Antikriegstag 2008


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Antikriegstag 2008

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag am Antikriegstag 1. September 2008 auf dem Karlsruher Marktplatz

Liebe Friedensfreundinnen und - freunde,

Dietrich Becker-Hinrichs (in Karlsruhe)

heute am Antikriegstag erheben wir unsere Stimme gegen den Krieg.

Ich bin gebeten worden, über Alternativen zu Krieg und Gewalt zu sprechen.

Ich tue das gerne als evangelischer Pfarrer und als jemand der sich im Rahmen der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion seit 25 Jahren für Frieden und Gewaltfreiheit einsetzt.

Mein Vorredner hat bereits Bezug genommen auf die aktuelle politische Lage, die deutlich macht: Das Militär versagt wieder einmal bei der politischen Aufgabe, Frieden zu stiften. Wir erleben das in Afghanistan in bedrängender Weise, und der Konflikt im Kaukasus macht ebenso deutlich, dass das Militär nicht dafür taugt, Frieden zu schaffen. Auch wenn es stimmt, dass Georgien angefangen hat, hat doch der aus der Sicht Rußlands legitime Einsatz von Soldaten die Lage nur verschlimmert und die Zivilbevölkerung ganz hart getroffen. Der Konflikt in Georgien zeigt wieder einmal: Es gibt keinen gerechten Krieg!

Wir müssen endlich begreifen, dass es keine guten und keine bösen Waffen gibt und dass der Einsatz von Militär grundsätzlich kein geeignetes Mittel ist, um in Konflikten zwischen Staaten Frieden zu stiften. Und darum sagen wir heute am Antikriegstag:

Wir müssen Frieden schaffen ohne Waffen!

Diese Losung wurde übrigens vor dreißig Jahren hier in Karlsruhe von der Deutschen Friedensgesellschaft zum ersten Male ausgerufen. "Frieden schaffen ohne Waffen" - Unter diesem Motto entwickelte die Friedensbewegung und die Friedensforschung ihre politischen Konzepte für den Frieden.

Frieden schaffen ohne Waffen - wie soll das gehen?

Dazu gehört zu allererst ein grundlegend anderer Umgang mit Konflikten.

Wie man Konflikte bearbeiten und ohne Gewalt lösen kann, das lernen ja unsere Kinder heute schon in der Schule, glücklicherweise. Da kann man sich z.B. zum Streitschlichter ausbilden lassen. Bei so einer Schulung lernt man als erstes, im Konflikt beide Seiten zu Wort kommen zu lassen und sich als Konfliktgegner auch in die andere Seite hineinzuversetzen. Der Friede beginnt doch damit, dass ich im Konfliktfall versuche, auch die Interessen des Gegners zu verstehen, dass ich seine Geschichte kenne, seine Verletzungen und seine Ängste. Und dass ich die eigenen Anteile an einem Konflikt wahrnehme und bereit bin zu Selbstkritik.

Genau das fehlt heute im politischen Raum. Wenn man dem georgischen und dem russischen Präsidenten in getrennten Interviews zuhört, dann hat man das Gefühl, sie erzählten von zwei völlig verschiedenen Geschichten. Es gibt auch nicht ansatzweise die Bereitschaft zu erkennen, wo man selbst einen Anteil an diesem Krieg hat.

Aber wenn eben zwei überhaupt nicht miteinander können wie Russland und Georgien, dann braucht man unabhängige Dritte als Vermittler, die in diesen Konflikt nicht involviert sind. Darum ist die UNO so wichtig als eine Organisation, die in internationalen Konflikten schlichtend eingreifen kann oder die OSZE als eine wichtige Unterorganisation der UNO. Und die UNO kennt ein ganzes Arsenal von zivilen Mitteln, wie man bei Konflikten zwischen Staaten vermittelnd eingreifen kann und wie man in Spannungssituationen deeskalierend wirkt.

Leider sind in den letzten Jahren die UNO und die OSZE geschwächt worden - auch und gerade durch die Politik des Westens und leider auch durch die Politik der rot-grünen Bundesregierung, die vor neun Jahren den Kosovokrieg völkerrechtswidrig mit unterstützt haben. Seitdem führt der Westen die Kriege in Afghanistan und im Irak, und bricht dabei fortlaufend das Völkerrecht. Darum fällt es mir schwer, die Empörung der europäischen Regierungen über das Vorgehen Rußlands wirklich zu teilen.

Was siehst du den Splitter im Auge deines Gegners und den Balken im eigenen Auge erkennst du nicht, so bringt Jesus ein Verhalten auf den Punkt, dass die Fehler immer nur bei den anderen sieht. Was Russland mit der Anerkennung Südossetiens und Abchasien getan hat, ist völkerrechtswidrig und politisch töricht. Aber der Westen hat aufgrund seiner jüngsten Geschichte überhaupt kein Recht, sich darüber zu empören.

Um Frieden politisch zu entwickeln brauchen wir endlich eine Rückkehr zu einer mulitilateralen Politik, einer Politik, die die Institutionen der UNO ernst nimmt und im Konfliktfall auf der Einbeziehung aller Seiten beruht. Wir brauchen den Mut und den politischen Willen, endlich die Instrumente der zivilen Konfliktbearbeitung, die das Völkerrecht vorsieht, auszubauen und Ressourcen bereitstellen für einen zivilen Friedensdienst, für internationale Beobachter und sog. Monitoringeinsätze.

Innerhalb der Bundesregierung wurde vor ein paar Tagen darüber diskutiert, ob man nun fünf oder zehn zivile Beobachter nach Georgien schickt. Gleichzeitig wird über die Verstärkung des Bundeswehrmandates für Afghanistan in der Höhe von 1000 zusätzlichen Soldaten nachgedacht. Das zeigt doch das eklatante Missverhältnis des Einsatzes von zivilen und militärischen Mitteln heutzutage!

Und wenn die Friedensbewegung einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordert, dann heißt das ja nicht, dass man das Land den Taliban überlässt. Nein aus der Friedensforschung kommt eine ganz Reihe von vernünftigen Vorschlägen, die auch mit Politikern in Afghanistan abgestimmt sind, die im übrigen immer wieder betonen, dass der jetzige Militäreinsatz im Süden absolut nicht in ihrem Sinne sei.

Für einen Frieden in Afghanistan müssen als erstes die Waffen schweigen. Dazu es muss Verhandlungen mit allen Beteiligten vor Ort geben, auch mit den Taliban. Und dann müssen vor allem die unmittelbaren Nachbarstaaten: Pakistan, der Iran, Usbekistan und alle andren in eine Friedenslösung einbezogen werden, Um Frieden zu schaffen, muss das Recht gestärkt werden. Eine Unterstützung und Schulung der einheimischen Polizeikräfte in Afghanistan ist wichtig, um rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen und zu sichern. Das hätte man im übrigen längst tun können, statt Milliarden in einen Krieg zu stecken, der immer nur wieder neue Terroristen gebiert. Und natürlich ist es von zentraler Bedeutung, den zivilen Aufbau in Afghanistan zu fördern mit dem Bau von Schulen, mit einem Ausbau der Wasserversorgung und der gesamten Infrastruktur. Das geschieht mit viel zu wenig Geld. Aber auch dazu ist das Militär nicht geeignet. Mitglieder von Entwicklungshilfe-organisationen sagen uns heute: Die Anwesenheit von Militär behindert unsere Arbeit eher, als dass es sie fördert. Wir fühlen uns nicht sicherer, wenn Soldaten in der Nähe sind, im Gegenteil.

Vertreterinnen der Frauenbewegung in Afghanistan, wie die Frauenrechtlerin Zoya, "deren Freiheit ja angeblich von unseren Soldaten verteidigt wird, sagen: die ausländischen Truppen haben in den gesamten sieben Jahren nichts Gutes erreicht, sie haben die Situation nur verschlimmert. Wir sagen ihnen einfach okay, danke, verlasst Afghanistan. Kein Land kann dem anderen Land Freiheit spenden, erst recht nicht mit B52 Helikoptern und Flugzeugen und Bomben. Befreiung ist etwas, was wir selbst erreichen müssen." Soweit Zoya aus Afghanistan.

Wir müssen es endlich lernen Frieden zu schaffen ohne Waffen!

Die Hoffnung auf einen Frieden ohne Waffen ist uns in der jüdisch-christlichen Tradition ja seit Jahrhunderten anvertraut.

In einer großartigen Vision sagt Micha der Prophet: eines Tages werden die Völker klug werden und sie werden sich unter ein gemeinsames Recht stellen und sie werden den Krieg nicht mehr lernen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Spieße zu Winzermessern.

Lasst uns diese Vision umsetzen in verantwortliches politisches Handeln.

Lasst uns Frieden schaffen ohne Waffen.



Pfarrer Dietrich Becker-Hinrichs ist aktiv bei der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden.

Website: www.wfga.de
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