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vom:
14.04.2004


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Rede beim Ostermatsch in Oldenburg am 10. April 2004

Liebe Friedensfreundinnen- und freunde,
sehr geehrte Damen und Herren!


Jonas C. Höpken (Oldenburg)

Als Friedensbewegung sind wir für ein vereinigtes Europa. Wir sind aber gegen eine europäische Festung. Wir wollen ein Europa, das Grenzen überwindet und den Frieden auf diesem Kontinent schafft und sichert. Für ein Europa, das seinen Beitrag leistet zur Rettung unserer natürlichen Lebensgrundlagen vor Zerstörung. Für ein Europa, das soziale Gerechtigkeit für alle Menschen anstrebt. Für ein demokratisches und transparentes Europa. Deshalb braucht Europa auch eine Verfassung.

Aber gerade weil wir diese Ziele für Europa haben - Frieden, Demokratie, ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit - lehnen wir das ab, was zur Zeit unter dem Titel "EU-Verfassungsentwurf" diskutiert wird. Denn dieser Entwurf wird den genannten Zielen nicht gerecht. Nein: Wenn diese Verfassung Wirklichkeit wird, wird teilweise sogar genau das Gegenteil dessen, was wir wollen, zementiert: Rüstung und dauerhafte soziale Verwerfungen. Warum?

Um es vorweg zu sagen: Wesentlich demokratischer macht diese Verfassung Europa nicht. Zwar sollen die Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments ausgeweitet werden, aber das Initiativrecht für Gesetzesvorschläge soll bei der Komission bleiben.

Schlimmer ist aber: Dieses Verfassung, wenn sie so beschlossen würde, würde zu einer Militarisierung Europas führen. Zwar wird das Ziel der Friedenssicherung sowie - übrigens erstmals in einem Verfassungstext - die Existenz und die Bedeutung von ziviler Konfliktschlichtung anerkannt. Die konkreten Politikvorgaben sprechen aber eine andere Sprache: So werden die Mitgliedsstaaten auf die, ich zitiere, "schrittweise Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten" verplichtet. Mit anderen Worten: Die Verfassung, wenn sie so kommen sollte, verpfichtet die Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung! Und zwar zur Aufrüstung als dauerhafte Verpflichtung. Überdies soll ein "Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" eingerichtet werden.Von ziviler Konfliktlösung kann da eigentlich keine Rede sein.

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Gravierend sind die Verfassungsartikel, die Europa, man kann es nicht anders sagen, auf ein antisoziales, neoliberales Wirtschaftsmodell festlegen. Neoliberal in dem Sinne, dass die Kategorien der Betriebswirtschaft gnadenlos auf alle anderen Politik- und Lebensbereiche ausgedehnt werden. Damit wird Sozialabbau zur europäischen Pflicht.

Beispiele:

Im Bereich der Handelspolitik wird die demokratische Kontrolle vermindert. Nach den neuen Regelungen müssen Handelsverträge nicht mehr von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden, statt dessen ist die Zustimmung des EP erforderlich. Dies bedeutet einen klaren Verlust an Demokratie und Transparenz.

Was die Wirtschaftsordnung im engegen Sinne angeht, werden die Fehler der neoliberalen Großprojekte Binnenmarkt und Wirtschafts- und Währungsunion fortgeführt und bekommen Verfassungsrang: Die Preisstabilität behält bei der Geldpolitik Vorrang vor sozialen und ökologischen Zielen. Die öffentlichen Schulden bleiben dogmatisch auf 3 % festgeschrieben. Der Entwurf übernimmt entsprechende Artikel des Vertrags von Nizza.

Das Ziel, die öffentliche Daseinsvorsorge in Europa zu stärken, findet sich dagegen nicht in dem Verfassungsentwurf.

In dem Kapitel zur Sozialpolitik wird in weiten Teilen aus dem Vertrag von Nizza die blockierende Einstimmigkeitsregelung übernommen. Das heißt: Nur wenn ein Sozialgesetz so weich oder so unsozial ist, dass auch der letzte neoliberale Mohikaner zustimmt, kann es verabschiedet werden.

Dies alles ließe sich noch weiter ausführen.

Entscheidend ist: Wenn die Prinzipien neoliberaler Wirtschaftspolitik in der Verfassung festgelegt sind, ist diese Politik, diese falsche Politik, praktisch sakrosant, unabänderlich. Das kann dann so weit gehen, dass eine Politik, die auf Verteilungsgerechtigkeit setzt, für verfassungswidrig erklärt wird. Und auch dies ließe sich dann nur einstimmig ändern. Dies kennen wir vom Grundgesetz nicht. Dieses ist offen für verschiedene wirtschaftspolitische Entwürfe und nicht festgelegt auf eine bestimmte Ideologie.

Alles in allem: Wenn dieser Verfassungsentwurf so verabschiedet wird, steht Europa nicht besser, sondern schlechter da als vorher. Vielleicht ist es daher ganz gut, zumindestens konsequent, dass, anders als im Grundgesetz, im EU-Verfassungsentwurf auf den Gottesbezug verzichtet wird.

Wenn Rüstung, Soziaabbau und neoliberale Wirtschaftspolitik Verfassungsrang bekommen, dann gibt es kaum noch Spielraum für fortschrittliche, demokratische, sozialistische Politik auf diesem Kontinent. Dann rückt unsere Vision eines friedlichen, freiheitlichen, sozialen und demokratischen Europas in weite Ferne. Deshalb sagen wir:

Nein zu dieser EU-Verfassung!

Und Ja zu aktiver Friedenspolitik!

Und Ja zu einem radikalen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik!

Verlasst endlich den neoliberalen Irrweg! Verteilt den Reichtum gerecht! Holt das Geld da, wo es sitzt, und schafft damit ein sozial gerechtes Europa!


Jonas C. Höpken ist aktive bei attac Oldenburg.
Internet: http://www.attac.de/oldenburg
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