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Bush-Besuch im Mai 2002


vom:
17.05.2002


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Bush-Besuch im Mai 2002:

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Erklärung zum Besuch des amerikanischen Präsidenten Bush

Bündnis 90/ Die Grünen Bundesvorstand

Anlässlich des bevorstehenden Besuches von George W. Bush, Präsident der USA, erklärt der Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:


"Der Besuch des US-amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush in Deutschland ist kein Routine-Ereignis. Im Gefolge der Attentate von New York und Washington, D.C., und des seither vom US-Präsidenten ausgerufenen Krieges gegen den Terrorismus ist er Gelegenheit und Herausforderung dazu, die widersprüchlichen Erfahrungen der letzten acht Monate zu reflektieren.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September 2001 mit den Opfern, ihren Angehörigen und den vielen Menschen in den USA, die durch diese Terrorangriffe erschüttert wurden, solidarisiert. Ausdruck dieser Solidarität war unter anderem unsere Teilnahme an der Kundgebung am Brandenburger Tor. So selbstverständlich unsere menschliche Anteilnahme war und ist, so eindeutig ist unsere Verurteilung des internationalen Terrorismus und aller, die ihn unterstützen. Wie der Sicherheitsrat der UN zu Recht feststellte, ist der internationale Terrorismus eine Bedrohung des Weltfriedens. Es war richtig, dass die US-Administration in den Wochen unmittelbar nach dem 11. September an der Herausbildung eines breiten weltweiten Bündnisses gegen den internationalen Terrorismus arbeitete. Dieses Bündnis haben wir aktiv unterstützt. Wir haben nach schwierigen Diskussionen den Kurs der Bundesregierung und der Mehrheit des Deutschen Bundestages mitgetragen, dieses Bündnis auch mit bestimmten militärischen Mitteln zu unterstützen.

Solidarität heißt aber nicht Kritiklosigkeit. Unsere Solidarität mit den USA war von Anfang an eine kritische. Gegenüber der Entwicklung der Politik der US-Administration in den letzten Monaten haben wir erhebliche und wachsende Kritik. Im Kern geht es dabei darum, dass die Tendenz zu einem fortgesetzten US-amerikanischen Unilateralismus wieder stärker wird, dass durch doppelte Standards in der US-Außenpolitik die Glaubwürdigkeit des Kampfes gegen den Terrorismus untergraben wird und dass die militärischen Mittel gegenüber politischen Lösungsansätzen in einem gefährlichen Maß überwiegen.

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Bush-Besuch im Mai 2002
Der Kampf für eine friedliche Zukunft ist nicht militärisch zu gewinnen. Die wichtigste Herausforderung des neuen Jahrhunderts ist die politische Gestaltung der Globalisierung. Frieden, Sicherheit und Wohlstand sind kein Nebenprodukt unregulierten Wirtschaftens. Es gibt sie nur, wenn sie sich auf globale Gerechtigkeit stützen können. Nur eine gerechte Globalisierung reduziert Armut, sichert die ökologischen Ressourcen und schafft mehr Sicherheit. Immer noch profitiert aber nur eine kleine Minderheit von den Segnungen globaler Kommunikation, globalen Austausches und von der internationalen Arbeitsteilung. Das wollen wir ändern. Daran müssen sich gerade die Industriestaaten messen lassen. Gefordert ist eine wirklich internationale, kooperative Ordnungspolitik im Sinne einer Weltinnenpolitik. Wir brauchen Strukturen und Institutionen der internationalen Staatengemeinschaft, die die Fragen der Menschenrechte, des Umweltschutzes und der Verteilung der Ressourcen bearbeiten und im Rahmen von für alle verbindlichen Normen lösen. Weder nationale Lösungen noch hegemoniale Zuordnungen können diese Existenzfragen angemessen beantworten. Den schwächeren Staaten und den Benachteiligten muss eine deutlicher hörbare Stimme und Mitentscheidung eingeräumt werden.

Der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika kommt im Rahmen einer solchen Weltinnenpolitik eine entscheidende Rolle zu. Die militärische und ökonomische Weltmacht verfügt über ein kulturelles und gesellschaftliches Modell, das ihr besondere Verantwortung für die Entwicklung unserer Welt gibt. Mit Besorgnis sehen wir, dass die USA und die Politik ihres Präsidenten dieser Verantwortung insbesondere in den folgenden Punkten nicht gerecht werden:

 Die weltweite Verteilung und der Verbrauch natürlicher Ressourcen wird im neuen Jahrhundert zur Schlüsselfrage. Dies ist nicht nur eine Frage globaler Gerechtigkeit, sondern im wahrsten Sinne eine Existenzfrage für die Menschheit. Mit Sorge sehen wir, das sich die USA, eines der Länder mit dem höchsten Energieverbrauch, nicht dazu entschließen wollte, eine Wende in ihrer Klima- und Energiepolitik zu vollziehen und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Wir fordern die US-amerikanische Regierung auf, das Kyoto-Protokoll schnellstmöglich zu ratifizieren.

 Mit der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes sind wir dem Ziel einer Verrechtlichung der internationalen Beziehungen ein großes Stück näher gekommen. Seine universelle Anerkennung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen kann. Mit Sorge sehen wir, dass die US-amerikanische Regierung den Vertrag zu seiner Errichtung nicht ratifizieren will. Wir fordern die US-amerikanische Regierung auf, den Vertrag zu ratifizieren und damit auch zivile, internationale Konfliktlösungsmechanismen zu stärken und so die wirksame Bekämpfung von Unrechtsregimen und Terror zu ermöglichen.

 Menschenrechte sind unteilbar und universell gültig. Wir sehen mit Sorge, das die USA der weltweiten Anerkennung der Menschenrechte keinen guten Dienst erweisen, wenn in den Vereinigten Staaten von Amerika die Todesstrafe zunehmend verhängt und vollstreckt wird. Mit Unverständnis haben wir zur Kenntnis genommen, dass sich die amerikanische Regierung nicht bereit fand, auf dem Kindergipfel in New-York einem Verbot von lebenslanger Freiheitsstrafe und Todesstrafe für Jugendliche unter 18 Jahren zuzustimmen. Wir appellieren an die amerikanische Regierung, dafür einzutreten, dass die Todesstrafe abgeschafft wird und ergangene Urteile nicht vollstreckt werden. Wir fordern die Regierung der Vereinigten Staaten auf, dafür zu sorgen, dass alle inhaftierten Taliban-Kämpfer entsprechend den völkerrechtlichen Regularien behandelt werden.

 Mit Sorge sehen wir, dass die Konzentration in der Bekämpfung des Terrorismus auf militärische Mittel neue Rüstungsprojekte zur Folge hat. Dies könnte das Ziel einer globalen Sicherheit und eines weltweiten Friedens konterkarieren.

 Eine militärische Aufrüstung des Weltraumes ist nicht geeignet, eine weltweite Sicherheitsperspektive zu schaffen.

 Die Überlegung, (neue) nukleare Waffen auch gegen Nicht-Atomwaffen-Staaten einzusetzen, droht den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen auszuhöhlen und damit unsere Welt unsicherer und unberechenbarer zu machen.

 Die massive Mittelaufstockung des Rüstungshaushaltes weist in eine falsche Richtung. Kampf gegen Terrorismus und weitere Abrüstungsschritte sowie der Verzicht auf neue Hochrüstungsprogramme im US-Haushalt schließen sich nicht aus. Im Gegenteil, sie schaffen neue finanzielle Spielräume dafür, auch jene Konfliktlagen zu bearbeiten, deren sich Terroristen zur Rekrutierung ihres Nachwuchses oder zur ideologischen Legitimierung ihrer Gewaltakte bedienen.

 Die Folgen eines von der US-Administration angedrohten Militärschlages gegen den Irak sind unabsehbar. Sie würden die gesamte Region destabilisieren und in der arabischen und muslimischen Welt zu Solidarisierungen führen, die der menschenverachtenden Diktatur Saddam Husseins Hohn sprechen würden. Der Irak ist zur völligen Zerstörung seiner biologischen, chemischen und nuklearen Waffenfabriken verpflichtet. Die einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und die Öffnung der Grenzen für die UN-Waffeninspektoren müssen voll und uneingeschränkt unverzüglich umgesetzt werden. Um dieses zu erreichen, finden geeignete und zielgerichtete Sanktionen, sofern sie nicht pauschal gegen das irakische Volk, sondern konkret gegen das Regime von Saddam Hussein gerichtet sind, unsere volle Unterstützung. Einen Angriff gegen den Irak lehnen wir ab und würden ihm weder militärische noch zivile Unterstützung zuteil werden lassen.

Der 11. September 2001 war ein Schock für die gesamte Welt. Wir haben dem amerikanischen Volk und der amerikanischen Regierung unsere tiefe Anteilnahme ausgesprochen und wir haben ihnen unsere kritische Solidarität zugesichert. Damit halten wir zugleich fest, dass nur eine Perspektive für Frieden, Sicherheit und Wohlstand für alle Regionen dieser Welt wirklich wirkungsvolle Abhilfe gegen das Grundübel Terrorismus erwarten läßt. Hierzu bedarf es der politischen Lösung sozialer, ökonomischer und ökologischer Konflikte innerhalb eines internationalen kooperativen Ordnungsrahmens.


Datum: 16. Mai 2002

E-Mail:   bgst@gruene.de
Internet: http://www.gruene.de
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