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Oster-
marsch
2004


vom:
15.04.2004


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Ostermärsche und -aktionen 2004:

  Reden/Kundgebungsbeiträge

Rede Zur Eröffnung des Ostermarsches Ruhr am 10.4.04 in Dusiburg

Privatisierung des Kriegs und ihre Folgen
EU-Militärverfassung


Eberhard Przyrembel (Duisburg)

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Wer mich kennt, weiß daß ich mich für Pax Christi, die katholische Friedensbewegung, engagiere und daß ich gegen die Militarisierung kämpfe, gegen den politischen Nonsens des Militärs.

Soldaten sind auch Menschen. Ich möchte niemand persönlich kränken. Aber hier rede ich vom grundsätzlichen Unsinn der wachsenden Militarisierung: mit militärischen Mitteln läßt sich weder

Afghanistan: Im Dokumentarfilm "Guten Morgen, Kabul!" wird gezeigt, daß die Soldaten aus den verschiedenen NATO-Staaten hinter Stacheldraht und Sandsäcken in einer Welt leben, die mit Afghanistan nichts zu tun hat. 90 % der Soldaten sind mit der Infrastruktur beschäftigt: Großküche, Materialverwaltung und Duschen, Freizeit- und Fitnes-Center, Post, Radiostation etc. Alle Nahrungsmittel und sonstige Dinge des täglichen Bedarfs werden über 5.000 KM von Europa her eingeflogen.

Wenn Soldaten, technisch hochgerüstet, auf Streife gehen, um "Sicherheit zu produzieren", wirken sie unter der Bevölkerung wie Wesen von einem anderen Stern -immerhin freundlich angesehen. Selten beherrscht jemand die Landessprache (im Film tritt ein Kurde aus dem Iran auf, der die dt Staatsangehörigkeit besitzt und zur BW gegangen ist) Meist wird auf Englisch radegebrecht.

Die "Geberkonferenz" für Afghanistan in Berlin offenbart die sinnlose Verschwendung für/durch Militärausgaben. Nach 2 1/2 Jahren muß sich der Staatspräsident Karsai "Bürgermeister von Kabul" nennen lassen. Von den ca. 10,7 Millionen Wahlberechtigten sind erst 1,2 Millionen registriert für die erste demokratische Wahl. Die Drogenproduktion ist in der Zeit um das Zehnfache auf 3.600 Tonnen jährlich angestiegen. Dreiviertel des Opiums in unserer Welt wird in Afghanistan produziert - nachdem die Taliban die Produktion auf 300 Tonnen jährlich gedrückt hatten. Denn mit Mohnanbau liegt der Hektarertag bei 10 000 Dollar. Mit Weizen erwirtschaftet ein Bauer 300 Dollar/ha.

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Kein Fernsehen, keine Zeitung oder Radio berichten, was 17.000 US-Soldaten unter dem Spitznamen/Vorwand "Enduring Freedom" in Afghanistan treiben. Ganz zu schweigen vom deutschen Kommando Spezialkräfte, die gegen das Grundgesetz und ohne parlamentarischen Auftrag oder Kontrolle ebenfalls dort waren. Die USA haben sich die Aufstellung einer afghanischen Militärorganisation vorbehalten: Von 10.000 Ausgebildeten sind inzwischen 3.000 wieder "weg" - wahrscheinlich bei der Miliz eines der zahlreichen Kriegsherren?

Private Sicherheitsfirmen (Quelle in großen Teilen: Frankfurter Rundschau, 21.1.04)

Ein harmlos klingendes Wort, aber unter dieser Bezeichnung verbirgt sich die unterirdische Militarisierung der Politik. Im Englischen heißt das "PRIVATE MILITARY COMPANY", ungefähr mit "privater Anbieter für militärische Aufgaben" wiederzugeben.

Die älteste Firma, DYNCORP mit Namen (1946 gegründet von ehemaligen Piloten unter dem Namen CALIFORNIA EASTERN AIRWAYS), brachte im Koreakrieg (1951 - 53) Hilfsgüter nach Asien. Im Irak bildet DYNCORP heute für 50 Millionen Dollar die neuen Polizisten aus. Das Pentagon setzt in den heutigen Kriegen immer mehr auf diese privaten Sicherheitsfirmen, die mittlerweile einen Jahresumsatz von ca. 100 Milliarden Dollar erwirtschaften. Auf 10 US-Soldaten kommt ein Angestellter von Sicherheitsfirmen, in der Regel ehemalige Soldaten, Polizisten oder Geheimdienstler.

Ihr Aufgabenbereich erstreckt sich von der Essenszubereitung, der Wartung von Fuhrpark und Fluggerät bis zu Objekt- und Personenschutz: zB Schutz des afghanischen Präsidenten Karsai - Fliegen bewaffneter Aufklärungsflugzeuge in Kolumbien, um die Drogenmafia zu bekämpfen - Abwehr von Terroranschlägen durch die Sicherung internationaler Häfen - Verantwortung für die kompliziertesten Waffensysteme auf den Flugzeugträgern im Irakkrieg voriges Jahr etc.

Warum dieses "Outsourcen" militärischer Aufgaben an private Sicherheitsfirmen?

Die Angestellten dieser Sicherheitsfirmen gelten nicht als Angehörige des US-Militärs. In Konfliktfällen ist nicht die Militärgerichtsbarkeit zuständig. Beispiele:

Die Firma KELLOG, BROWN & ROOT " eine Tochterfirma von Halliburton (!), verkaufte den Streitkräften im Irak Treibstoff zu überhöhten Preisen: Skandal - aber kein Gerichtsverfahren

Amerikanische DYNCORP-Angehörige kauften in Bosnien (in den 90er Jahren) Frauen aus einheimischen Bordellen zu persönlichen "Dienstleistung". Das Militär war nicht zuständig, und die Mitarbeiter, die den Skandal an die Öffentlichkeit gebracht hatten, wurden entlassen. -

In Peru identifizierte so eine Firma (AVIATION DEVELOPMENT CORP., im Auftrag der CIA in Peru tätig) ein Flugzeug als Drogentransporter. Die Peruanische Luftwaffe schoß das Flugzeug ab. - Es kam eine amerikanische Missionarin mit ihrer siebenmonatigen Tochter ums Leben.

Eine demokratische Kongressabgeordnete (Jan Schakowsky, Illinois), die kritisch verfolgt, was private Sicherheitsfirmen tun, wollte den Fall untersuchen lassen, stieß aber auf eine Mauer des Schweigens,

Die vier toten Amerikaner in Falludscha vor 14 Tagen, die dann so schändlich zerfleddert wurden, waren ebenfalls Angestellte einer privaten Sicherheitsfirma. Das Militär machte keine Anstalten, die Leichen zu bergen, nachdem die Terroristen verschwunden waren.

Der "unterirdische" Nutzen dieser Privatfirmen? Öffentliche Untersuchungen der Aufträge und ihrer Durchführung finden nicht statt. Das Militär ist in den USA dem Parlament gegenüber zu Auskünften verpflichtet, aber nicht diese privaten Sicherheitsfirmen.

Fazit: Auch der "Krieg" wird immer mehr privatisiert und damit unkontrollierbar, weil die Gesetze unterlaufen, umgangen werden.

EU-Militärverfassung

In der Überschrift des Aufrufs zum Ostermarsch steht "Nein zur EU-Militärverfassung!"

Das ist so formuliert, um zu provozieren. Wer den Vertragsentwurf "über eine Verfassung für Europa" liest, findet auf den 352 Seiten (dt Fassung) ganz andere Überschriften/Titel: "Definition und Ziele der Union" - (unter Nr. 4 z.B. "strikte Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts") oder: Die Zuständigkeiten der Union (Art.10,1 ...Verfassung und Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten - Art. 11,4: Die Union ist dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu erarbeiten und zu verwirklichen ) etc.

Aber unter Hand werden wesentliche Teile unseres Grundgesetzes ausgehebelt ohne öffentliche Diskussion oder Volksentscheid.

Auch wenn es etwas mühsam wird, will ich die entscheidenden Passagen gekürzt zitieren und kurz kommentieren.

(Titel V Ausübung der Zuständigkeiten der Union

Kap.1 Gemeinsame Bestimmungen, Art. 32 - 38

Kap. 2 Besondere Bestimmungen, Art. 39 - 42

Kap. 3 Die verstärkte Zusammenarbeit )

In Artikel 39, 6 heißt es: "Das Europäische Parlament wird in den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik regelmäßig gehört und über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten." ...

Art 40,3, Absatz 2 "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird ein Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer Europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen, sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen." ...

"Verpflichtung zur "Verbesserung" (= Steigerung) der militärischen Fähigkeiten! = kontinuierliche Aufrüstung zwangsläufig!

Von Abrüstung keine Rede! Von Diplomatie und anderen politischen Möglichkeiten ist anderswo die Rede. Aber hier wird festgeschrieben, daß es in Zukunft nicht ohne ein umfassendes Europäisches Verteidigungsministerium gehen soll.

Dieser Passus in der EU-Verfassung bedeutet einseitige und wachsende Militarisierung der EU. Damit wird die Vision eines sozialen Europa zerstört, nämlich von Europa als einer Zivilmacht, die durch wirtschaftliche, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen in aller Welt Freunde schafft.

Sollen schnelle Eingreiftruppen weltweit ohne Alternative unsere Zukunft bestimmen?

Die Friedensbewegung hat seit Herbst 2003 ihre Bedenken in die Öffentlichkeit getragen. Aber was wurde "zum Schein"(?) öffentlich diskutiert? ...ob das Wort Gott noch in die Präambel hineinkommen soll, ...nach welchem Schema Abstimmungsmehrheiten zustande kommen ...

Die öffentliche Meinung scheint taub - blind - leseunfähig zu sein. Niemand in Zeitungen oder Fernsehen erhebt die Stimme gegen diese schleichende Militarisierung. Diese "Rüstungsverpflichtung" ist in der europäischen Verfassungsgeschichte einmalig!

Deshalb Nein zur EU-Militärverfassung !


Eberhard Przyrembel ist u.a. in der Pax Christi Gruppe Duisburg aktiv.

E-Mail:   info@friedensforum-duisburg.de
Internet: http://www.friedensforum-duisburg.de
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