Antikriegs-
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29.08.2011


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Antikriegstag 2011

 Reden/Kundgebungsbeiträge

Redebeitrag für die Antikriegstagsveranstaltung in Fellbach am 1.9.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Nikolaus Landgraf (in Fellbach)



- Sperrfrist: 1. September 2011, Redebeginn 18 Uhr -

- Es gilt das gesprochene Wort! -



am Antikriegstag gedenken Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter seit 1957 alljährlich des Beginns des 2. Weltkriegs mit dem Überfall Hitler- Deutschlands auf Polen.

Wir gedenken auch der Millionen Opfer, die dieser Wahnsinn gekostet hat.

Wir gedenken des Völkermords an den Juden, der Vernichtung von Sinti und Roma in den Konzentrationslagern, der Verfolgung von Homosexuellen, Menschen mit Behinderung, Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Deserteuren sowie politisch Andersdenkenden.

Auch viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mussten ins Exil gehen oder endeten in den KZs.

Wir wollen diese Tradition des Gedenkens weiter pflegen, denn Gewerkschaften wissen: ohne Frieden gibt es auch keinen sozialen Fortschritt.

Gedenken darf aber nicht folgenlos bleiben. Albert Einstein hat einmal geschrieben:

"Bloßes Lob des Friedens ist einfach, aber wirkungslos. Was wir brauchen, ist aktive Teilnahme am Kampf gegen den Krieg und alles was zum Krieg führt."

Es sind zwei Ereignisse, die sich in diesem Jahr zum zehnten Mal jähren - die Terroranschläge vom 11. September 2001 und der Beginn des Afghanistan-Kriegs.

Von den USA und ihren Verbündeten wurde als Reaktion auf die Anschläge der sogenannte "Krieg gegen den Terror" ausgerufen. In Afghanistan sollten Al Kaida und die Taliban bekämpft werden. Politiker erzählten uns, dort am Hindukusch werde auch unsere Freiheit verteidigt. Was ist davon übrig geblieben?

Osama Bin Laden und viele Taliban sind tot. Viele Zivilisten auch. Die Zahl der zivilen Opfer nimmt zu.

Die Bundeswehr ist nun seit 10 Jahren Kriegspartei in Afghanistan. Es hat lange gedauert, bis die Bezeichnung "Krieg" für diesen Einsatz offiziell überhaupt benutzt wurde. Erst als es auch immer mehr deutsche Opfer gab, musste die politische Sprache der Realität angepasst werden.

Dem Frieden hat uns dieser Krieg nicht nähergebracht. Kampfhandlungen und viele zivile Opfer, Selbstmordattentate und zunehmender Einfluss der Taliban sind Alltag im Land.

Die Allianz gegen den Terror hat dort weder ihre militärischen noch ihre politischen Ziele erreicht. Die Welt ist durch den Krieg nicht sicherer geworden.

Wir fordern deshalb die schwarz-gelbe Bundesregierung auf, den Bundeswehreinsatz so schnell wie möglich zu beenden. Der Afghanistan-Krieg muss gestoppt werden.

Nach dem Ende der Ost-West- Konfrontation und des Kalten Krieges kam der Bundeswehr ihr Auftrag abhanden.

Statt daraus eine Friedensdividende abzuleiten, wurde die Bundeswehr in den letzten Jahren konsequent zu einer Interventionsarmee ausgebaut.

Auslandseinsätze in vielen Ländern folgten. Jetzt wird daraus eine Berufsarmee mit anderen Zielen.

Wir lehnen den Umbau der Bundeswehr zu einer international operierenden Interventionsarmee ab.

Richtig ist: es gibt viele Krisenherde auf der Welt. Richtig ist aber auch: Dafür brauchen wir vor allem zivile politische Konfliktlösungen und humanitäre Hilfen.

Das ist nicht Aufgabe der Bundeswehr, sondern ziviler Hilfsorganisationen. Die Politik setzt falsche Prioritäten. Jedes Jahr sterben auf der Erde mehr Menschen durch wirtschaftliche Not und Krankheiten.

Ziel aller Politik muss vor allem sein, den Menschen ein Leben ohne Not zu sichern, ihnen Sicherheit vor Armut, Krankheit, Ausgrenzung, Verletzung von Menschenrechten zu geben.

Dies erfordert eine grundlegend veränderte "Sicherheitspolitik", in der die Verwirklichung der im Jahr 2000 von der UNO beschlossenen Milleniums- Entwicklungsziele im Mittelpunkt steht.

Dafür muss der Rüstungsetat radikal verkleinert und die zivile Hilfe massiv aufgestockt werden. Davon sind wir weit entfernt.

Dabei würde ein Bruchteil dessen, was für Rüstung ausgegeben wird, reichen, um die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen.

Was die Welt und die betroffenen Menschen brauchen, sind Abrüstung, soziale Gerechtigkeit, zivile Hilfe, Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse, Demokratie und Menschenrechte für alle - aber keine Waffen, keine Soldaten und kein Krieg.

Es ist ein Skandal, dass Deutschland inzwischen der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist.

Ich zitiere nur zwei Meldungen der letzten Wochen, die mich wütend machen:

Das Handelsblatt schreibt am 1. August unter der Überschrift "Deutsche Rüstungsindustrie braucht Größe": "Der Heimatmarkt schrumpft, neue Märkte müssen her".

Am selben Tag schreibt die Südwestpresse von einer "Branche mit Ladehemmung".

Und weiter: "In Baden-Württemberg werden Waffen, Panzermotoren oder Flugzeugteile produziert. Weil der Markt in Deutschland schrumpft, hofft die Branche, dass die Bundesregierung Exporte großzügig genehmigt."

Wozu das führt, können wir gerade an der skandalösen Genehmigung des Exports von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien und am Bau einer ganzen Rüstungsfabrik für höchst effektive Schnellfeuergewehre von Heckler und Koch aus Oberndorf in Saudi-Arabien bestaunen.

Es darf doch nicht wahr sein, dass wir Krisenstaaten in die Lage versetzen, hochgefährliche Waffen selber herzustellen und sie dann auch zu verkaufen.

Die politischen Richtlinien für den Rüstungsexport besagen eindeutig:

"Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle für eine Exportentscheidung spielen."

Wenn das im Fall Saudi-Arabien wahr wäre, welche Gründe gäbe es dann, einem despotisch regierten Land bei der Aufrüstung zu helfen? Vielleicht Öl?

Ich sage: Es darf keine Gründe geben!

Wir müssen befürchten, dass diese Panzer und vor allem die Gewehre gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden oder die kritische Lage im Nahen Osten und Arabien noch verschärfen.

Wir kennen diesen Irrsinn: Erst werden Despoten vom Westen gepäppelt und aufgerüstet - wie z.B. Saddam Hussein.

Wenn sich die eigenen Interessen ändern und die Betreffenden nicht mehr ins Konzept passen, dann wird diese Aufrüstung zum Bumerang - so auch in Libyen.

Ich halte es für völlig inakzeptabel, dass über Fragen des Rüstungsexports nur der Bundessicherheitsrat - bestehend aus der Kanzlerin und acht Ministern - unter Geheimhaltung entscheidet. Das hebelt das Parlament aus und entzieht Waffenexporte der demokratischen Kontrolle. Die Exekutive bestimmt selber - das dürfen wir nicht durchgehen lassen.

Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung alle Fragen bezüglich der Geschäfte mit Saudi-Arabien mit dem Hinweis auf Geheimhaltung abbügelt.

Parlamentarische Kontrolle und Gewaltenteilung sind Kernbestandteile einer demokratischen Gesellschaft. Das Parlament ist kein Hindernis beim Regieren, sondern das Herzstück der Demokratie!

Deshalb muss Schluss sein mit dem Wirken von Lobbyisten im Verborgenen und Schluss mit der Geheimhaltung durch die Bundesregierung.

Und noch etwas stört mich massiv: Seit Frühjahr ist die arabische Welt in Aufruhr. Fast überall in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel begehren die Menschen auf und verlangen Demokratie und Menschenrechte.

Die Bundesregierung täte gut daran, diese Proteste stärker als bisher politisch wie auch finanziell zu unterstützen, anstatt ein menschenrechtsfeindliches despotisches Regime wie Saudi-Arabien zu stützen.

Skandalös ist auch, wie Europa mit dem Flüchtlingselend im Mittelmeer umgeht.

Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung hat dies treffend so kommentiert:

"Europa schützt die Grenzen, aber nicht die Flüchtlinge: 1.820 Menschen sind seit Jahresbeginn bei dem Versuch, ihrer Not zu entfliehen, gestorben. Der Tod auf dem Mittelmeer ist zur unheimlichen Routine geworden. Er dient aber auch der Abschreckung. Die europäische Demokratie wird immer mehr zur großen exklusiven Veranstaltung, die den Reichtum drinnen und die Not draußen behalten möchte."

Die Flüchtlinge aus dem Süden sind Opfer unterlassener Hilfeleistung. Mit Humanität hat dies nichts mehr zu tun.

Deshalb fordern wir eine andere, eine humanitäre Flüchtlings- und Asylpolitik, die den moralischen Ansprüchen Europas gerecht wird.



Liebe Kolleginnen und Kollegen,

den Atomausstieg haben wir jetzt hoffentlich bald in trockenen Tüchern. Ein Zurück darf es nicht geben! Die zivile Nutzung der Atomenergie ist gescheitert - zu gefährlich und zu teuer, wie wir gerade am Beispiel Fukushima besichtigen können.

Jetzt müssen wir endlich dafür sorgen, dass auch die Atomwaffen verschrottet werden. Atomare Kriegführung darf keine Option mehr sein - so wie heute noch im Rahmen der strategischen Planung der NATO.

Wir fordern den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel. Die Bundesrepublik muss sich auch von der "atomaren Teilhabe" im Rahmen der NATO verabschieden und auf die Bündnispartner entsprechend energisch einwirken.

Das Ende der zivilen Nutzung der Atomkraft muss auch das Ende aller Atomwaffen bedeuten. Wir wollen eine Welt ohne Atom. Wir wollen eine atomwaffenfreie Welt!

Und wir wollen eine Welt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens friedlich zusammenleben können. Wer dieses Zusammenleben durch nationalistische und rassistische Töne und Taten stört, dem müssen wir mit der ganzen Härte des Gesetzes begegnen.

Deshalb fordern wir ein Verbot der NPD und aller rechtsextremen Organisationen. Auch das gehört zu den Lehren, die wir am Antikriegstag aus unserer Geschichte ziehen müssen.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Ich danke euch, dass ihr euch dafür heute hier in Fellbach versammelt habt!



Nikolaus Landgraf ist DGB-Landesvorsitzender in Baden Württemberg.

E-Mail: info-bw (at) dgb (Punkt) de

Website: www.bw.dgb.de
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