der nuklearen Teilhabe hält die Bundesregierung eisern fest. Eine der größten Waffenschmiede der Welt ist Deutschland. Eine Schande für Deutschland, das zwei Weltkriege angezettelt hat.

Die Konflikte im Kaukasus, spitzen sich weiter zu. Die Aussichtslosigkeit militärischer Lösungen wird mit mehr Soldaten und mehr Waffen beantwortet. Zivile Lösungen, die so dringend nötig wären, finden kaum Gehör. Die neuste Masche ist "Zivilmilitärische Zusammenarbeit". Sie führt zu Militarisierung ziviler Hilfe. Zivile Hilfe gerät ins Visier von Terrorgruppen, damit steigt auch die Zahl der zivilen Opfer. Jeder Tote ist ein Toter zuviel! Wie viel Leid ertragen beispielsweise die Afghanen, die durch Krieg und Terror, Familien und Freunde - unter ihnen viele Frauen und Kinder - verloren haben. Darunter sind auch Opfer von Bombenzielen, die von deutschen Tornados ausgemacht wurden.

Der Feldzug gegen den Terror hat sich in sein Gegenteil verkehrt und noch mehr Terror ausgelöst. Vor dieser Entwicklung hatten die deutschen Friedenskräfte schon lange gewarnt. Selbst der amerikanische Verteidigungsminister Gate warnt vor den unabsehbaren Folgen eines Krieges gegen den Iran. "Wir werden Generationen von Jihadisten erschaffen und noch unsere Enkel werden unsere Feinde hier in Amerika bekämpfen müssen". Es ist fraglich ob Bush diese Warnungen wahr, geschweige ernst nimmt. Es mangelt ihm offensichtlich an Vernunft und gesunden Menschenverstand. Amerikanische Kriegsschiffe fahren drohend im Schwarzen Meer und im Golf von Iran auf. Ist das Säbelrasseln das Vorspiel zu einem bevorstehenden Krieg gegen den Iran? Dies muss im Interesse der menschlichen Zukunft verhindert werden.

Von dieser nach Vorherrschaft strebenden USA-Regierung geht eine Gefahr für den Weltfrieden aus, da sie ihre zerstörerischen Arsenale, auch bei Gefahr des eigenen Untergangs, ständig einzusetzen droht, das erkennen immer mehr Menschen.

Eine Politik der Kriegsverhinderung für Deutschland und Europa kann nur heißen, Loslösung und Emanzipation aus der Vorherrschaft der USA. Deutschland könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu wäre die Regierung nach dem Friedensgebot des GG verpflichtet. Schritte zur Abrüstung wären dringend geboten. Der Atomwaffensperrvertrag muss wieder mit Geist und Leben erfüllt werden.

Dialog und Verständigung, bei gegenseitiger Respektierung, ist das Gebot der Stunde. Hierzu kann die Organisation für europäische Zusammenarbeit und Abrüstung (OSZE) als gute Grundlage für offene und faire Verhandlungen dienen.

Krieg darf heute und in aller Zukunft kein Mittel mehr zur Konfliktlösung sein. Krieg ist Terror! Es gibt nichts schlimmeres als Krieg. Krieg ist eine Geisel der Menschheit.

Die Bevormundung seitens der US Regierung muss überwunden werden. Das heißt Ausstieg aus den verhängnisvollen Bündniszwängen und falsch verstandener bzw. verfälschter internationaler Verantwortung. Der Ausstieg ist überlebensnotwendig.

Auch wir in der Freiburger Friedensbewegung fordern dies ohne Wenn und Aber. Diese Forderung braucht die Unterstützung einer Mehrheit, die die Gefahren für den Frieden erkannt hat. Nur deutliche Mehrheiten können politische Änderungen erzwingen. Noch nehmen Regierung und Militärs die Stimmungen in der Bevölkerung nicht ernst. Es ist zu wünschen, dass noch mehr junge Menschen den Kriegsdienst verweigern und dass die Rekrutierung für die Kriegseinsätze schwieriger wird. Hoffentlich verweigern noch mehr Soldaten und Soldatinnen die völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze in Afghanistan, besonders jetzt nach den vielen zivilen Opfern.

Was können wir denn schon tun, denkt manch einer?

Jeder kann etwas tun: Wir können uns organisieren in der Friedensbewegung, dem Friedensforum, der Freiburger Friedenswoche e. V. im Rüstungsinformationsbüro in der Deutschen Friedensgesellschaft Verband der KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und anderen z. B. Menschenrechtsorganisationen. Wir müssen uns verbinden und solidarisieren mit den Friedenskräften in anderen europäischen Ländern.

Wir können gewaltfreien Widerstand leisten und zivilen Ungehorsam organisieren. Die Demonstrationen gegen den G 8 Gipfel in Heiligendamm waren dafür ein hoffnungsvolles Zeichen. Nächstes Jahr feiert die Nato, die in aller Welt Kriege zu führen bereit ist, ihr 6o-jähriges Bestehen in Straßburg und Kehl. Da können wir und müssen wir etwas tun.

Am Samstag, den 20. September kann sich jeder an den zentralen Demonstrationen in Stuttgart und Berlin gegen den Afghanistankrieg beteiligen, um Druck auf die Bundesregierung und die Abgeordneten auszuüben. Frieden in Afghanistan beginnt mit dem Ende der Besatzung.

Schluss mit dem Rüstungswahnsinn. Schluss mit dem schmutzigen Krieg im Irak und Afghanistan. Verhindern wir einen Krieg gegen den Iran.

Sofortiger Abzug der Atomwaffen aus Deutschland. Deutschland raus aus der Nato und Bundeswehr raus aus Afghanistan. Eine Welt ohne Waffen und Krieg ist möglich.

Gedicht:

Ich wüsste einen schönen Wandspruch für unsere Schulen, Verse aus einem Gedicht von Ingeborg Bachmann: Die Uniform des Tages ist die Geduld, die Auszeichnung der armselige Stern der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen für die Flucht vor den Fahnen, für die Tapferkeit vor dem Freund, für den Verrat unwürdiger Geheimnisse und die Nichtachtung des Befehls.

Dass die Menschwerdung dann beginnt, wenn einer sich von der jeweiligen Truppe entfernt, diese Erfahrung gebe ich hiermit unumwunden als Ratschlag an spätere Geschlechter

Heinrich Böll



E-Mail: max (Punkt) heinke (at) gmx (Punkt) de
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