Uran-
munition
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vom:
Januar 2001


update:
Januar 2001


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Uranmunition und andere Verstöße

 Pressestimmen

Pressestimmen 15.-21.1. 2001

diverse Zeitungen

15.01

Netzeitung: Uran-Munition: Neue Vorwürfe gegen Scharping

Mainz-online: Briten mustern Uranmunition aus

Stuttgarter Zeitung: "Soldaten nicht gefährdet"

16.01.

NZZ: Zehn Jahre alte Warnung in England zur Uranmunition

17.01.

SZ: Uran-Geschosse enthalten auch Spuren von Plutonium

Die Presse: Uran-Munition: Verunsicherung wächst weiter

18.01.

SZ: EU-Parlament fordert Verzicht auf Einsatz

20.01.

Berliner Morgenpost: Hat Scharping gelogen?

jw-Interview: Gehören Verantwortliche der NATO nach Den Haag?



Quelle: Netzeitung 15.01. (
http://www.netzeitung.de

Uran-Munition: Neue Vorwürfe gegen Scharping

13. Jan 2001 12:39, ergänzt 14:54

Waren Bundeswehr-Soldaten im Kosovo schlechter auf Gefahren der Uran-Munition vorbereitet, als Scharping bisher behauptet? Das wirft der Bundeswehrverband dem Verteidigungsminister vor.

BERLIN/HAMBURG. Der Bundeswehr-Verband beschuldigt Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), die Bundeswehr-Soldaten vor dem Kosovo-Einsatz nicht genug auf die Gefahren von Uran-Munition vorbereitet zu haben. Außerdem soll das Verteidigungsministerium genauere Informationen über die Risiken der Munition gehabt haben, als bislang bekannt.

Es sei "definitiv falsch", wenn Minister Rudolf Scharping (SPD) behaupte, das erste Kontingent im Kosovo habe eine solche Schulung bekommen. Das sagte der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Oberst Bernhard Gertz, dem Nachrichtenmagazin Focus.

146 Vorlagen zu DU-Munition?

Nachdem vom 13. Juni bis 1. Juli vergangenen Jahres 2.900 deutsche Soldaten ins Kosovo eingerückt seien, habe das Ministerium erst am 2. Juli "Maßnahmen zu Vorsorge und Schutz" gegen die Gefahren durch Schwermetallstaub oder Strahlung angeordnet. Die Nato habe am 1. Juli auf die Uran-Munition hingewiesen. Nach Scharpings eigenen Angaben sei aber "bereits im Mai 1999" im Verteidigungsausschuss der Einsatz der Uran-Munition erörtert worden.

Das Scharping- Ministerium bestritt am Samstag die Vorwürfe des Bundeswehr- Verbands. Schon 1996 sei das deutsche Ifor-Kontingent vor Uran-Munition gewarnt und zu Schutzmaßnahmen angehalten worden. Zu weiteren Vorwürfen des Nachrichtenmagazins Spiegel nahm das Ministerium bisher nicht Stellung. Danach soll die Bundesregierung weit mehr über das Strahlenrisiko der Uran-Munition auf dem Balkan gewusst haben, als bisher zugegeben. Aus einem vertraulichen Bericht für Staatssekretär Peter Wichert geht offenbar hervor, dass im Verteidigungsministerium zwischen Januar 1989 und März 2000 insgesamt 149 Vorlagen über Munition mit abgereichertem Uran (DU) angefertigt wurden.

Zu langsam reagiert?

Allein in der Amtszeit von Minister Rudolf Scharping (SPD) seien 110 Papiere zu dieser Problematik entstanden. Bereits im Februar 1997 habe das Ministerium Warnungen der Amerikaner über "mögliche Exposition von Anteilen der (in Bosnien stationierten) Sfor- Soldaten gegenüber abgereichertem Uran" erhalten. Während Bundeswehrpioniere der westlichen Friedenstruppe in Bosnien bereits Militärgerät geborgen hätten, das möglicherweise uranverseucht war, habe sich die militärische Führung mehr als drei Monate Zeit gelassen, ehe sie sich zu einer "eigenen Bewertung" der Gefahren habe durchringen können. Das Fazit "geringe Gefährdung" entspreche der amerikanischen Sprachregelung.

Neue Leukämiefälle gemeldet

Beim Bundeswehrverband haben sich laut Gertz außer dem Uelzener Zeitsoldaten zwei weitere Soldaten gemeldet, die ihre Leukämie-Krankheit auf die Auswirkungen der Uran-Munition zurückführen. Die beiden Berufssoldaten, ein an Leukämie erkrankter Bayer und ein Saarländer mit ungeklärtem Krankheitsbild, würden sich in den kommenden Tagen mit Vertragsanwälten beraten. Der bayerische Soldat befürchte, dass er sich bei Überlandfahrten in Bosnien, wo auch Uran-Munition verschossen wurde, durch uranhaltige Stäube vergiftet hat. (nz mit dpa)



Quelle: Mainz-online.de, 15.01.2001

Produktionsstopp in USA:
Briten mustern Uranmunition aus


London/Brüssel - Die britische Marine wird auf elf Zerstörern und drei anderen Schiffen die bisher verwendete Munition mit abgereichertem Uran abschaffen, weil sie in den USA nicht mehr hergestellt wird. Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums bestätigte einen Bericht der Zeitung "The Times", wonach die Hersteller der Munition das abgereicherte Uran durch Wolfram ersetzt haben. Dieses sei nicht radioaktiv und deutlich weniger giftig. Laut "Times" hat die US-Marine bereits vor mehr als zehn Jahren damit begonnen, die uranhaltige Munition durch Wolframgeschosse zu ersetzen. "Der Sprengkopf mit Wolfram verbessert die Wirksamkeit des Geschosses und beseitigt Sicherheits- und Umweltprobleme, die mit abgereichertem Uran in Verbindung gebracht werden", zitiert die "Times" aus einem Bericht der US-Marine von 1989. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte, die Entscheidung des US- Herstellers bedeute, dass auch die britische Marine sie nicht mehr verwenden könne. Die Vorräte reichten bis zum Jahr 2003. Die Uranmunition wurde in dem Raketenabwehrsystem Phalanx eingesetzt.

Andere Waffengattungen zögern noch

Der Sprecher sagte, er wisse nicht, ob es auch für die Artilleriegeschosse eine Alternative auf der Grundlage von Wolfram gebe. Tony Flint, Sprecher einer Initiative von Veteranen des Golfkriegs, die abgereichertes Uran (Depleted Uranium/DU) für einen möglichen Grund des so genannten Golfkriegssyndroms halten, sagte: "Wenn die Marine die DU-Munition durch Wolframgeschosse ersetzen kann, dann kann es auch das Heer." Der verteidigungspolitische Sprecher der oppositionellen Konservativen, Iain Duncan Smith, forderte von der Regierung eine neue Erklärung im Parlament zu den möglichen Gefahren durch Uranmunition.

Belgische Behörde sieht keinen Zusammenhang

Nach Untersuchungen der nationalen belgischen Atomkontrollbehörde (AFCN) gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Krebstod belgischer Soldaten und dem Einsatz uranhaltiger NATO-Munition auf dem Balkan. Es gebe auch keine Verbindung zwischen den klinischen Symptomen des so genannten Balkan- Syndroms, wozu chronische Müdigkeit, Haut- Ausschlag und Depressionen gehören, und den möglichen Gesundheitsgefahren durch Uran..Etwa 1.600 belgische Soldaten waren zwischen 1992 und 1999 in Kroatien und Bosnien stationiert. Von ihnen starben fünf an Blutkrebs. (dpa)



Quelle: Stuttgarter Zeitung 15.01. (
http://www.stuttgarter-zeitung.de)

"Soldaten nicht gefährdet"

BERLIN/LONDON (AP/dpa). Verteidigungsminister Scharping sieht keinen Zusammenhang zwischen Leukämieerkrankungen deutscher Soldaten und dem Balkaneinsatz der Bundeswehr. Er rügte die "aufgeregte Debatte". Die Wissenschaftler seien sich einig, dass die Soldaten nicht durch Radioaktivität aus Rückständen uranhaltiger US-Munition gefährdet seien, sagte der SPD-Politiker im ZDF. Die "Welt am Sonntag" berichtete unterdessen von einem zweiten Soldaten, der seine Leukämieerkrankung auf den Balkaneinsatz zurückführe. Der Unteroffizier sei 1996 in Bosnien stationiert gewesen. Das Verteidigungsministerium kommentierte, 1996 habe sich nur ein Vorauskommando in Sarajevo aufgehalten, die Stationierung sei erst 1997 erfolgt.

Rudolf Scharping sagte, nach Angaben der mit Untersuchungen betrauten Wissenschaftler könne das Strahlungsrisiko vernachlässigt werden. Im Frühjahr 2000 habe man im Kosovo keine von solcher Munition stammende Strahlung mehr messen können. Er schloss aber eine Langzeitgefährdung der Bevölkerung betroffener Gebiete nicht aus, nicht wegen der Strahlung, sondern weil Schwermetalle dem Körper schadeten, wenn sie in großen Dosen aufgenommen würden. Die US-amerikanische und die britische Marine stellen ihre Geschosse mit abgereichertem Uran auf wolframgehärtete Munition um, die bei der Bundeswehr generell verwendet wird. Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums bestätigte einen Bericht der "Times", wonach die Hersteller der Munition das abgereicherte Uran durch Wolfram ersetzt haben. Dieses sei nicht radioaktiv und weniger giftig. Laut "Times" hat die US-Marine bereits vor mehr als zehn Jahren damit begonnen, die uranhaltige Munition durch Wolframgeschosse zu ersetzen. Unterdessen laufen die Bundesländer Sturm gegen die geplante Schließung zahlreicher Standorte der Bundeswehr. Mehrere Regierungschefs wollen sich nun beim Verteidigungsminister für den Erhalt der Militäreinrichtungen in ihren Ländern stark machen. Scharping bekräftigte im ZDF, dass die Schließung jeweils sorgfältig geprüft werde. Das Ergebnis werde er Ende Januar bekannt geben. Die Zahl von 60 betroffenen Standorten sei "falsch". Auch Staatssekretär Walter Kolbow (SPD) meinte, alle kursierenden Streichlisten seien vorläufig. Das Ministerium werde so weit wie möglich die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage vor Ort berücksichtigen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) warnte vor einem wirtschaftlichen Einbruch in Mittel- und Nordhessen. Im baden-württembergischen Staatsministerium hieß es: "Wir werden um jeden Standort kämpfen." Im Vergleich mit anderen Ländern sei die Bundeswehr mit 3,5 Beschäftigten pro 1000 Einwohnern deutlich unterrepräsentiert. Regierungschef Erwin Teufel (CDU) will am Dienstag mit Scharping reden.



Quelle: NZZ / Neue Zürcher Zeitung 16.01.2001

Zehn Jahre alte Warnung in England zur Uranmunition

Bericht der Atomenergiebehörde

R. B. London, 15. Januar: In London ist eine weitere Warnung bezüglich der Munition mit abgereichertem Uran bekannt geworden. Sie datiert aus dem Jahr 1991, bezieht sich auf den Golfkrieg, stammt von der britischen Atomenergie-Kommission und war an die damalige Regierung gerichtet. Laut der Zeitung "The Times" heisst es darin, die im Golfkrieg verwendete Uranmunition bringe bei der Handhabung und als Folge der Möglichkeit der Verbreitung radioaktiver und toxischer Kontamination während des Kampfgeschehens gewisse potenzielle Gefahren mit sich und könne langfristig zu einem Risiko sowohl für Soldaten wie für die Zivilbevölkerung werden, falls keine Massnahmen ergriffen würden. Die Behörde empfahl der Regierung, die kuwaitischen Behörden darüber zu informieren und in Zusammenarbeit mit ihnen diese Überreste zu entfernen. In bemerkenswerter Voraussicht riet sie, dass dies möglichst rasch getan werde, bevor die Angelegenheit zu einem "politischen Problem" werde.

Sowohl die damalige Regierung der Konservativen als auch die heutige Labours nahmen zwar die verschiedenen Warnungen, die ihnen zugestellt wurden, zur Kenntnis, beurteilten jedoch das Risiko als dermassen gering, dass man es praktisch ignorieren konnte. Sie beschränkten sich darauf, die im Golf und auf dem Balkan eingesetzten Truppen anzuweisen, ausser zur Rettung von Kameraden nie ein Gelände zu betreten, das mit Uranmunition beschossen worden war. London hält daran fest, dass kein Kausalzusammenhang zwischen der Uranmunition und den tatsächlich am sogenannten Balkan-Syndrom - Leukämie und anderen Krebsformen - erkrankten Soldaten bestehe.



Quelle: Süddeutsche Zeitung, 17.01.2001

US-Munition:
Uran-Geschosse enthalten auch Spuren von Plutonium


KÖLN/BERLIN, 16. Januar (afp/dpa/FR). Die auf dem Balkan von US-Kampfjets verschossene Uranmunition enthält geringe Spuren des krebserregenden Plutoniums. Dies berichtete das ARD-Fernsehmagazin "Monitor" am Dienstag unter Berufung auf einen Bericht des US-Verteidigungsministeriums vom 13. Dezember 2000. Darin wird festgestellt, dass "das abgereicherte Uran, das dem US-Verteidigungsministerium vom US-Energieministerium zur Munitionsherstellung übergeben wurde, Spuren von Plutonium enthalten kann". Laut US-Energieministerium werde das Uran in den Anlagen des US-Militärs zwangsläufig mit Plutonium verunreinigt. Plutonium ist eine hochgiftige Substanz, die bereits in geringsten Mengen stark krebserregend ist.

Der stellvertretende Vorsitzende der Strahlenschutzkommission der Bundesregierung, Wolfgang Köhnlein, hält es laut "Monitor" für möglich, dass die Leukämie-Fälle unter Nato-Soldaten und die Erhöhung der Krebsrate in der Bevölkerung in manchen Regionen Bosniens auf das Plutonium zurückzuführen seien.

Die leitenden Militärärzte der Nato erklärten in Brüssel, sie hätten in den ihnen zur Verfügung gestellten Informationen der Nato-Staaten weder Hinweise auf ein "Balkansyndrom" noch Beweise für einen Zusammenhang von Krebserkrankungen mit uranhaltiger Munition gefunden.



Quelle: Die Presse (Wien), 17.01.

Uran-Munition: Verunsicherung wächst weiter

Die Nato widerspricht Vermutungen, daß uranhältige Geschosse Auslöser für Leukämie seien. Wissenschaftler sehen aber nun Anzeichen von Plutonium-Spuren in der Munition.

BRÜSSEL/WIEN (ag., red.): Die Unsicherheit, ob die von der Nato eingesetzte Uran-Munition Krebs verursachen kann, wird immer größer. Während die obersten Militärmediziner der Allianz aufgrund von Informationen aus den 19 Bündnisländern keine Beweise für einen Zusammenhang zwischen den Geschossen und Leukämie-Fällen entdecken konnten, warnen Wissenschaftler nun davor, daß die Munition möglicherweise auch Spuren hochgefährlichen Plutoniums enthält. Roger Van Hoof, Vorsitzender des Nato-Ärztekomitees, sagte am Dienstag in Brüssel, es gebe keine Beweise für ein "Balkan-Syndrom". Die Ärzte hätten bei ihren Untersuchungen keinen Unterschied zwischen Krankheitsfällen bei Soldaten, die auf dem Balkan stationiert waren, und solchen, die dort nicht Dienst taten, entdecken können. Ein Ad-hoc-Ausschuß der Nato zu Fragen der Urankern- Munition sollte am Dienstag erstmals beraten.

Unterdessen gab die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich bekannt, daß nach Erkenntnissen von Schweizer Wissenschaftlern in der Uran-Munition aus dem Kosovo auch Plutonium-Spuren enthalten sein sollen. Die Diskussion um Gesundheitsrisken erhalte damit eine ganz neue Dimension, hieß es. Die Gefahr, an Krebs zu erkranken, wäre damit um ein Vielfaches höher.

Gemäß dem AC-Laboratorium Spiez seien in der Munition geringe Mengen von 236 Uran festgestellt worden, teilte die ETH mit. Daraus habe ein Labor-Mitarbeiter den Schluß gezogen, daß ein gewisser Anteil des eingesetzten Urans aus Kernkraftwerken stammen müsse, weil 236 Uran in der Natur nicht vorkomme. Bei der Energieerzeugung in Kernkraftwerken entsteht in Uranbrennstäben immer auch Plutonium.

Plutonium auch im Irak?

Kleinste, aber hochgefährliche Mengen von Plutonium will man auch im Irak nach Angriffen der Alliierten festgestellt haben. Dies berichtete der Wiener Unfallchirurg Heinz Kuderna, ehemaliger Primar des Unfallkrankenhauses Meidling, im Gespräch mit der "Presse". Kuderna zufolge hätten irakische Ärzte im November anläßlich eines Besuchs österreichischer Mediziner von Plutonium-Spuren der in der Operation Wüstenfuchs im 1998 verwendeten Geschosse erzählt.



Quelle: Süddeutsche Zeitung, 18.1.

EU-Parlament fordert Verzicht auf Einsatz

Von Cornelia Bolesch

Straßburg - Obwohl die meisten Wissenschaftler bisher keine Verbindung sehen zwischen der Verwendung von uranhaltiger Munition auf dem Balkan und Krebserkrankungen bei Soldaten, haben am Mittwoch vor dem Europaparlament sowohl der EU-Sicherheitsbeauftragte Javier Solana als auch EU-Umweltkommissarin Margot Wallström im Interesse der Gesundheit der Soldaten und der Zivilbevölkerung weitere Untersuchungen befürwortet. In einer gemeinsamen Resolution forderten die Europaparlamentarier von den Nato-Mitgliedern, Uran-Munition nicht einzusetzen, solange die Ursachen der Erkrankungen nicht zweifelsfrei ermittelt seien. Das Votum fiel mit 394 Stimmen gegen 60 Nein-Stimmen und 106 Enthaltungen deutlich aus. Abgeordnete wie die konservative Britin Caroline Jackson, die meinte: "Wir müssen schreckliche Kriege gegen schreckliche Menschen führen", ein Moratorium würde die Nato nur schwächen, blieben ebenso in der Minderheit wie Abgeordnete auf dem linken Flügel, die ein totales Verbot uranhaltiger Munition forderten.

Das im Parlament am meisten gebrauchte Wort war: "Transparenz". Allen voran versprach der EU-Sicherheitsbeauftragte Solana eine Informationspolitik ohne Tabus: "Wir sind Demokratien. Wir haben nichts zu verbergen", rief der Generalsekretär des Ministerrats fast beschwörend den Parlamentariern zu. Er teile die Besorgnis der Bevölkerung. "Es gibt Menschen, die krank sind und wir müssen nach den Ursachen forschen". Solana erinnerte an Erklärungen der Nato-Militärärzte und belgischer Experten, die keinen Zusammenhang zwischen der Uran-Munition und den Leukämieerkrankungen von Soldaten herstellen konnten. Auch sei die Krebsrate unter den Soldaten statistisch nicht auffällig. Allerdings hatten die Militärärzte auch zur Kenntnis genommen, dass es unter den Soldaten, die auf dem Balkan eingesetzt waren, eine Reihe höchst unterschiedlicher Krankheiten und Beschwerden gibt. Die Untersuchungen sollen jetzt zwischen allen europäischen Streitkräften koordiniert werden. Andere Wissenschaftler hatten noch am Vorabend der Debatte im Europaparlament in zwei Anhörungen auf ungeklärte Fragen in Verbindung mit Uran-Munition hingewiesen.

Angesichts der verwirrenden Informationslage wartet man jetzt in der EU auf die Ergebnisse einiger wichtiger Studien: Die EU-Kommission, die sich auf dem Balkan mit einem 30-Millionen-Mark-Umweltprogramm engagiert, hat eine Expertengruppe einberufen. Im März sollen ferner die Ergebnisse einer Kommission der Vereinten Nationen bekannt werden, die im Kosovo Wasser-, Boden- und Pflanzenproben entnommen hat. Auch der Umweltausschuss des Europaparlaments hat eine Studie in Auftrag gegeben.



Quelle: Berliner Morgenpost, 20.1.2001

Hat Scharping gelogen?

Bundeswehrverband erhebt schweren Vorwurf gegen den Verteidigungsminister: Soldaten wurden vor Kosovo-Einsatz nicht über Uran-Munition informiert

Von Christoph Irion

Berlin - In der Debatte um die Gefährdung von Soldaten durch uranhaltige Munition auf dem Balkan hat der Bundeswehrverband massive Vorwürfe gegenüber Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) erhoben. Verbandschef Oberst Bernhard Gertz sagte der Berliner Morgenpost, es sei "definitiv und nachweislich falsch, wenn der Minister jetzt in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, die 1999 im Kosovo eingesetzten Bundeswehrsoldaten seien frühzeitig und umfassend über die Gefährdungen durch uranhaltige Munition informiert worden." Inzwischen hätten sich "jede Menge" besorgte Soldaten beim Bundeswehrverband gemeldet, die vor Ort über die Gefahren nicht in Kenntnis gesetzt worden seien: "Ich kann notfalls 2.900 Soldaten des 1. Kosovo- Kontingents, das ab dem 12. Juni 1999 einrückte, als Zeugen aufrufen, die bestätigen können, dass sie in der kritischen Anfangsphase in keiner Weise über die Gefahren aufgeklärt worden sind", sagte Gertz.

Scharping hatte zu seiner Entlastung einen Auszug aus der täglichen Weisung des Heeresführungskommandos vom 14. Juni 1999 präsentiert, die einen Betreff "Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran im Kosovo" enthält. "Es ist eine Unverschämtheit, dies als Beleg anzuführen", sagte Gertz. Denn es handele sich dabei lediglich um eine sechszeilige Kurzinformation, "die sich irgendwo innerhalb eines 17-Seiten- Papiers versteckt". Dort ist unter Hinweis auf uranhaltige Munition zwar die Rede von "einer schwachen radiologischen Strahlung". Aber es fehlt jeder Hinweis auf die sehr viel bedeutsamere toxische Bedrohung durch uranhaltige Schwermetall-Stäube. "Vor allem aber enthält das Schreiben keinerlei Handlungsanweisung", so Gertz. Im Gegensatz dazu habe die US-Armee ihren Soldaten ein ganzes Handbuch zum Umgang mit Uran-Munition ausgehändigt. Es sei dagegen "unmöglich, aufgrund dieser sechs Zeilen von Scharping eine Idee davon zu bekommen, welche Gefahren von der Munition ausgehen können. Dann zu behaupten, die Truppe sei gewarnt worden, ist unglaublich."

Ebenfalls als Entlastung veröffentlichte das Verteidigungsministerium in dieser Woche eine Liste mit "Angaben zum zeitlichen Ablauf". Aus diesem Papier soll hervorgehen, dass die Soldaten spätestens bis zum 5. Juli 1999 durch die Nato und seitens der Bundeswehr-Befehlshaber "mit entsprechenden Handlungsvorgaben" für DU-Munition, die abgereichertes Uran enthält, versorgt worden seien. Tatsächlich erhielten aber zahlreiche im Kosovo eingesetzte Soldaten offenbar keinerlei Hinweise auf die Gefährdungen. Auch in den Vorbereitungskursen und in der Ausbildung wurde nicht auf die Gesundheitsgefahren hingewiesen. Das geht aus einem Beschwerdebrief eines Offiziers des in Schleswig-Holstein stationierten Lufttransportgeschwaders 63 an das höchste Vertrauensmännergremium im Bundesverteidigungsministerium hervor. In dem Schreiben, das der Berliner Morgenpost vorliegt, beklagt der Offizier, der selbst im Kosovo im Einsatz war, inzwischen einen massiven "Vertrauensverlust" bei Untergebenen. Das Problem liege nicht so sehr darin, dass die Soldaten Gefährdungen ausgesetzt gewesen seien. Viel schlimmer sei, dass sie "über Risiken, die man hätte vermeiden können, nicht informiert" worden seien: "Bis Ende 2000 wurde nach meinen Erkenntnissen nicht ein einziger Kamerad ..., der in den Einsatz ging oder zurückkam, über die Gefährdung durch DU-Munition aufgeklärt." An einer anderen Stelle des Briefes bezichtigt der Offizier seinen Minister ausdrücklich der Lüge: "Entgegen getätigter Aussagen des Verteidigungsministers wurden die Soldaten weder in der Vorbereitung noch während des Einsatzes, was aufgrund von Aussagen der betroffenen Soldaten zu belegen ist, über die Gefahren aufgeklärt." Ein Unteroffizier desselben Geschwaders beklagt sich schriftlich über "Ignoranz, völlig verfehlte Informationspolitik und Verantwortungslosigkeit unserer militärischen Vorgesetzten und der politischen Führungsebene".

Bundeswehrverbandschef Gertz sieht jetzt vor allem das Problem des Vertrauensverlusts der Soldaten in die politische Führung: "Die Jungs sind echt sauer auf Scharping, weil er sie vor der Öffentlichkeit total verschaukelt hat."



Quelle: junge Welt Interview, 20.01.2001

Gehören Verantwortliche der NATO nach Den Haag?

jW sprach mit der Ärztin und Epidemiologin Gina Mertens

Im Auftrag der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) beschäftigt sie sich seit mehreren Jahren mit der Problematik der Uranmunition

Frage: Die offizielle Darstellung der Hardthöhe zur Verwendung der DU-Munition im Krieg gegen Jugoslawien und den sich daraus ergebenden Folgen lautet: "Es gibt keine Gefährdung deutscher Kosovo-Soldaten durch mit abgereichertem Uran (DU) gehärtete Munition". Was sagen Sie zu dieser Behauptung?

Mertens: Die eingesetzten Soldaten sind zwar sehr viel weniger gefährdet als die Zivilbevölkerung, von einer Entwarnung kann jedoch keine Rede sein. Auch Soldaten laufen Gefahr, giftigen Uranstaub einzuatmen, der über einen Zeitraum von mehreren Jahren Krebs auslösen kann. Urangeschosse enthalten auch Plutonium - einen der gefährlichsten Stoffe überhaupt. Bereits mehrere Mikrogramm davon reichten im Tierexperiment aus, um bei 100 Prozent aller Versuchtstiere Krebs auszulösen.

Frage: In den offiziellen Stellungnahmen wird meist nur auf die angeblich nicht bestehenden Gesundheitsgefahren für die eigenen Soldaten eingegangen - nach Ansicht von Experten sind aber vor allem die Zivilbevölkerung oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gefährdet. Sind Ihnen Warnungen oder Vorsichtsmaßnahmen bekannt, die von deutschen oder internationalen Stellen ausgegeben werden?

Mertens: Es gab und gibt Warnhinweise für Soldaten und Polizisten. Allerdings haben bereits mehrere Soldaten die IPPNW kontaktiert, da sie sich unzureichend informiert fühlten. Ich war im letzten Jahr im Kosovo und habe mit Entsetzen festgestellt, daß die dort arbeitenden Ärzte und auch die Bevölkerung überhaupt nicht gewarnt worden sind. Die NATO hat alle Informationen über die mit Uranmunition bombardierten Ziele zurückgehalten. Dadurch ist es noch nicht einmal möglich, die Bevölkerung in kontaminierten Gebieten davor zu schützen, immer wieder mit dem Trinkwasser oder Gemüse dieses giftige Schwermetall aufzunehmen.

Frage: Der US-amerikanische Physiker Doug Rokke spricht davon, daß die NATO sowohl in Bosnien als auch im Kosovo "mutwillig und wissentlich ganze Landstriche verseucht" habe. Bietet ein offenkundig stattgefundener Bruch internationaler Konventionen keine Möglichkeit, die dafür Zuständigen zur Verantwortung zu ziehen?

Mertens: Doug Rokke stimme ich voll und ganz zu. Es wäre ein Zeichen der Hoffnung, wenn auch die Verantwortlichen bei der NATO sich in Den Haag verantworten müßten. Ich hoffe auch, daß den Betroffenen, anders als in Vietnam, Schadensersatz zugesprochen wird - auch wenn man dadurch Krebs nicht heilen kann.

Frage: Nach Monitor-Recherchen geht sogar das US- Energieministerium davon aus, daß das dem US- Verteidigungsministerium zur Munitionsherstellung übergebene Uran zwangsläufig mit Plutonium verunreinigt ist. Was bedeutet das?

Mertens: Wichtig sind jetzt genaue Zahlenangaben über den tatsächlichen Gehalt an Plutonium, um die Gefahr besser abschätzen zu können. Plutonium ist sehr viel stärker radioaktiv als Uran; es geht hiervon ein dramatisch höheres Krankheitsrisiko aus als von Uran.

Interview: Thomas Klein

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