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Antikriegstag 2001 - Inhalt

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Rede zum Antikriegstag 2001 in Bremen

Keine Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Mazedonien

Anne Rieger

Es gilt das gesprochene Wort



Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,

Am Mittwoch Abend, als bekannt wurde, dass 20% der Abgeordneten gegen den Mazedonieneinsatz gestimmt haben, aber die Mehrheit der "Großen Koalition" die Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebietes geschickt hat, ergriff mich eine kalte Vorahnung dass die Zeit des Friedens von deutschen Boden aus, vorbei sei.

Die "Zwischenraumzeit" wie ich sie seit dem Jugoslawienkrieg nenne, die Zeit zwischen zwei Kriegseinsätzen der Bundeswehr - diese Zeit wird mir vielleicht bald nicht mehr beschieden sein.

Die "Zwischenraumzeit" in der mein Friedensgewissen sich ausruht und der politische Pragmatismus und der Alltag den Tagesablauf bestimmt, bis ich wieder aufgeschreckt werde, durch einen neuen drohende Einsatz der Bundeswehr, oder einen längst geplanten Verlängerungsbeschluss.

Aber - das war nur die eine Seite. Dann habe ich wieder, Mut gefasst. Ich dachte an die 130 unerschrockenen Abgeordneten, die sich trotz des Drucks der Mehrheit der Fraktionsspitzen und der Bundesregierung gegen den Bundeswehreinsatz ohne UNO-Mandat gestellt haben.

Wir ziehen den Hut vor ihnen!

Vor den unbezwinglichen 37 Abgeordneten der PDS, den 19 der SPD, 5 der grünen und 61 der CDU. Der ausgeübte Druck muss enorm sein. Nach Zeitungsberichten soll einigen sogar gedroht worden sein, mit einem Nein riskierten sie ihr Bundestagsmandat.

Trotz alledem!

Sie haben sich zu den wirklichen Sprechern der Mehrheit der Bevölkerung gemacht Denn die Meinungsumfragen belegen: Die Mehrheit in Deutschland lehnt diesen Einsatz ab.

Und beides, liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde, ist auch unser Werk. Und darauf können wir stolz sein, - Darauf nun wirklich!

Unsere jahrzehntelangen Gewerkschaftlichen Antikriegstagsaktionen, unsere Ostermärsche, Menschenketten und Bonnbesuche über Generationen hinweg haben aufgeklärt über die Wiederbewaffnung der Bundeswehr, die Mittelstreckenraketen, den Golfkrieg und mobil gemacht gegen Krieg von deutschem Boden aus.

Die Energie unserer Väter und Mütter und insbesondere unsere unermüdliche Argumentation während und nach den Jugoslawienkrieg, die schwer war, weil sie von der Presse totgeschwiegen und gegen den Opportunismus ehemaliger Friedensaktivisten erfolgte, haben eine Antikriegsstimmung bei der Mehrheit hinterlassen.

Deswegen war es notwendig für die Regierung, wieder einmal unsere Bundestagsabgeordneten zu zwingen, unter falschen Voraussetzungen, mit unzureichenden, lücken- und fehlerhaften Informationen einem weiteren Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des Bündnisgebietes zustimmen.

Denn was soll wirklich geerntet werden?

Freiwillig abgegebenen Waffen - oder ein neues, ein drittes Protektorat auf dem Balkan, um geostrategische Interessen?

Freiwillig abgegebenen Waffen einsammeln können UNO und OSZE besser, sogar das Rote Kreuz. Ja eigentlich bräuchten dazu nur verschlossene Container aufgestellt werden, so wie hier Kleider-Container - und alle UCK-Kämpfer werfen freiwillig all ihre Waffen hinein.

Wir sagen NEIN! zum Bundeswehreinsatz in Mazedonien.

Geht es um die Verhinderung eines Bürgerkriegs - oder wurde er nicht gerade von aussen geschürt?

10 Jahre lang haben die NATO-Staaten, allen voran Deutschland und die USA eine Politik der Unruhe, Destabilisierung, die Zerschlagung der Republik Jugoslawien vorangetrieben. Immer wieder haben sie so Situationen provoziert, in deinen es zum Eingreifen der Nato scheinbar keine Alternative gab. 70 % der Waffen der UCK sind nach mazedonischer Einschätzung aus den USA, darunter modernste Nachtsichtgeräte der dritten Generation. Auch Deutschland und andere europäische Staaten haben Waffe an die Kriegsparteien geliefert. Mazedonien, das bis vor wenigen Monaten als "Insel des Friedens" in einem Meer von Krieg und Gewalt galt, geriet an den Rand eines Bürgerkrieges. Es gab 100 Tote und 100.000 Flüchtlingen, weil es von außen, aus dem Kosovo angegriffen und destabilisiert wurde. Die Angriffe der albanischen Rebellen erfolgten aus einem internationalen Protektorat mit einer sogenannten Nato-Friedenstruppe von etwa 40.000 Soldaten.

Die heute so besorgte NATO und die Bundesregierung, die uns weismachen wollen, wenn die Nato nicht einschreite, dann würden sich die Menschen dort gegenseitig umbringen - hätte längst friedensstiftenden Maßnahmen durchführen können 5.000 Bundeswehrsoldaten sind bereits seit 2 Jahren im Kosovo. Sie hätten die 1999 geplante vollständige Entwaffnung die UCK, die Zerschlagung ihrer Strukturen, und die Sicherung der Grenzen nach Mazedonien realisieren können., denn sie waren in dem hochbrisanten Grenzgebiet.

Diesen Auftrag haben sie offensichtlich nicht gehabt. Man wird auch kaum Waffen einsammeln, die man vorher selbst verteilt hat.

Denn wenn eine von Waffen und professionellen Einsatzkräften starrenden KFOR-Armee von 40.000 Mann und Frau im Kosovo nicht in der Lage ist, eine Rebellen-Armee zu entwaffnen, die nur 2.000 Waffen besitzt - muss ihr Auftrag ein andere sein.

Wir fordern: Keine Nato-Truppen auf den Balkan. Der DGB hält in seinem Grundsatzprogramm fest:

Soziale, ökonomisch und ökologische Konflikte müssen auf zivilem Wege, ohne militärische Gewalt gelöst werden.

Also Bündnistreue, Staatsräson - oder eigenständige - schon Jahrzehnte alte Deutsche Interessen auf dem Balkan?

"Deutschland ist die Führungsmacht Europas" drängte Bundeskanzler Schröder auf eine schnelle Entscheidung der deutschen Truppe. Deutschland ist nicht getriebener sondern Gestalter auf dem Balkan. Es tritt als "führende Nation" auf "Wir werden dort das Sagen haben", wird Bundeskanzler Schröder im Juni 1999 zitiert. Tatsächlich wird auf dem Balkan mit "unserem" Geld, der D-Mark bezahlt. Sie ist offizielle Währung in Montenegro und Kosovo, Zweitwährung in Bosnien-Herzegowina: Bulgarien und Mazedonien haben ihre Währungssouveränität verloren, sie sind an die DM-gekoppelt.

Der Balkan wird nach den Interessen der deutschen Industrie umgestaltet. Vergessen wir nicht, Bundeskanzler Schröder hat seinen, besten Mann, Bodo Hombach, auf den Balkan geschickt und Außenminister Fischer erklärt: "Die albanische Frage ist offen"

Deutschland kocht sein eigenes Süppchen auf dem Balkan. Außenminister Genscher sorgte dafür, dass Slowenien und Kroatien bereits 1991 als eigenständige Staaten anerkannt wurde. Die Zerschlagung der Jugoslawischen Republik hatte begonnen. "Siemens kauft Kroatien" titelte 1993 eine kroatische Zeitung. Bei der Bombardierung Jugoslawiens 1999 unter dem Label "Menschenrechte" war Deutschland dabei. Der NATO-Einsatz in Mazedonien ist der bisher letzte Schritt, diesmal unter dem Label "Waffeneinsammeln" und "Bündnisverpflichtung".

Kaum einer spricht in der Mazedonien-Frage über die Energie-Ressourcen im Kaukasischen Becken und die Transport-Pipelines, die Öl und Gas aus der geostrategischen ungünstigen Region auf den Weltmarkt bringen sollen. Einer der Transport-Korridore geht über Mazedonien. Das ist die Ernte, die der NATO-Einsatz bringen soll.

Die USA sind der größte Ölverbraucher, Deutschland liegt an fünfter Stelle. Der mazedonische Verteidigungsminister spricht aus, um was es auf dem Balkan wirklich geht. Zitat: "Wir sind die Leidtragenden des anhaltenden Konfliktes zwischen den USA und der EU.

Wir sagen: "Nicht noch einmal!

Wir fordern von Minister Scharping: Rufen sie alle deutschen Soldaten aus dem Balkan zurück.

Make Love not war.

Machen Sie Liebe auf Mallorca statt Krieg auf dem Balkan!

Warum kein UNO-Mandat sondern wieder einmal um die Selbstmandatierung der NATO?

Also doch ein "robuster Einsatz"? - ein Kriegseinsatz also, länger als 30 Tage?, mehr als 500 Soldaten? Und nur 3.300 von 85.000 Waffen.

Warum ein Einsatz; gegen den die mazedonische Bevölkerung offensichtlich ist?

Wir fordern; Keine weiteren deutschen Truppen auf den Balkan!

Die dort bereits stationierten 7.500 Soldaten müssen sofort zurückgeholt werden.

Für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Kranke und Rentner ist angeblich kein Geld da. Für einen Bundeswehr-Einsatz mit KSK-Kräften ist plötzlich zusätzliches Geld vorhanden.

Wir fordern: Keine 163 Mio. DM für den Bundeswehreinsatz.

Die Stadt Stuttgart gibt 180 Mio. DM für Sozialhilfe aus. Darüber gibt es Empörung in den Medien. Für Ausrüstung und Bundeswehr aber ist das Geld da.

Statt den Rüstungshaushalt ständig auszuweiten, statt der Umrüstung der Bundeswehr in eine Angriffsarmee statt Milliarden unserer Steuergelder für Eurofighter, Kriegsfregatten, Militärische Airbusse, die die Bundeswehr bis zu 4.000 km entfernt an Einsatzorte bringen sollen, die mit Vaterlandsverteidigung aber auch gar nichts mehr zu tun haben, wäre das Geld besser in Rüstungskonversion angelegt. Statt Arbeitsplätze in der Rüstung könnte die Bundesregierung Arbeitsplätze bei der Bahn, im zivilen Schiffbau, im öffentlichen Nahverkehr, im Umweltschutz oder im sozialen Bereich finanzieren.

Ein Ingenieur könne nicht Kindergärtnerin werden, höre ich immer wieder als Gegenargument.

Könnte schon - er müsste es aber auch wollen.

Aber beim heute notwendigen lebenslangen Lernen kann ein Ingenieur aus dem Rüstungsbereich durchaus in den Umweltschutz wechseln, ohne dass er seine Qualifikation verliert.

Rüstungskonversion ist also möglich - man muss sie nur politisch wollen.

Und eine umfassende Diskussion der Aussenpolitik der Regierung auf dem Balkan, der Rolle der Bundeswehr.

Der Interessen der Deutschen Industrie auf dem Balkan, sie muss geführt werden

Wie schon im Jugoslawienkrieg wird auch diesmal wieder dreist von der Regierung behauptet: Zum Nato-Einsatz gäbe es keine Alternative - keine Möglichkeit der zivilen Friedenspolitik.

Es gibt immer eine Alternative. So auch hier:



1.Es dürfen keine Waffen mehr in das Kriegsgebiet geliefert werden.



2.Die 2. Alternative fordert der Mazedonische Verteidigungsminister Buckoski: den Terroristen (so wurden sie vor kurzem auch noch von den USA genannt) müssen ihre Geldquellen in Europa trockengelegt werden, die im Drogen-, Waffen- und Menschenhandel sprudeln." Dazu habe er aber bis jetzt noch keine wirklich ernsthafte Anstrengung der EU beobachtet.




Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik.

Unter diesem Motto wurde Schröder und rot-grün vor 3 Jahren gewählt.

Gewaltfreie, zivile, politische Instrumente müssen dazu entwickelt und eingesetzt werden.

Eine Entscheidung gegen einen Einsatz der Bundeswehr wäre ein richtiger und äußerst wertvoller Schritt hin zu einer Wende in der deutschen Politik. Er hätte Bedeutung für die zukünftige Politik in.

Europa und selbst auf das Verhalten der USA.

Fordern wir Bundeskanzler Schröder auf, die Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün zu realisieren:

Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik sein.

Nein zum Bundeswehreinsatz in Mazedonien!



Anne Rieger ist 2. Bevollm. der IG-Metall Waiblingen und Landessprecherin der VVN-BdA BaWü

E-Mail: annerieger (at) t-online (Punkt) de

Website: www.waiblingen.igm.de/wir/kontakt.html
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