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vom:
21.04.2003


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Ostermärsche und -aktionen 2003:

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Rede beim Ostermarsch in Hamburg, 21.04.03

Horst Bethge

Liebe HamburgerInnen, liebe FriedensfreundInnen, liebe KollegInnen,

Einige kurze Anmerkungen, warum wir hier heute demonstrieren.

Zuerst ein Wort an die Hamburger, die hier zuhören. Also: Liebe HamburgerInnen!

Viele sagen: Was bringt es jetzt noch, auf die Straße zu gehen? Die Bush-Crowd (so nennt die amerikanische Friedensbewegung die Bush-Regierungsmannschaft, die ja nicht die ganze USA sind), die macht ja doch, was sie will. Und sie hat die meisten und die modernsten Waffen. Und der Irak Krieg geht nun zu Ende. Was können wir schon machen?

Dazu sage ich: Wir müssen unser "Kein Krieg!" vieltausendfach wiederholen, weil die Busch-Crowd schon wieder mit dem nächsten Krieg droht. Diesmal gegen Syrien. Schon wieder wird behauptet: Dies Land sei gefährlich, weil es angeblich Massenvernichtungswaffen hätte. Weil Syrien-Terroristen verstecke. Darum warnen wir die Busch-Crowd weiterzumachen wie im Irak und in Afghanistan. Wir kennen den schon vor Jahren von der Bush -Crowd entwickelten Plan, einen langdauernden, nicht endenden Krieg "der Guten gegen die Achse des Bösen" zu führen. Und wir wissen, dass es ihnen in Wirklichkeit darum geht, die Vorherrschaft des amerikanischen Empires zu etablieren. Zu sichern, dass der amerikanische "Way of Life" über die ganze Welt kommt und die riesigen Rohstoffe, vor allem das Öl, zu seiner ressourcenfressenden Verfügung hat. Und genau das wollen wir nicht. Alle Menschen, alle Völker haben ein Recht auf gute Entwicklung und ihren eigenen Weg des Lebens.

Zweitens müssen wir zeigen, dass wir ihre Lügen durchschauen und ihre angeblichen Kriegsgründe nicht mehr akzeptieren: Der Irak hat keine A-,B-, und C-Waffen mehr gehabt und nicht mehr eingesetzt. Und die Verbindung zu Osama Bin Laden sind nicht bewiesen. Trotz intensiver Suche haben die USA und England nichts gefunden.

Drittens: Wir müssen weiter auf der Straße Druck machen, denn nun schickt sich die Bush Crowd an, den Irak militärisch sehr lange besetzt zu halten. 4 große Militärstützpunkte sollen ihre Vorherrschaft im ganzen Nahen Osten auf Dauer sichern. So die New York Times von Sonnabend.

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Darum fordern wir: Schnellstens Abzug der amerikanischen und englischen Besatzungstruppen. Irak den Irakis! Wir unterstützen diese Forderung der irakischen Demonstranten.

Mein zweites Wort gilt den St. Paulianern hier im Stadtteil, aber auch den GewerkschafterInnen unter Euch DemonstrantInnen. Also: Liebe St. Paulianer, liebe GewerkschaftskollegInnen: Wir protestieren gegen die hohen Rüstungskosten. Der Irak Krieg kostet direkt mindestens 99 Mrd Dollar. Das bezahlt zuerst der amerikanische Steuerzahler, dann wir alle, denn alle Währungen stützen den Dollar. Und das Geld fließt in die Taschen der Rüstungskonzerne und Kriegsgewinnler. Und nun sollen wir alle den Wiederaufbau bezahlen - wo doch überall so viel gekürzt wird. Davon können hier gerade die St. Paulianer ein Lied singen: Ob es das "Cafe mit Herz" ist, die Renten, die Sozialhilfe, das Arbeitslosengeld, die Kita-Zuschüsse, das Geld für die Schulbücher oder die Löhne überall wird gekürzt. Nur für Rüstung und Krieg wird mehr ausgegeben. Das sage ich gerade auch als Gewerkschafter, denn ich spreche hier für die GEW. Bundeskanzler Schröder und Aussenminister Fischer hatten meine vorbehaltslose Unterstützung bei ihrem Nein im Sicherheitsrat. Doch heute muss ich dem Kanzler Schröder energisch widersprechen, wenn er jetzt als Antwort auf den Irak Krieg erklärt, die EU militärisch aufzurüsten zu wollen. Schon kündigt er die Erhöhung des Bundeswehretats an. Die Lehre des Irak-Krieges muss sein: Abrüstung, zivile Konfliktlösung, gemeinsame Sicherheitskonferenz für den ganzen Nahen Osten. Mehr Geld für Entwicklung, sauberes Wasser, Gesundheit und Bildung. Schon jetzt beträgt der Bundeswehretat 24,4 Mrd. Euro, das ist eine Steigerung um 767 Mill.. Euro. Für Auslandseinsätze der Bundeswehr sind für die nächsten drei Jahre weitere 1,153 Mrd. Euro vorgesehen. Auch dagegen protestieren wir, denn das Geld ist für Gesundheitsreform, Arbeitsbeschaffung und Bildung besser angelegt. Und dafür müssen wir und die Gewerkschaften kämpfen, wer sollte es denn sonst tun?

Ein drittes Wort an die täglichen Zeitungsleser. Wir demonstrieren auch gegen Pressemeldungen wie in der Bild-Zeitung, dass "die Frage der Völkerrechtswidrigkeit des Krieges Schnee von gestern sei". So weit kommt es noch, dass wieder das Recht des Stärkeren einfach so gilt und wir das nachträglich legitimieren sollen. Wer, wie das imperiale Amerika behauptet, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und den freien Markt überall in der Welt verbreiten zu wollen, muss sich gefallen lassen, mit demselben Maßstab gemessen zu werden. Im Namen der Freiheit mit nackter Kriegsgewalt die Unterordnung der ganzen Welt zu verlangen - das lassen wir nicht zu. Wer Menschenrechte sagt, kann nicht einfach das Völkerrecht für sich außer Kraft setzen, auch nicht, wenn es um das diktatorisches Regime von Hussein oder gegen Terroristen geht!. Wer freie Märkte will, kann nicht den monopolistischen Zugriff aufs Öl herbeibomben. Wer, wie Bush sagt, er verteidige die Werte der Weltgemeinschaft, der kann nicht durch Kriegszüge überall Widerstand und Hass erzeugen. Darum muss immer wieder festgestellt werden, dass der Irak-Krieg eine völkerrechtswidrige Aggression ist. Und die ist durch nichts gerechtfertigt. Und deshalb gilt: Amerika und England, raus aus dem Irak, so schnell wie möglich.

Viertens: Liebe ältere Menschen unter Euch, liebe Lehrer und Erzieher! Die 20000 SchülerInnen, die demonstriert haben, sind gar nicht hoch genug zu loben. Gestern noch als unpolitisch, nur auf eigenen Vorteil bedacht, abgestempelt, haben sie die Zeichen der Zeit erkannt - und gehandelt. Wer demonstriert hat, müsste eigentlich bessere Noten erhalten und gelobt werden. Denn selten gab es so viele originelle englische Sprüche auf einer Demo. Wie gemacht für amerikanische Fersehzuschauer. Und Sprüche, voll politisch, echt cool. Drei Beispiele hier nur: "Mr. Bush, you rule America, not the world." "Bombing for freedom is like fucking for virginity". "Bildung statt Bomben ". Wir Lehrer und wir Älteren wissen doch aus Erfahrung, dass durch Teilnahme an einer Aktion mehr gelernt wird, als durch 10 Politikstunden mit Arbeitsblättern und Rollenspielen. Und wir wissen auch, dass eigene Erfahrung und eigenes Tun mehr bringt, als alle Belehrung. Wenn ich als Lehrer den Schülern statt der virtuellen lila Milka-Kuh eine reale, stinkende Schwarzbunte zeigen will, gehe ich auf den Bauernhof. Und Kita-Kinder machen einen Waldtag und Achtklässler ein Betriebspraktikum. Realbegegnung nennt man das in pädagogischer Fachsprache. Und diese Realbegegnungen gehören zum Unterricht. Darum sollten wir scharf den Wasserwerfereinsatz und die Knüppelorgie des Senats verurteilen. Darum: Für das Recht auf Schulstreik bei so einem globalen politischen Schlüsselproblem. Ihr Älteren und Ihr Lehrer: Gerade Ihr müsst das überall erklären.

Ein fünftes Wort an die gestandenen Friedensfreunde. Euch spreche ich direkt als letzte an, denn Ihr seid ja lange und viele Reden von Demos gewöhnt.

Bei unserem Ostermarsch protestieren wir nicht nur gegen den Krieg, sondern auch dagegen, dass die Bush-Crowd die Kinder und Zivilbevölkerung zu Geiseln der imperialen Politik macht. 1,8 Mill. Menschen, zumeist Kinder, sind seit 1990 als Folge des Embargos gestorben. 24 Mill. Irakis hungern, sie haben weder Wasser noch Strom. Die Kindersterblichkeit hat seit 1990 um 160 % zugenommen. 80 % der Kinder leiden akut unter Durchfall - und haben keine Medikamente. Ich weigere mich, dies alles als Kollateralschäden, als nebensächlich anzusehen. Ich war während des Nato-Bombardements in Jugoslawien. Dort habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie die Kinder, die Menschen unter Krieg leiden. Wie viele von uns im 2. Weltkrieg. Auch der moderne Krieg ist kein sauberer Krieg- denn den gibt es nicht. Es gilt nach wir vor, was wir 1960 in einem Flugblatt zum 1. Ostermarsch schrieben: "Weder die Rettung des christlichen Abendlandes noch die Verteidigung der freiheitlichen Grundordnung können uns dazu bewegen, dem ....vieltausendfachen Mord an Unschuldigen tatenlos zuzusehen."

Und ein letztes Wort an alle:

Den Irak-Krieg haben wir nicht verhindern können, auch nicht den Afghanistan- und den Jugoslawien-Krieg. England und die USA haben militärisch gesiegt. Aber sie haben gleichzeitig politische, moralische und strategische Niederlagen hinnehmen müssen:

1.Fast die ganze Welt folgt ihnen nicht mit der fundamentalistischen Einteilung "Hier die Guten, da die Bösen". Die Welt ist vielfältiger, bunter. Und sie zeigt es: Auf den Straßen, dem Petersplatz, im Sicherheitsrat, in den Städten und Gemeinden der USA.

2.Die Bush-Crowd wollte ratz-fatz den Krieg auf eigene Faust führen, ohne Uno, ohne zeitraubende Debatten, ohne lange Begründungen. Das selbsternannte Sendungsbewusstsein von Bush sollte reichen. Aber sie mussten sich der UNO stellen und damit der Weltöffentlichkeit, und siehe da: Sie standen fast alleine! Wann hat es das schon einmal gegeben?

3.Die Busch-Crowd wollte uns einen sauberen High-Teach-Krieg imFernsehen vorführen, ohne Leichen, mit jubelnden Irakis. Das ist nicht aufgegangen: Auch Marines starben im Krieg und wurden gefangen, und Kinder verstümmelt, und jetzt protestieren die Irakis: "Ami go home".

4.Die Bush-Crowd hoffte, dass im eigenen Land 90 % den Krieg zustimmen würden. Aber nun haben sie die größte, breiteste Friedensbewegung im eigenen Land, die es je gab.Von den Bischöfen, Gewerkschaften bis zu 165 Kommunen, und weltweite Massendemonstrationen von Buenos Aires über Kapstadt bis Madrid, London und Aurich - und Hamburg.

Mit Arundhati Roys Worten auf dem Weltsozialforum in Porto Allegre sage ich: "Denkt daran: Wir sind viele, und sie sind wenige". Sagt das allen: den Mitschülern, den Nachbarn, den KollegInnen. Wenn wir weiter demonstrieren, können wir vielleicht den nächsten Krieg gegen Syrien verhindern. Denn: Eine friedliche Welt ist möglich.


Horst Bethge ist u.a. aktiv beim GEW Arbeitskreis für Friedenserziehung.

E-Mail:   horst.bethge@t-online.de
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