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Hiroshima- / Nagasakitag 2008

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Rede am Hiroshimatag am 6. August 2008, Friedensplatz Oberhausen

Liebe Freundinnen und Freunde,

Norbert Müller (in Oberhausen)

Auf einem der Schutthaufen der Stadt Hiroshima fand man eine Tafel auf die Überlebende des atomaren Infernos diese Worte geschrieben hatten:

"Hier lag eine Stadt.

Hatte einen Namen.

Schutt und Asche -

blieb an ihrer Statt.



Die noch gestern hier

Gingen oder kamen,

Liegen heute -

Unter ihr.



Keiner rühr` sie an.

Dass ihr nackter Rahmen

zeige, was Ihr -

Selbst euch angetan."



Was war damals, also heute vor 63 Jahren, am 6. August 1945 geschehen?

Um 8.30 Uhr Ortszeit war die Bombe in geringer Höheüber der Stadt explodiert. Der amerikanische Bomberpilot Claude Robert Eatherly hatte sie auf Befehl seines Präsidenten Harry S. Truman abwerfen und auslösen lassen. Drei Tage später wurde die zweite amerikanische Atombombe über der Hafenstadt Nagasaki gezündet.

In Hiroshima starben bis 1950280.000 der 400.000 Einwohner, davon die Hälfte am Tag des Bombenabwurfs. In Nagasaki waren 75.000 Tote zu beklagen. Die Überlebenden sind ihr ganzes Leben gezeichnet von den gesundheitlichen und psychischen Folgen.

Die Asche von hunderttausenden von Verbrannten in eben noch pulsierenden Städten unter Schutt und Asche, menschliches Elend, elendes Sterben, Dahinsiechen für viele der Überlebenden haben diese beiden Bomben ausgelöst.

Angeblich um die "Freiheit von der Furcht" zu erkämpfen brachten die Vereinigten Staaten die Atomfurcht über die Welt. Am 6. August 1945 hat das Zeitalter der Massenvernichtungsmittel begonnen.

Kommen wir zu den Tätern, zu der ungeheuren Dimension von Schuld. Die amerikanischen Militärs hatten die beiden Bomben `Fat man` und `Little boy` getauft: Ein verniedlichender, fast liebevoller Sprachgebrauch, angesichts des Geschehenen an Zynismus kaum zu überbieten. Die Piloten und Besatzungen wurden in den USA öffentlich hoch geehrt für dieses Massaker, das sie auf Befehl ihres Präsidenten angerichtet hatten.

Doch einer, der Pilot Claude Robert Eatherly entzog sich den Ehrungen, zeigte Reue, wurde ob dessen, was geschehen war seines Lebens nicht mehr froh.

Da konnte man ihm noch so oft sagen, dass er auf höchsten Befehl gehandelt hatte, nur ein kleines Rädchen war im Getriebe.

Der Naturwissenschaftler Robert Jungk hat das einmal so gedeutet: Bomben treffen auch den, der sie anwendet, wenn auch anders als die verbrannten Opfer. Für Major Eatherly gilt dies in einem besonderen Maße. Er emigrierte, kehrte zurück, versuchte sich mehrfach das Leben zu nehmen, nahm Kontakt auf zu Überlebenden, gründete eine Stiftung für Waisenhauskinder in Hiroshima. Er fälschte Schecks, beging einen Raubüberfall, um Geldbeträge in Briefumschlägen zur Linderung von Not nach Japan schicken zu können. Als Wahnsinniger abgestempelt, der er nicht war, verbrachte er die letzten Jahre seines kurzen Lebens zwischen Gerichtssaal, Gefängnis und Klinik. In den langen Nächten quälten ihn die verzerrten Gesichter der im Höllenfeuer von Hiroshima verbrannten Menschen. Ein moralisch Gesunder, den seine Schuld bis ans Ende seiner Tage verfolgte. Denjenigen, die den Befehl für diese apokalyptische Tat gaben - den wahren Tätern also - war das keine Frage der Moral. Sie feierten einen Sieg in einem Krieg, dem menschliches Sittengesetz fremd ist.

Heute, 63 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki, müssen wir feststellen, dass die Menschheit alles andere als geschützt ist vor atomaren Katastrophen. Da mit dem Untergang der Sowjetunion und des Warschauer Pakts das Feindbild abhanden gekommen ist, sollen Atomprogramme vor sogenannten Schurkenstaaten wie Nordkorea, Irak, Iran, Syrien oder Libyen schützen.

Internationale Verträge, mit denen bereits 1970 Nichtverbreitung von Atomwaffen und vollständige atomare Abrüstung vereinbart wurden, werden nicht eingehalten.

Das Szenario ist schon beängstigend:

Die Zahl der atomaren Sprengköpfe ist stetig gewachsen.

Die Vernichtungskraft jedes einzelnen Sprengkopfes beträgt ein Vielfaches der Hiroshimabombe. Atomwaffen sind weltweit verbreitet.

Zu den Atommächten zählen neben Russland, USA, Frankreich, Großbritannien und China schon seit geraumer Zeit auch Israel, Indien und Pakistan.

Seit etwa zehn Jahren optimieren die Nuklearwaffenstaaten ihre Arsenale statt abzurüsten. Die Militarisierung des Weltraums schreitet voran. Die geplante Raketenabwehr in Polen und Tschechien belastet die Beziehungen zwischen den USA und Russland sowie innerhalb der EU. Das Volumen des Rüstungshandels hat das Niveau des Kalten Krieges erreicht

Noch schlimmer ist, dass es Planungen gibt, diese Atomwaffen auch einzusetzen: Die in einem Grundlagenpapier im NATO-Kontext geäußerte Forderung fünf hoher NATO-Strategen um den deutschen General Klaus Naumann, nach einem Ersteinsatz von Atomwaffen auch gegen Länder, die selbst nicht über diese Waffen verfügen, zeigt, dass Atomwaffen zu einem integralen Bestandteil der Militärplanung auch insbesondere westlicher Staaten geworden sind.

Auch die derzeitige Renaissance der "zivilen" Atomenergie ist erschreckend. Zeigen doch die Unfälle der letzten Zeit nicht nur in französischen Aromkraftwerken, dass ein zweites Tschernobyl nicht ausgeschlossen werden kann.

Um es deutlich zu sagen:

Jede "zivile" Nutzung der Atomkraft verseucht die Welt nicht nur mit Unmengen strahlendem Atommüll, sondern sie birgt auch immer die Gefahr der militärischen Nutzung in sich.

Es ist höchste Zeit, dass sämtliche Atomwaffen endlich verschrottet werden. Dies schließt ausdrücklich Atomwaffen der EU-Mitgliedsstaaten Frankreich und Großbritannien ein.

Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Es gibt eben keine guten Atomwaffen. Und: Es gibt auch keine guten Atomkraftwerke.

Heute am 63. Jahrestag von Hiroshima fordern Bürgerinnen und Bürger auf unzähligen Veranstaltungen in der ganzen Welt ihre nationalen Regierungen zur Umkehr auf.

Und wir hier in Oberhausen sollten mit dazu beitragen, dass auf den Großdemonstrationen der Friedensbewegung am 30. August am Fliegerhorst Büchel in der Eifel und am 20. September in Berlin und Stuttgart der Druck auf die Bundesregierung verschärft wird, sich umfassend für friedliche Konfliktlösungen auf der Welt einzusetzen.

Zum Abschluss möchte ich die Schlussworte aus einer Rede des Wiener Philosophen Günther Anders zitieren. Günther Anders war einer der geistigen Köpfe der Friedensbewegung der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik. Ganz unter dem Eindruck seiner Reise nach Hiroshima und Nagasaki hat er die nun folgenden Sätze am 20. August 1958 auf dem "IV. Internationalen Kongress gegen Atom- und Wasserstoffbomben und für Abrüstung" in Tokio gewählt. Nach 50 Jahren haben seine Worte an Aktualität nicht verloren:

"Auf einer der Hiroshimabrücken steht einer, der singt und in die Saiten greift. Blickt ihn an. Wo Ihr sein Gesicht erwartet, da werdet Ihr kein Gesicht finden, sondern einen Vorhang: Weil er kein Gesicht mehr hat. Und wo Ihr seine Hand erwartet, da werdet Ihr keine Hand finden, sondern eine stählerne Klaue: Weil er keine Hand mehr hat.

Solange es uns nicht gelingt, das zu erreichen, was zu erreichen wir hier zusammen gekommen sind: Die Gefahr zu bannen, die, als sie zum ersten Male losbrach, zweihundertausend mit sich nahm, so lange wird dieser Roboter auf der Brücke stehen und singen. Und solange er auf dieser Brücke stehen wird, so lange wird er auf allen Brücken der Welt stehen, die in unsere gemeinsame Zukunft führen sollen. Als Schandfleck. Und als Bote.

Erlösen wir den Mann von seinem Amt. Tun wir das Nötige, um ihm sagen zu können: `Du bist überflüssig geworden. Du darfst abtreten.!"



Norbert Müller ist stellvertr. Landesvorsitzender der GEW NRW.

E-Mail: norbert (Punkt) mueller (at) gew-nrw (Punkt) de
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